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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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genug, ich glaube, daß eine Vorsicht ist,
und wers nicht glaubt, den soll der Teufel
holen! -- Nun, Brüderchen! -- und so
stieß er an sein Glas -- alle, die eine Vor-
sicht glauben, sollen leben! --

Man merkte es, daß die Flasche den
jovialischen Medardus begeistert hatte; und
da Belphegors Rausch ein trüber melancho-
lischer Rausch war, so hätten beyde beynahe
über Schicksal und Vorsicht in einen unseli-
gen Zwist verwickelt werden können, wenn
nicht Akantens Dazwischenkunft sie getrennt
und im Frieden erhalten hätte.

Als der Rausch ausgeschlafen war, so
kehrte zwar die alte Vertraulichkeit wieder
zurück, allein Belphegor blieb doch trübsinnig.
Akante heiterte sich mit jeder Stunde wieder
auf: mit jeder Erzählung, die ihr Medar-
dus von dem Reichthume und den Schön-
heiten zu Karthagena machte, mit jeder Aus-
sicht auf Ruhe, Bequemlichkeit, Ergötzlich-
keit, die er ihr eröffnete, verschwand das
Andenken der überstandnen Beschwerlichkei-
ten, und es verstärkte sich ihre Munterkeit und
Lebhaftigkeit; sie quälte sich nicht, ob diese
angenehme Erwartungen ein Geschenk des

Schick.

genug, ich glaube, daß eine Vorſicht iſt,
und wers nicht glaubt, den ſoll der Teufel
holen! — Nun, Bruͤderchen! — und ſo
ſtieß er an ſein Glas — alle, die eine Vor-
ſicht glauben, ſollen leben! —

Man merkte es, daß die Flaſche den
jovialiſchen Medardus begeiſtert hatte; und
da Belphegors Rauſch ein truͤber melancho-
liſcher Rauſch war, ſo haͤtten beyde beynahe
uͤber Schickſal und Vorſicht in einen unſeli-
gen Zwiſt verwickelt werden koͤnnen, wenn
nicht Akantens Dazwiſchenkunft ſie getrennt
und im Frieden erhalten haͤtte.

Als der Rauſch ausgeſchlafen war, ſo
kehrte zwar die alte Vertraulichkeit wieder
zuruͤck, allein Belphegor blieb doch truͤbſinnig.
Akante heiterte ſich mit jeder Stunde wieder
auf: mit jeder Erzaͤhlung, die ihr Medar-
dus von dem Reichthume und den Schoͤn-
heiten zu Karthagena machte, mit jeder Aus-
ſicht auf Ruhe, Bequemlichkeit, Ergoͤtzlich-
keit, die er ihr eroͤffnete, verſchwand das
Andenken der uͤberſtandnen Beſchwerlichkei-
ten, und es verſtaͤrkte ſich ihre Munterkeit und
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[224/0230] genug, ich glaube, daß eine Vorſicht iſt, und wers nicht glaubt, den ſoll der Teufel holen! — Nun, Bruͤderchen! — und ſo ſtieß er an ſein Glas — alle, die eine Vor- ſicht glauben, ſollen leben! — Man merkte es, daß die Flaſche den jovialiſchen Medardus begeiſtert hatte; und da Belphegors Rauſch ein truͤber melancho- liſcher Rauſch war, ſo haͤtten beyde beynahe uͤber Schickſal und Vorſicht in einen unſeli- gen Zwiſt verwickelt werden koͤnnen, wenn nicht Akantens Dazwiſchenkunft ſie getrennt und im Frieden erhalten haͤtte. Als der Rauſch ausgeſchlafen war, ſo kehrte zwar die alte Vertraulichkeit wieder zuruͤck, allein Belphegor blieb doch truͤbſinnig. Akante heiterte ſich mit jeder Stunde wieder auf: mit jeder Erzaͤhlung, die ihr Medar- dus von dem Reichthume und den Schoͤn- heiten zu Karthagena machte, mit jeder Aus- ſicht auf Ruhe, Bequemlichkeit, Ergoͤtzlich- keit, die er ihr eroͤffnete, verſchwand das Andenken der uͤberſtandnen Beſchwerlichkei- ten, und es verſtaͤrkte ſich ihre Munterkeit und Lebhaftigkeit; ſie quaͤlte ſich nicht, ob dieſe angenehme Erwartungen ein Geſchenk des Schick.

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/230>, abgerufen am 22.12.2024.