dieser Akanten, die Gefährtinn seiner Schmer- zen und seines Unglücks, zu seiner wirklichen Ehegattinn erhub.
Belphegor glaubte sich nunmehr am Ende seiner Leiden, heiterte sich durch seine Zer- streuungen und Geschäfte genugsam wieder auf, um seine bisherige trübe Laune ziemlich zu vergessen; allein der herrschende Ton sei- ner Empfindungen und seiner Gedanken blieb beständig der schwermüthige, der me- lancholische, und seine Unterhaltungen mit seinem Freunde betrafen meistens das große Labyrinth -- die Begebenheiten und Schick- sale der Menschen. Er wankte mit seinem Glauben zwischen Nothwendigkeit und Vor- sehung hin und wieder, und seine eigne Ueberzeugung zog ihn allezeit zu der erstern, ob ihn gleich sein Freund zu der letztern zu ziehen suchte. Wenn aber auch sein inner- licher Zustand nie völlig ruhig werden konnte, so glaubte er wenigstens, daß die Menschen und das Schicksal seinen äußerlichen nicht weiter beunruhigen würden; aber auch hierinne glaubte er falsch: die Menschen mußten ihn in seiner Ruhe stören, weil er sie im Laster und der Unterdrückung stören wollte.
Seine
dieſer Akanten, die Gefaͤhrtinn ſeiner Schmer- zen und ſeines Ungluͤcks, zu ſeiner wirklichen Ehegattinn erhub.
Belphegor glaubte ſich nunmehr am Ende ſeiner Leiden, heiterte ſich durch ſeine Zer- ſtreuungen und Geſchaͤfte genugſam wieder auf, um ſeine bisherige truͤbe Laune ziemlich zu vergeſſen; allein der herrſchende Ton ſei- ner Empfindungen und ſeiner Gedanken blieb beſtaͤndig der ſchwermuͤthige, der me- lancholiſche, und ſeine Unterhaltungen mit ſeinem Freunde betrafen meiſtens das große Labyrinth — die Begebenheiten und Schick- ſale der Menſchen. Er wankte mit ſeinem Glauben zwiſchen Nothwendigkeit und Vor- ſehung hin und wieder, und ſeine eigne Ueberzeugung zog ihn allezeit zu der erſtern, ob ihn gleich ſein Freund zu der letztern zu ziehen ſuchte. Wenn aber auch ſein inner- licher Zuſtand nie voͤllig ruhig werden konnte, ſo glaubte er wenigſtens, daß die Menſchen und das Schickſal ſeinen aͤußerlichen nicht weiter beunruhigen wuͤrden; aber auch hierinne glaubte er falſch: die Menſchen mußten ihn in ſeiner Ruhe ſtoͤren, weil er ſie im Laſter und der Unterdruͤckung ſtoͤren wollte.
Seine
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dieſer Akanten, die Gefaͤhrtinn ſeiner Schmer-
zen und ſeines Ungluͤcks, zu ſeiner wirklichen
Ehegattinn erhub.
Belphegor glaubte ſich nunmehr am Ende
ſeiner Leiden, heiterte ſich durch ſeine Zer-
ſtreuungen und Geſchaͤfte genugſam wieder
auf, um ſeine bisherige truͤbe Laune ziemlich
zu vergeſſen; allein der herrſchende Ton ſei-
ner Empfindungen und ſeiner Gedanken
blieb beſtaͤndig der ſchwermuͤthige, der me-
lancholiſche, und ſeine Unterhaltungen mit
ſeinem Freunde betrafen meiſtens das große
Labyrinth — die Begebenheiten und Schick-
ſale der Menſchen. Er wankte mit ſeinem
Glauben zwiſchen Nothwendigkeit und Vor-
ſehung hin und wieder, und ſeine eigne
Ueberzeugung zog ihn allezeit zu der erſtern,
ob ihn gleich ſein Freund zu der letztern zu
ziehen ſuchte. Wenn aber auch ſein inner-
licher Zuſtand nie voͤllig ruhig werden konnte,
ſo glaubte er wenigſtens, daß die Menſchen
und das Schickſal ſeinen aͤußerlichen nicht
weiter beunruhigen wuͤrden; aber auch
hierinne glaubte er falſch: die Menſchen
mußten ihn in ſeiner Ruhe ſtoͤren, weil er ſie
im Laſter und der Unterdruͤckung ſtoͤren wollte.
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/241>, abgerufen am 22.12.2024.
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