Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Würde nimmt und ihn zum kriechenden
Sklaven macht. Genug, der weise Mora-
list wurde zum Unterdrücker, haßte und
liebte die Menschen nach ihrer größern oder
geringern Kunst zu schmeicheln und sich zu
demüthigen, der Kriechendste, der Hinge-
worfenste war ihm der Beste, und man
mußte kriechen oder leiden -- eine Alterna-
tive, die dem völligen Zwange gleich ist!

Inzwischen waren die benachbarten E-
munkis
von ihrer Sklaverey so übermäßig
niedergedrückt worden, daß ihr betäubtes
Gefühl rege wurde; sie empfanden, daß sie
Menschen waren, stürzten ihren Tyrannen
von dem Throne, ermordeten die Leibwache,
die bisher den Meister gespielt hatte, wie
vorhin der König von Niemeamaye er-
zählte, und da Faktionen unter ihnen ent-
stunden, vertrieb eine die andre, welche itzt
mit dem wütendsten Ungestüme in das Reich
einbrachen, dessen Herrschaft Belphegor und
Medardus theilten. Der Sturm drang mit
einer unglaublichen Schnelligkeit bis zur
Hauptstadt, alles gerieth in Verwirrung
und Unordnung, man setzte sich zur Gegen-
wehr, und niemand wußte, warum man

ange-

Wuͤrde nimmt und ihn zum kriechenden
Sklaven macht. Genug, der weiſe Mora-
liſt wurde zum Unterdruͤcker, haßte und
liebte die Menſchen nach ihrer groͤßern oder
geringern Kunſt zu ſchmeicheln und ſich zu
demuͤthigen, der Kriechendſte, der Hinge-
worfenſte war ihm der Beſte, und man
mußte kriechen oder leiden — eine Alterna-
tive, die dem voͤlligen Zwange gleich iſt!

Inzwiſchen waren die benachbarten E-
munkis
von ihrer Sklaverey ſo uͤbermaͤßig
niedergedruͤckt worden, daß ihr betaͤubtes
Gefuͤhl rege wurde; ſie empfanden, daß ſie
Menſchen waren, ſtuͤrzten ihren Tyrannen
von dem Throne, ermordeten die Leibwache,
die bisher den Meiſter geſpielt hatte, wie
vorhin der Koͤnig von Niemeamaye er-
zaͤhlte, und da Faktionen unter ihnen ent-
ſtunden, vertrieb eine die andre, welche itzt
mit dem wuͤtendſten Ungeſtuͤme in das Reich
einbrachen, deſſen Herrſchaft Belphegor und
Medardus theilten. Der Sturm drang mit
einer unglaublichen Schnelligkeit bis zur
Hauptſtadt, alles gerieth in Verwirrung
und Unordnung, man ſetzte ſich zur Gegen-
wehr, und niemand wußte, warum man

ange-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0048" n="42"/>
Wu&#x0364;rde nimmt und ihn zum kriechenden<lb/>
Sklaven macht. Genug, der wei&#x017F;e Mora-<lb/>
li&#x017F;t wurde zum Unterdru&#x0364;cker, haßte und<lb/>
liebte die Men&#x017F;chen nach ihrer gro&#x0364;ßern oder<lb/>
geringern Kun&#x017F;t zu &#x017F;chmeicheln und &#x017F;ich zu<lb/>
demu&#x0364;thigen, der Kriechend&#x017F;te, der Hinge-<lb/>
worfen&#x017F;te war ihm der Be&#x017F;te, und man<lb/>
mußte kriechen oder leiden &#x2014; eine Alterna-<lb/>
tive, die dem vo&#x0364;lligen Zwange gleich i&#x017F;t!</p><lb/>
        <p>Inzwi&#x017F;chen waren die benachbarten <hi rendition="#fr">E-<lb/>
munkis</hi> von ihrer Sklaverey &#x017F;o u&#x0364;berma&#x0364;ßig<lb/>
niedergedru&#x0364;ckt worden, daß ihr beta&#x0364;ubtes<lb/>
Gefu&#x0364;hl rege wurde; &#x017F;ie empfanden, daß &#x017F;ie<lb/>
Men&#x017F;chen waren, &#x017F;tu&#x0364;rzten ihren Tyrannen<lb/>
von dem Throne, ermordeten die Leibwache,<lb/>
die bisher den Mei&#x017F;ter ge&#x017F;pielt hatte, wie<lb/>
vorhin der Ko&#x0364;nig von <hi rendition="#fr">Niemeamaye</hi> er-<lb/>
za&#x0364;hlte, und da Faktionen unter ihnen ent-<lb/>
&#x017F;tunden, vertrieb eine die andre, welche itzt<lb/>
mit dem wu&#x0364;tend&#x017F;ten Unge&#x017F;tu&#x0364;me in das Reich<lb/>
einbrachen, de&#x017F;&#x017F;en Herr&#x017F;chaft Belphegor und<lb/>
Medardus theilten. Der Sturm drang mit<lb/>
einer unglaublichen Schnelligkeit bis zur<lb/>
Haupt&#x017F;tadt, alles gerieth in Verwirrung<lb/>
und Unordnung, man &#x017F;etzte &#x017F;ich zur Gegen-<lb/>
wehr, und niemand wußte, warum man<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ange-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0048] Wuͤrde nimmt und ihn zum kriechenden Sklaven macht. Genug, der weiſe Mora- liſt wurde zum Unterdruͤcker, haßte und liebte die Menſchen nach ihrer groͤßern oder geringern Kunſt zu ſchmeicheln und ſich zu demuͤthigen, der Kriechendſte, der Hinge- worfenſte war ihm der Beſte, und man mußte kriechen oder leiden — eine Alterna- tive, die dem voͤlligen Zwange gleich iſt! Inzwiſchen waren die benachbarten E- munkis von ihrer Sklaverey ſo uͤbermaͤßig niedergedruͤckt worden, daß ihr betaͤubtes Gefuͤhl rege wurde; ſie empfanden, daß ſie Menſchen waren, ſtuͤrzten ihren Tyrannen von dem Throne, ermordeten die Leibwache, die bisher den Meiſter geſpielt hatte, wie vorhin der Koͤnig von Niemeamaye er- zaͤhlte, und da Faktionen unter ihnen ent- ſtunden, vertrieb eine die andre, welche itzt mit dem wuͤtendſten Ungeſtuͤme in das Reich einbrachen, deſſen Herrſchaft Belphegor und Medardus theilten. Der Sturm drang mit einer unglaublichen Schnelligkeit bis zur Hauptſtadt, alles gerieth in Verwirrung und Unordnung, man ſetzte ſich zur Gegen- wehr, und niemand wußte, warum man ange-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/48
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/48>, abgerufen am 30.11.2024.