mir nieder, belekte mich, wie Fromaln, von der Stirn bis zum Kinne, und brüllte so freudig, als wenn er seinen leiblichen Bru- der in mir angetroffen hätte, legte die ge- heilte Klaue auf mich und behandelte mich recht freundschaftlich. Die Priester wurden stutzig, hielten mich für ein besondres Ge- schöpf und glaubten gar, daß die Seele ei- nes nahen Anverwandten aus der Familie des Löwen auf ihrer Wanderung in mir her- berge: denn anders konnten sie sich die glimpfliche Begegnung des Thieres nicht er- klären, als daß er sich scheue, die Banden des Bluts in mir zu verletzen. Die Leute müssen eine Kolonie von den Aegyptern seyn, oder ihren Glauben an die Seelenwande- rung in Aegypten geholt haben: wer Lust hat mag das untersuchen, -- genug, mir schafte die Seelenwanderung herrlichen Nu- tzen. Sie thaten mir die Ehre an, mich als ein heiliges Thier zu bewirthen, und weil ich doch äusserlich die Menschenfigur hatte, so gab man mir menschliche Nahrung und einen eignen Stall gleich neben meinem vermeinten Blutsfreunde.
Nicht
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mir nieder, belekte mich, wie Fromaln, von der Stirn bis zum Kinne, und bruͤllte ſo freudig, als wenn er ſeinen leiblichen Bru- der in mir angetroffen haͤtte, legte die ge- heilte Klaue auf mich und behandelte mich recht freundſchaftlich. Die Prieſter wurden ſtutzig, hielten mich fuͤr ein beſondres Ge- ſchoͤpf und glaubten gar, daß die Seele ei- nes nahen Anverwandten aus der Familie des Loͤwen auf ihrer Wanderung in mir her- berge: denn anders konnten ſie ſich die glimpfliche Begegnung des Thieres nicht er- klaͤren, als daß er ſich ſcheue, die Banden des Bluts in mir zu verletzen. Die Leute muͤſſen eine Kolonie von den Aegyptern ſeyn, oder ihren Glauben an die Seelenwande- rung in Aegypten geholt haben: wer Luſt hat mag das unterſuchen, — genug, mir ſchafte die Seelenwanderung herrlichen Nu- tzen. Sie thaten mir die Ehre an, mich als ein heiliges Thier zu bewirthen, und weil ich doch aͤuſſerlich die Menſchenfigur hatte, ſo gab man mir menſchliche Nahrung und einen eignen Stall gleich neben meinem vermeinten Blutsfreunde.
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mir nieder, belekte mich, wie Fromaln, von
der Stirn bis zum Kinne, und bruͤllte ſo
freudig, als wenn er ſeinen leiblichen Bru-
der in mir angetroffen haͤtte, legte die ge-
heilte Klaue auf mich und behandelte mich
recht freundſchaftlich. Die Prieſter wurden
ſtutzig, hielten mich fuͤr ein beſondres Ge-
ſchoͤpf und glaubten gar, daß die Seele ei-
nes nahen Anverwandten aus der Familie
des Loͤwen auf ihrer Wanderung in mir her-
berge: denn anders konnten ſie ſich die
glimpfliche Begegnung des Thieres nicht er-
klaͤren, als daß er ſich ſcheue, die Banden
des Bluts in mir zu verletzen. Die Leute
muͤſſen eine Kolonie von den Aegyptern ſeyn,
oder ihren Glauben an die Seelenwande-
rung in Aegypten geholt haben: wer Luſt
hat mag das unterſuchen, — genug, mir
ſchafte die Seelenwanderung herrlichen Nu-
tzen. Sie thaten mir die Ehre an, mich
als ein heiliges Thier zu bewirthen, und
weil ich doch aͤuſſerlich die Menſchenfigur
hatte, ſo gab man mir menſchliche Nahrung
und einen eignen Stall gleich neben meinem
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/23>, abgerufen am 27.11.2024.
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