bis sie erfuhren, daß vor einigen Tagen eine schöne Europäerinn in dem Harem des großen Königes von Persien geführt worden sey: eine Karavane von Reisenden war dem Zuge begegnet, und da sie unglückseliger Weise ihm nicht ausweichen konnte, so hat- ten sich die Evnuchen einen Weg mit dem Schwerdte durch sie gebahnt. Das näm- liche Schicksal betraf alle, die die Unvorsich- tigkeit oder das Unglück hatten, sich auf dem Wege finden zu lassen: der klügere Theil war aus den Wohnungen, die an der Straße lagen, geflüchtet, um nicht durch einen unbedachtsamen Blick auf eine ver- schleierte Schönheit das Leben zu verwirken.
Belphegor hätte gern dem großen Sohne des Himmels für diese Barbarey den Kopf abgeschlagen, wenn er bey der Hand gewe- sen wäre, und machte verschiedene Anmer- kungen in seinem Tone darüber, die bey andern, als sklavischen erstorbnen Gemü- thern, einen förmlichen Aufruhr veranlaßt hätten. Wenn es aber gleich nicht diese Wirkung that, so fühlten doch seine Zuhörer einen gewissen Schwung in seiner Denkungs- art und seiner Beredsamkeit, welcher sie
dunkel
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bis ſie erfuhren, daß vor einigen Tagen eine ſchoͤne Europaͤerinn in dem Harem des großen Koͤniges von Perſien gefuͤhrt worden ſey: eine Karavane von Reiſenden war dem Zuge begegnet, und da ſie ungluͤckſeliger Weiſe ihm nicht ausweichen konnte, ſo hat- ten ſich die Evnuchen einen Weg mit dem Schwerdte durch ſie gebahnt. Das naͤm- liche Schickſal betraf alle, die die Unvorſich- tigkeit oder das Ungluͤck hatten, ſich auf dem Wege finden zu laſſen: der kluͤgere Theil war aus den Wohnungen, die an der Straße lagen, gefluͤchtet, um nicht durch einen unbedachtſamen Blick auf eine ver- ſchleierte Schoͤnheit das Leben zu verwirken.
Belphegor haͤtte gern dem großen Sohne des Himmels fuͤr dieſe Barbarey den Kopf abgeſchlagen, wenn er bey der Hand gewe- ſen waͤre, und machte verſchiedene Anmer- kungen in ſeinem Tone daruͤber, die bey andern, als ſklaviſchen erſtorbnen Gemuͤ- thern, einen foͤrmlichen Aufruhr veranlaßt haͤtten. Wenn es aber gleich nicht dieſe Wirkung that, ſo fuͤhlten doch ſeine Zuhoͤrer einen gewiſſen Schwung in ſeiner Denkungs- art und ſeiner Beredſamkeit, welcher ſie
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bis ſie erfuhren, daß vor einigen Tagen
eine ſchoͤne Europaͤerinn in dem Harem des
großen Koͤniges von Perſien gefuͤhrt worden
ſey: eine Karavane von Reiſenden war dem
Zuge begegnet, und da ſie ungluͤckſeliger
Weiſe ihm nicht ausweichen konnte, ſo hat-
ten ſich die Evnuchen einen Weg mit dem
Schwerdte durch ſie gebahnt. Das naͤm-
liche Schickſal betraf alle, die die Unvorſich-
tigkeit oder das Ungluͤck hatten, ſich auf
dem Wege finden zu laſſen: der kluͤgere
Theil war aus den Wohnungen, die an der
Straße lagen, gefluͤchtet, um nicht durch
einen unbedachtſamen Blick auf eine ver-
ſchleierte Schoͤnheit das Leben zu verwirken.
Belphegor haͤtte gern dem großen Sohne
des Himmels fuͤr dieſe Barbarey den Kopf
abgeſchlagen, wenn er bey der Hand gewe-
ſen waͤre, und machte verſchiedene Anmer-
kungen in ſeinem Tone daruͤber, die bey
andern, als ſklaviſchen erſtorbnen Gemuͤ-
thern, einen foͤrmlichen Aufruhr veranlaßt
haͤtten. Wenn es aber gleich nicht dieſe
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/71>, abgerufen am 22.12.2024.
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