Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

diesem Augenblicke theilten sie Macht und
Ansehn mit einander.

Den ersten und zweyten Tag that Belphe-
gor ernstliche Erinnerungen wegen der ver-
sprochnen Wiedererstattung, und es fauden
sich tausend Entschuldigungen und Verhin-
derungen: Belphegor drang alsdann weni-
ger ernstlich, seltner und endlich gar nicht
mehr darauf; tadelte alle getroffne Anstalten
als unbillig, unfreundlich, unterdrückend,
und behielt sie bey: es blieb alles, wie es
war, und statt daß sonst alles Gold aufge-
häuft wurde, ließ er etwas mehr von den
gesammelten Schätzen in den Umlauf kom-
men, damit das Volk wieder die Ingredien-
zen zu zwo Mahlzeiten kaufen konnte.
Unter seinen Leidenschaften war die Liebe
zum Golde schwächer als bey seinem Mitre-
genten: er war freygebig und ermahnte
auch diesen es zu seyn: aber desto heftiger
war sein Ehrgeiz: allmählich vermehrte er
die Ehrenbezeugungen, die er von seinem
Volke foderte, und wenn er nicht reich zu
seyn wünschte, so wollte er angebetet seyn,
ohne zu fühlen, daß es auch eine Unter-
drückung giebt, die dem Menschen seine

Würde

dieſem Augenblicke theilten ſie Macht und
Anſehn mit einander.

Den erſten und zweyten Tag that Belphe-
gor ernſtliche Erinnerungen wegen der ver-
ſprochnen Wiedererſtattung, und es fauden
ſich tauſend Entſchuldigungen und Verhin-
derungen: Belphegor drang alsdann weni-
ger ernſtlich, ſeltner und endlich gar nicht
mehr darauf; tadelte alle getroffne Anſtalten
als unbillig, unfreundlich, unterdruͤckend,
und behielt ſie bey: es blieb alles, wie es
war, und ſtatt daß ſonſt alles Gold aufge-
haͤuft wurde, ließ er etwas mehr von den
geſammelten Schaͤtzen in den Umlauf kom-
men, damit das Volk wieder die Ingredien-
zen zu zwo Mahlzeiten kaufen konnte.
Unter ſeinen Leidenſchaften war die Liebe
zum Golde ſchwaͤcher als bey ſeinem Mitre-
genten: er war freygebig und ermahnte
auch dieſen es zu ſeyn: aber deſto heftiger
war ſein Ehrgeiz: allmaͤhlich vermehrte er
die Ehrenbezeugungen, die er von ſeinem
Volke foderte, und wenn er nicht reich zu
ſeyn wuͤnſchte, ſo wollte er angebetet ſeyn,
ohne zu fuͤhlen, daß es auch eine Unter-
druͤckung giebt, die dem Menſchen ſeine

Wuͤrde
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0047" n="41"/>
die&#x017F;em Augenblicke theilten &#x017F;ie Macht und<lb/>
An&#x017F;ehn mit einander.</p><lb/>
        <p>Den er&#x017F;ten und zweyten Tag that Belphe-<lb/>
gor ern&#x017F;tliche Erinnerungen wegen der ver-<lb/>
&#x017F;prochnen Wiederer&#x017F;tattung, und es fauden<lb/>
&#x017F;ich tau&#x017F;end Ent&#x017F;chuldigungen und Verhin-<lb/>
derungen: Belphegor drang alsdann weni-<lb/>
ger ern&#x017F;tlich, &#x017F;eltner und endlich gar nicht<lb/>
mehr darauf; tadelte alle getroffne An&#x017F;talten<lb/>
als unbillig, unfreundlich, unterdru&#x0364;ckend,<lb/>
und behielt &#x017F;ie bey: es blieb alles, wie es<lb/>
war, und &#x017F;tatt daß &#x017F;on&#x017F;t alles Gold aufge-<lb/>
ha&#x0364;uft wurde, ließ er etwas mehr von den<lb/>
ge&#x017F;ammelten Scha&#x0364;tzen in den Umlauf kom-<lb/>
men, damit das Volk wieder die Ingredien-<lb/>
zen zu <hi rendition="#fr">zwo</hi> Mahlzeiten kaufen konnte.<lb/>
Unter &#x017F;einen Leiden&#x017F;chaften war die Liebe<lb/>
zum Golde &#x017F;chwa&#x0364;cher als bey &#x017F;einem Mitre-<lb/>
genten: er war freygebig und ermahnte<lb/>
auch die&#x017F;en es zu &#x017F;eyn: aber de&#x017F;to heftiger<lb/>
war &#x017F;ein Ehrgeiz: allma&#x0364;hlich vermehrte er<lb/>
die Ehrenbezeugungen, die er von &#x017F;einem<lb/>
Volke foderte, und wenn er nicht reich zu<lb/>
&#x017F;eyn wu&#x0364;n&#x017F;chte, &#x017F;o wollte er angebetet &#x017F;eyn,<lb/>
ohne zu fu&#x0364;hlen, daß es auch eine Unter-<lb/>
dru&#x0364;ckung giebt, die dem Men&#x017F;chen &#x017F;eine<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wu&#x0364;rde</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0047] dieſem Augenblicke theilten ſie Macht und Anſehn mit einander. Den erſten und zweyten Tag that Belphe- gor ernſtliche Erinnerungen wegen der ver- ſprochnen Wiedererſtattung, und es fauden ſich tauſend Entſchuldigungen und Verhin- derungen: Belphegor drang alsdann weni- ger ernſtlich, ſeltner und endlich gar nicht mehr darauf; tadelte alle getroffne Anſtalten als unbillig, unfreundlich, unterdruͤckend, und behielt ſie bey: es blieb alles, wie es war, und ſtatt daß ſonſt alles Gold aufge- haͤuft wurde, ließ er etwas mehr von den geſammelten Schaͤtzen in den Umlauf kom- men, damit das Volk wieder die Ingredien- zen zu zwo Mahlzeiten kaufen konnte. Unter ſeinen Leidenſchaften war die Liebe zum Golde ſchwaͤcher als bey ſeinem Mitre- genten: er war freygebig und ermahnte auch dieſen es zu ſeyn: aber deſto heftiger war ſein Ehrgeiz: allmaͤhlich vermehrte er die Ehrenbezeugungen, die er von ſeinem Volke foderte, und wenn er nicht reich zu ſeyn wuͤnſchte, ſo wollte er angebetet ſeyn, ohne zu fuͤhlen, daß es auch eine Unter- druͤckung giebt, die dem Menſchen ſeine Wuͤrde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/47
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/47>, abgerufen am 30.11.2024.