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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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zu nichts als zum schneiden und sägen ge-
schickt waren: ein großes Feuer loderte in
hohe Flammen empor, und nichts war wahr-
scheinlicher, als daß sie beide gebraten wer-
den werden sollten. Mitten unter dieser
unseligen Vermuthung rennte eine Weibs-
person, unsinnig wie ein Mänade, auf Bel-
phegorn zu und zwickte ihm mit einem stei-
nernen Instrumente ein Stück Fleisch aus
dem Arme, daß er vor Schmerz vergehn
mochte; das Blut quoll aus der Wunde,
und schnell hielt einer der Dastehenden ein
Gefäß unter, um es aufzufangen und zu ver-
schlucken. Dem Beispiele des rasenden Wei-
bes folgten einige andre, und in kurzer Zeit
waren die beiden Leidenden vor Schmerz
fast erschöpft und ganz mit Wunden bedeckt,
ihr Blut von verschiedenen getrunken, und
Stücken von ihrem Fleische im Triumphe
davon getragen worden. Aus diesem tragi-
schen Ende, das ihre gütige Verpflegung
nahm: konnte man schließen, daß man nur
die menschenfreundliche Absicht dabey gehabt
hatte, ihr Blut und ihr Fleisch fetter und
wohlschmeckender zu machen und ihnen Kräfte
zu geben, daß sie durch ihre Martern desto

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zu nichts als zum ſchneiden und ſaͤgen ge-
ſchickt waren: ein großes Feuer loderte in
hohe Flammen empor, und nichts war wahr-
ſcheinlicher, als daß ſie beide gebraten wer-
den werden ſollten. Mitten unter dieſer
unſeligen Vermuthung rennte eine Weibs-
perſon, unſinnig wie ein Maͤnade, auf Bel-
phegorn zu und zwickte ihm mit einem ſtei-
nernen Inſtrumente ein Stuͤck Fleiſch aus
dem Arme, daß er vor Schmerz vergehn
mochte; das Blut quoll aus der Wunde,
und ſchnell hielt einer der Daſtehenden ein
Gefaͤß unter, um es aufzufangen und zu ver-
ſchlucken. Dem Beiſpiele des raſenden Wei-
bes folgten einige andre, und in kurzer Zeit
waren die beiden Leidenden vor Schmerz
faſt erſchoͤpft und ganz mit Wunden bedeckt,
ihr Blut von verſchiedenen getrunken, und
Stuͤcken von ihrem Fleiſche im Triumphe
davon getragen worden. Aus dieſem tragi-
ſchen Ende, das ihre guͤtige Verpflegung
nahm: konnte man ſchließen, daß man nur
die menſchenfreundliche Abſicht dabey gehabt
hatte, ihr Blut und ihr Fleiſch fetter und
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[211/0217] zu nichts als zum ſchneiden und ſaͤgen ge- ſchickt waren: ein großes Feuer loderte in hohe Flammen empor, und nichts war wahr- ſcheinlicher, als daß ſie beide gebraten wer- den werden ſollten. Mitten unter dieſer unſeligen Vermuthung rennte eine Weibs- perſon, unſinnig wie ein Maͤnade, auf Bel- phegorn zu und zwickte ihm mit einem ſtei- nernen Inſtrumente ein Stuͤck Fleiſch aus dem Arme, daß er vor Schmerz vergehn mochte; das Blut quoll aus der Wunde, und ſchnell hielt einer der Daſtehenden ein Gefaͤß unter, um es aufzufangen und zu ver- ſchlucken. Dem Beiſpiele des raſenden Wei- bes folgten einige andre, und in kurzer Zeit waren die beiden Leidenden vor Schmerz faſt erſchoͤpft und ganz mit Wunden bedeckt, ihr Blut von verſchiedenen getrunken, und Stuͤcken von ihrem Fleiſche im Triumphe davon getragen worden. Aus dieſem tragi- ſchen Ende, das ihre guͤtige Verpflegung nahm: konnte man ſchließen, daß man nur die menſchenfreundliche Abſicht dabey gehabt hatte, ihr Blut und ihr Fleiſch fetter und wohlſchmeckender zu machen und ihnen Kraͤfte zu geben, daß ſie durch ihre Martern deſto laͤnger O 3

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/217>, abgerufen am 22.12.2024.