Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

dessen ihm etliche Thränen die Wangen
heruntertröpfelten: diese, sprach er, weih
ich dir!

Aber, fieng Belphegor nach einer kleinen
Pause an, wie konnte dich, ehrwürdiger Va-
ter, deine Flucht in diese himmlische Einsie-
deley, so weit von deinem Vaterlande füh-
ren? Du flohest Frankreich. --

Um einer Ursache willen, unterbrach ihn
der Alte lebhaft, die die Menschheit mit
ewigen Flecken brandmalt -- Flecken, die
keine Thränen auswaschen können. Wir
wurden Opfer der Ruhmsucht eines stolzen
Monarchen, *) des eingewurzelten Vorur-
theils, politischer Ränke und des Privat-
hasses; und wurden, nach dem öffentli-
chen
Vorwande, der Religion, der Recht-
gläubigkeit geopfert. Ich floh nach Deutsch-
land mit einigen meiner vertriebnen Mitbrü-
der, um es zu bereichern und poliren zu
helfen. Ich floh, aber mein Herz blieb in
Frankreich, oder es irrte vielmehr mit mei-
ner S ** herum: denn unmöglich konnte
ihre Liebe sie in einem Lande zurückbleiben
lassen, das ihren zärtlichen Freund verstossen

hatte.
*) Ludwig des 14.

deſſen ihm etliche Thraͤnen die Wangen
heruntertroͤpfelten: dieſe, ſprach er, weih
ich dir!

Aber, fieng Belphegor nach einer kleinen
Pauſe an, wie konnte dich, ehrwuͤrdiger Va-
ter, deine Flucht in dieſe himmliſche Einſie-
deley, ſo weit von deinem Vaterlande fuͤh-
ren? Du floheſt Frankreich. —

Um einer Urſache willen, unterbrach ihn
der Alte lebhaft, die die Menſchheit mit
ewigen Flecken brandmalt — Flecken, die
keine Thraͤnen auswaſchen koͤnnen. Wir
wurden Opfer der Ruhmſucht eines ſtolzen
Monarchen, *) des eingewurzelten Vorur-
theils, politiſcher Raͤnke und des Privat-
haſſes; und wurden, nach dem oͤffentli-
chen
Vorwande, der Religion, der Recht-
glaͤubigkeit geopfert. Ich floh nach Deutſch-
land mit einigen meiner vertriebnen Mitbruͤ-
der, um es zu bereichern und poliren zu
helfen. Ich floh, aber mein Herz blieb in
Frankreich, oder es irrte vielmehr mit mei-
ner S ** herum: denn unmoͤglich konnte
ihre Liebe ſie in einem Lande zuruͤckbleiben
laſſen, das ihren zaͤrtlichen Freund verſtoſſen

hatte.
*) Ludwig des 14.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0082" n="76"/>
de&#x017F;&#x017F;en ihm etliche Thra&#x0364;nen die Wangen<lb/>
heruntertro&#x0364;pfelten: die&#x017F;e, &#x017F;prach er, weih<lb/>
ich dir!</p><lb/>
        <p>Aber, fieng Belphegor nach einer kleinen<lb/>
Pau&#x017F;e an, wie konnte dich, ehrwu&#x0364;rdiger Va-<lb/>
ter, deine Flucht in die&#x017F;e himmli&#x017F;che Ein&#x017F;ie-<lb/>
deley, &#x017F;o weit von deinem Vaterlande fu&#x0364;h-<lb/>
ren? Du flohe&#x017F;t Frankreich. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Um einer Ur&#x017F;ache willen, unterbrach ihn<lb/>
der Alte lebhaft, die die Men&#x017F;chheit mit<lb/>
ewigen Flecken brandmalt &#x2014; Flecken, die<lb/>
keine Thra&#x0364;nen auswa&#x017F;chen ko&#x0364;nnen. Wir<lb/>
wurden Opfer der Ruhm&#x017F;ucht eines &#x017F;tolzen<lb/>
Monarchen, <note place="foot" n="*)">Ludwig des 14.</note> des eingewurzelten Vorur-<lb/>
theils, politi&#x017F;cher Ra&#x0364;nke und des Privat-<lb/>
ha&#x017F;&#x017F;es; und wurden, nach dem <hi rendition="#fr">o&#x0364;ffentli-<lb/>
chen</hi> Vorwande, der Religion, der Recht-<lb/>
gla&#x0364;ubigkeit geopfert. Ich floh nach Deut&#x017F;ch-<lb/>
land mit einigen meiner vertriebnen Mitbru&#x0364;-<lb/>
der, um es zu bereichern und poliren zu<lb/>
helfen. Ich floh, aber mein Herz blieb in<lb/>
Frankreich, oder es irrte vielmehr mit mei-<lb/>
ner S ** herum: denn unmo&#x0364;glich konnte<lb/>
ihre Liebe &#x017F;ie in einem Lande zuru&#x0364;ckbleiben<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, das ihren za&#x0364;rtlichen Freund ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hatte.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0082] deſſen ihm etliche Thraͤnen die Wangen heruntertroͤpfelten: dieſe, ſprach er, weih ich dir! Aber, fieng Belphegor nach einer kleinen Pauſe an, wie konnte dich, ehrwuͤrdiger Va- ter, deine Flucht in dieſe himmliſche Einſie- deley, ſo weit von deinem Vaterlande fuͤh- ren? Du floheſt Frankreich. — Um einer Urſache willen, unterbrach ihn der Alte lebhaft, die die Menſchheit mit ewigen Flecken brandmalt — Flecken, die keine Thraͤnen auswaſchen koͤnnen. Wir wurden Opfer der Ruhmſucht eines ſtolzen Monarchen, *) des eingewurzelten Vorur- theils, politiſcher Raͤnke und des Privat- haſſes; und wurden, nach dem oͤffentli- chen Vorwande, der Religion, der Recht- glaͤubigkeit geopfert. Ich floh nach Deutſch- land mit einigen meiner vertriebnen Mitbruͤ- der, um es zu bereichern und poliren zu helfen. Ich floh, aber mein Herz blieb in Frankreich, oder es irrte vielmehr mit mei- ner S ** herum: denn unmoͤglich konnte ihre Liebe ſie in einem Lande zuruͤckbleiben laſſen, das ihren zaͤrtlichen Freund verſtoſſen hatte. *) Ludwig des 14.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/82
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/82>, abgerufen am 22.12.2024.