Würde nimmt und ihn zum kriechenden Sklaven macht. Genug, der weise Mora- list wurde zum Unterdrücker, haßte und liebte die Menschen nach ihrer größern oder geringern Kunst zu schmeicheln und sich zu demüthigen, der Kriechendste, der Hinge- worfenste war ihm der Beste, und man mußte kriechen oder leiden -- eine Alterna- tive, die dem völligen Zwange gleich ist!
Inzwischen waren die benachbarten E- munkis von ihrer Sklaverey so übermäßig niedergedrückt worden, daß ihr betäubtes Gefühl rege wurde; sie empfanden, daß sie Menschen waren, stürzten ihren Tyrannen von dem Throne, ermordeten die Leibwache, die bisher den Meister gespielt hatte, wie vorhin der König von Niemeamaye er- zählte, und da Faktionen unter ihnen ent- stunden, vertrieb eine die andre, welche itzt mit dem wütendsten Ungestüme in das Reich einbrachen, dessen Herrschaft Belphegor und Medardus theilten. Der Sturm drang mit einer unglaublichen Schnelligkeit bis zur Hauptstadt, alles gerieth in Verwirrung und Unordnung, man setzte sich zur Gegen- wehr, und niemand wußte, warum man
ange-
Wuͤrde nimmt und ihn zum kriechenden Sklaven macht. Genug, der weiſe Mora- liſt wurde zum Unterdruͤcker, haßte und liebte die Menſchen nach ihrer groͤßern oder geringern Kunſt zu ſchmeicheln und ſich zu demuͤthigen, der Kriechendſte, der Hinge- worfenſte war ihm der Beſte, und man mußte kriechen oder leiden — eine Alterna- tive, die dem voͤlligen Zwange gleich iſt!
Inzwiſchen waren die benachbarten E- munkis von ihrer Sklaverey ſo uͤbermaͤßig niedergedruͤckt worden, daß ihr betaͤubtes Gefuͤhl rege wurde; ſie empfanden, daß ſie Menſchen waren, ſtuͤrzten ihren Tyrannen von dem Throne, ermordeten die Leibwache, die bisher den Meiſter geſpielt hatte, wie vorhin der Koͤnig von Niemeamaye er- zaͤhlte, und da Faktionen unter ihnen ent- ſtunden, vertrieb eine die andre, welche itzt mit dem wuͤtendſten Ungeſtuͤme in das Reich einbrachen, deſſen Herrſchaft Belphegor und Medardus theilten. Der Sturm drang mit einer unglaublichen Schnelligkeit bis zur Hauptſtadt, alles gerieth in Verwirrung und Unordnung, man ſetzte ſich zur Gegen- wehr, und niemand wußte, warum man
ange-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0048"n="42"/>
Wuͤrde nimmt und ihn zum kriechenden<lb/>
Sklaven macht. Genug, der weiſe Mora-<lb/>
liſt wurde zum Unterdruͤcker, haßte und<lb/>
liebte die Menſchen nach ihrer groͤßern oder<lb/>
geringern Kunſt zu ſchmeicheln und ſich zu<lb/>
demuͤthigen, der Kriechendſte, der Hinge-<lb/>
worfenſte war ihm der Beſte, und man<lb/>
mußte kriechen oder leiden — eine Alterna-<lb/>
tive, die dem voͤlligen Zwange gleich iſt!</p><lb/><p>Inzwiſchen waren die benachbarten <hirendition="#fr">E-<lb/>
munkis</hi> von ihrer Sklaverey ſo uͤbermaͤßig<lb/>
niedergedruͤckt worden, daß ihr betaͤubtes<lb/>
Gefuͤhl rege wurde; ſie empfanden, daß ſie<lb/>
Menſchen waren, ſtuͤrzten ihren Tyrannen<lb/>
von dem Throne, ermordeten die Leibwache,<lb/>
die bisher den Meiſter geſpielt hatte, wie<lb/>
vorhin der Koͤnig von <hirendition="#fr">Niemeamaye</hi> er-<lb/>
zaͤhlte, und da Faktionen unter ihnen ent-<lb/>ſtunden, vertrieb eine die andre, welche itzt<lb/>
mit dem wuͤtendſten Ungeſtuͤme in das Reich<lb/>
einbrachen, deſſen Herrſchaft Belphegor und<lb/>
Medardus theilten. Der Sturm drang mit<lb/>
einer unglaublichen Schnelligkeit bis zur<lb/>
Hauptſtadt, alles gerieth in Verwirrung<lb/>
und Unordnung, man ſetzte ſich zur Gegen-<lb/>
wehr, und niemand wußte, warum man<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ange-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[42/0048]
Wuͤrde nimmt und ihn zum kriechenden
Sklaven macht. Genug, der weiſe Mora-
liſt wurde zum Unterdruͤcker, haßte und
liebte die Menſchen nach ihrer groͤßern oder
geringern Kunſt zu ſchmeicheln und ſich zu
demuͤthigen, der Kriechendſte, der Hinge-
worfenſte war ihm der Beſte, und man
mußte kriechen oder leiden — eine Alterna-
tive, die dem voͤlligen Zwange gleich iſt!
Inzwiſchen waren die benachbarten E-
munkis von ihrer Sklaverey ſo uͤbermaͤßig
niedergedruͤckt worden, daß ihr betaͤubtes
Gefuͤhl rege wurde; ſie empfanden, daß ſie
Menſchen waren, ſtuͤrzten ihren Tyrannen
von dem Throne, ermordeten die Leibwache,
die bisher den Meiſter geſpielt hatte, wie
vorhin der Koͤnig von Niemeamaye er-
zaͤhlte, und da Faktionen unter ihnen ent-
ſtunden, vertrieb eine die andre, welche itzt
mit dem wuͤtendſten Ungeſtuͤme in das Reich
einbrachen, deſſen Herrſchaft Belphegor und
Medardus theilten. Der Sturm drang mit
einer unglaublichen Schnelligkeit bis zur
Hauptſtadt, alles gerieth in Verwirrung
und Unordnung, man ſetzte ſich zur Gegen-
wehr, und niemand wußte, warum man
ange-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/48>, abgerufen am 30.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.