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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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dunkel überredete, daß er keiner vom gemei-
nen Haufen, sondern ein Weiser seyn müsse,
weswegen sie ihm riethen, die Bekanntschaft
eines gewissen Derwisches zu machen, der
in einer völligen Einsamkeit lebte und ihnen
unter dem Namen des Derwisches in den
Bergen bekannt sey. Sie setzten hinzu,
jedermann, der ihn gesprochen, sey voller
Bewundrung und Ehrfurcht zurückgekom-
men und habe versichert, daß sein Mund
von einem unerschöpflichen Strome von
Weisheit und heilsamen Lehren überfließe.

Eine solche Nachricht war für Belphegors
Begierde ein Sporn: kaum konnte er sie
endigen lassen, als er um einen Wegweiser
bat, der ihn zu dem glücklichen Orte führen
sollte, wo er einen Menschen zu finden
hoffte. Sein Gefährte, dessen Durst nach
Weisheit nicht so heftig brannte, warnte
ihn sehr eifrig, sein Leben und das wenige
gerettete Geld nicht der Treulosigkeit dieser
Bösewichter anzuvertrauen, die ihn in un-
wegsame Gebirge führen und in den ersten
Abgrund stürzen würden. So sehr er ihm
mit seiner arabischen Beredsamkeit zusetzte,
und so stark er seine Warnung mit Gründen

unter-

dunkel uͤberredete, daß er keiner vom gemei-
nen Haufen, ſondern ein Weiſer ſeyn muͤſſe,
weswegen ſie ihm riethen, die Bekanntſchaft
eines gewiſſen Derwiſches zu machen, der
in einer voͤlligen Einſamkeit lebte und ihnen
unter dem Namen des Derwiſches in den
Bergen bekannt ſey. Sie ſetzten hinzu,
jedermann, der ihn geſprochen, ſey voller
Bewundrung und Ehrfurcht zuruͤckgekom-
men und habe verſichert, daß ſein Mund
von einem unerſchoͤpflichen Strome von
Weisheit und heilſamen Lehren uͤberfließe.

Eine ſolche Nachricht war fuͤr Belphegors
Begierde ein Sporn: kaum konnte er ſie
endigen laſſen, als er um einen Wegweiſer
bat, der ihn zu dem gluͤcklichen Orte fuͤhren
ſollte, wo er einen Menſchen zu finden
hoffte. Sein Gefaͤhrte, deſſen Durſt nach
Weisheit nicht ſo heftig brannte, warnte
ihn ſehr eifrig, ſein Leben und das wenige
gerettete Geld nicht der Treuloſigkeit dieſer
Boͤſewichter anzuvertrauen, die ihn in un-
wegſame Gebirge fuͤhren und in den erſten
Abgrund ſtuͤrzen wuͤrden. So ſehr er ihm
mit ſeiner arabiſchen Beredſamkeit zuſetzte,
und ſo ſtark er ſeine Warnung mit Gruͤnden

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[66/0072] dunkel uͤberredete, daß er keiner vom gemei- nen Haufen, ſondern ein Weiſer ſeyn muͤſſe, weswegen ſie ihm riethen, die Bekanntſchaft eines gewiſſen Derwiſches zu machen, der in einer voͤlligen Einſamkeit lebte und ihnen unter dem Namen des Derwiſches in den Bergen bekannt ſey. Sie ſetzten hinzu, jedermann, der ihn geſprochen, ſey voller Bewundrung und Ehrfurcht zuruͤckgekom- men und habe verſichert, daß ſein Mund von einem unerſchoͤpflichen Strome von Weisheit und heilſamen Lehren uͤberfließe. Eine ſolche Nachricht war fuͤr Belphegors Begierde ein Sporn: kaum konnte er ſie endigen laſſen, als er um einen Wegweiſer bat, der ihn zu dem gluͤcklichen Orte fuͤhren ſollte, wo er einen Menſchen zu finden hoffte. Sein Gefaͤhrte, deſſen Durſt nach Weisheit nicht ſo heftig brannte, warnte ihn ſehr eifrig, ſein Leben und das wenige gerettete Geld nicht der Treuloſigkeit dieſer Boͤſewichter anzuvertrauen, die ihn in un- wegſame Gebirge fuͤhren und in den erſten Abgrund ſtuͤrzen wuͤrden. So ſehr er ihm mit ſeiner arabiſchen Beredſamkeit zuſetzte, und ſo ſtark er ſeine Warnung mit Gruͤnden unter-

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/72>, abgerufen am 22.12.2024.