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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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zu hart drückte: mit der Zeit wurde er durch
die Gewohnheit eingeschläfert, und fühlte
gar nicht mehr, daß ihm der Druck auf dem
Halse lag: -- siehe! das ist bisher die
Hülfe gewesen, die die träge langsame Zeit
gereicht hat. --

O Freund! ich bin nicht der Mann, der
diese hohe Unternehmung wagen könnte;
aber eins kann ich! ich kann Vorschläge
und Projekte thun. Von jeher war es mei-
ne Lieblingsbeschäftigung, über die Gebre-
chen der Regierungen nachzudenken und
Plane zu ihrer Verbesserung auszusinnen:
keine darunter sind ausgeführt worden,
aber die Welt befände sich gewiß wohl da-
bey, wenn sie alle ausgeführt wären. Ich
habe einen Entwurf ersonnen, wie alle
Kriege, wenigstens in Europa, auf immer
unthätig gemacht und ganz vertilgt werden
könnten. --

Willkommnes Projekt! O Natur! warum
gabst du mir nicht Kräfte in meinen Arm
und Muth genug in mein Herz, ein so er-
habnes Projekt zu bewerkstelligen? --

Er braucht weder Muth noch starken Arm
dazu, um die Uebereinstimmung aller Mächte

von

zu hart druͤckte: mit der Zeit wurde er durch
die Gewohnheit eingeſchlaͤfert, und fuͤhlte
gar nicht mehr, daß ihm der Druck auf dem
Halſe lag: — ſiehe! das iſt bisher die
Huͤlfe geweſen, die die traͤge langſame Zeit
gereicht hat. —

O Freund! ich bin nicht der Mann, der
dieſe hohe Unternehmung wagen koͤnnte;
aber eins kann ich! ich kann Vorſchlaͤge
und Projekte thun. Von jeher war es mei-
ne Lieblingsbeſchaͤftigung, uͤber die Gebre-
chen der Regierungen nachzudenken und
Plane zu ihrer Verbeſſerung auszuſinnen:
keine darunter ſind ausgefuͤhrt worden,
aber die Welt befaͤnde ſich gewiß wohl da-
bey, wenn ſie alle ausgefuͤhrt waͤren. Ich
habe einen Entwurf erſonnen, wie alle
Kriege, wenigſtens in Europa, auf immer
unthaͤtig gemacht und ganz vertilgt werden
koͤnnten. —

Willkommnes Projekt! O Natur! warum
gabſt du mir nicht Kraͤfte in meinen Arm
und Muth genug in mein Herz, ein ſo er-
habnes Projekt zu bewerkſtelligen? —

Er braucht weder Muth noch ſtarken Arm
dazu, um die Uebereinſtimmung aller Maͤchte

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[254/0260] zu hart druͤckte: mit der Zeit wurde er durch die Gewohnheit eingeſchlaͤfert, und fuͤhlte gar nicht mehr, daß ihm der Druck auf dem Halſe lag: — ſiehe! das iſt bisher die Huͤlfe geweſen, die die traͤge langſame Zeit gereicht hat. — O Freund! ich bin nicht der Mann, der dieſe hohe Unternehmung wagen koͤnnte; aber eins kann ich! ich kann Vorſchlaͤge und Projekte thun. Von jeher war es mei- ne Lieblingsbeſchaͤftigung, uͤber die Gebre- chen der Regierungen nachzudenken und Plane zu ihrer Verbeſſerung auszuſinnen: keine darunter ſind ausgefuͤhrt worden, aber die Welt befaͤnde ſich gewiß wohl da- bey, wenn ſie alle ausgefuͤhrt waͤren. Ich habe einen Entwurf erſonnen, wie alle Kriege, wenigſtens in Europa, auf immer unthaͤtig gemacht und ganz vertilgt werden koͤnnten. — Willkommnes Projekt! O Natur! warum gabſt du mir nicht Kraͤfte in meinen Arm und Muth genug in mein Herz, ein ſo er- habnes Projekt zu bewerkſtelligen? — Er braucht weder Muth noch ſtarken Arm dazu, um die Uebereinſtimmung aller Maͤchte von

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/260>, abgerufen am 22.12.2024.