tel? -- Zweck können sie nicht seyn: denn welche Idee, Kreaturen zu schaffen, damit sie einander fressen! -- Mittel eben so wenig: denn wozu führen solche Unthaten im Ganzen oder im Einzelnen? -- Entwe- der müßte also hier in dem Plane der Bege- benheiten ein thörichter Zweck oder ein thö- richtes Mittel angenommen werden, oder die ganze Sache muß ein zufälliger, nicht intendirter Umstand seyn; und, und! -- vielleicht war die ganze Reihe meines, deines Lebens, die Begebenheiten der ganzen Erde nichts als dieses -- Wir- kungen des Zufalls und der Nothwendigkeit, wo Leute, die diese Wörter nicht leiden konn- ten, Zweck und Mittel herauskünstelten, und, wie die Wahrsager, auch zuweilen diese beyden Sachen selbst herausbrachten. --
Brüderchen, Du schwatzest zu subtil: Du grübelst und grübelst, und hast am Ende nichts als Unruhe und Ungewisheit zum Lohne: ich glaube frisch weg, ohne mich links oder rechts umzusehen, daß alles gut und weise angeordnet ist, und wenn mich die Kerle, die Dich verschlingen wollten, schon halb hinuntergeschluckt hätten, so dächte
ich doch:
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tel? — Zweck koͤnnen ſie nicht ſeyn: denn welche Idee, Kreaturen zu ſchaffen, damit ſie einander freſſen! — Mittel eben ſo wenig: denn wozu fuͤhren ſolche Unthaten im Ganzen oder im Einzelnen? — Entwe- der muͤßte alſo hier in dem Plane der Bege- benheiten ein thoͤrichter Zweck oder ein thoͤ- richtes Mittel angenommen werden, oder die ganze Sache muß ein zufaͤlliger, nicht intendirter Umſtand ſeyn; und, und! — vielleicht war die ganze Reihe meines, deines Lebens, die Begebenheiten der ganzen Erde nichts als dieſes — Wir- kungen des Zufalls und der Nothwendigkeit, wo Leute, die dieſe Woͤrter nicht leiden konn- ten, Zweck und Mittel herauskuͤnſtelten, und, wie die Wahrſager, auch zuweilen dieſe beyden Sachen ſelbſt herausbrachten. —
Bruͤderchen, Du ſchwatzeſt zu ſubtil: Du gruͤbelſt und gruͤbelſt, und haſt am Ende nichts als Unruhe und Ungewisheit zum Lohne: ich glaube friſch weg, ohne mich links oder rechts umzuſehen, daß alles gut und weiſe angeordnet iſt, und wenn mich die Kerle, die Dich verſchlingen wollten, ſchon halb hinuntergeſchluckt haͤtten, ſo daͤchte
ich doch:
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tel? — Zweck koͤnnen ſie nicht ſeyn: denn
welche Idee, Kreaturen zu ſchaffen, damit
ſie einander freſſen! — Mittel eben ſo
wenig: denn wozu fuͤhren ſolche Unthaten
im Ganzen oder im Einzelnen? — Entwe-
der muͤßte alſo hier in dem Plane der Bege-
benheiten ein thoͤrichter Zweck oder ein thoͤ-
richtes Mittel angenommen werden, oder
die ganze Sache muß ein zufaͤlliger,
nicht intendirter Umſtand ſeyn; und,
und! — vielleicht war die ganze Reihe
meines, deines Lebens, die Begebenheiten
der ganzen Erde nichts als dieſes — Wir-
kungen des Zufalls und der Nothwendigkeit,
wo Leute, die dieſe Woͤrter nicht leiden konn-
ten, Zweck und Mittel herauskuͤnſtelten,
und, wie die Wahrſager, auch zuweilen dieſe
beyden Sachen ſelbſt herausbrachten. —
Bruͤderchen, Du ſchwatzeſt zu ſubtil: Du
gruͤbelſt und gruͤbelſt, und haſt am Ende
nichts als Unruhe und Ungewisheit zum
Lohne: ich glaube friſch weg, ohne mich
links oder rechts umzuſehen, daß alles gut
und weiſe angeordnet iſt, und wenn mich
die Kerle, die Dich verſchlingen wollten,
ſchon halb hinuntergeſchluckt haͤtten, ſo daͤchte
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/233>, abgerufen am 22.12.2024.
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