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Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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das schon ihrem Manne zu gleichem Zwecke gedient hatte, und eilte aufs Gericht, um Klage zu erheben. Ansas wußte, daß sie Recht bekommen müßte, und ließ der Sache ihren Gang. Erst als der Executor anklopfte, öffnete er seinen Vorrathsraum. Nun war es schon gewiß, daß er im Frühjahr sein Feld mangelhaft werde bestellen müssen.

Das war der erste Prozeß, aber leider nicht der letzte. Urte hatte ein Erkenntniß bekommen mit einem großen schwarzen Adler obenan, und der alte Secretär hatte dabei gesagt: das sei so gut wie vom König selbst. Nun wußte sie, daß ihr der König Beistand leiste, und an Nachgiebigkeit war nicht mehr zu denken. Die Veranlassung zum zweiten Prozeß gab die sogenannte eiserne Kuh, die der Wirth für den Altsitzer zu dessen Milchnutzung einzustellen und zu unterhalten hat. Urte verfügte über eine solche, aber sie war alt, wurde schlecht gefüttert und gab spärlichste Nahrung. Sie behauptete, mindestens drei Maß für den Tag gewinnen zu müssen. Ansas ließ sich diesmal nicht so ohne Weiteres verurtheilen; er wendete ein, daß er diese eiserne Kuh mit dem Grundstück übernommen habe und daß die Altsitzerin erst nach deren Ableben eine andere beanspruchen dürfe. Es wurde Beweis erhoben über allerhand Fragen, Sachverständige und Zeugen erhielten ihre Reiseentschädigungen, zuletzt wurde gegen den Wirth entschieden, und die Kosten, die ihm natürlich zur Last fielen, betrugen mehr, als

das schon ihrem Manne zu gleichem Zwecke gedient hatte, und eilte aufs Gericht, um Klage zu erheben. Ansas wußte, daß sie Recht bekommen müßte, und ließ der Sache ihren Gang. Erst als der Executor anklopfte, öffnete er seinen Vorrathsraum. Nun war es schon gewiß, daß er im Frühjahr sein Feld mangelhaft werde bestellen müssen.

Das war der erste Prozeß, aber leider nicht der letzte. Urte hatte ein Erkenntniß bekommen mit einem großen schwarzen Adler obenan, und der alte Secretär hatte dabei gesagt: das sei so gut wie vom König selbst. Nun wußte sie, daß ihr der König Beistand leiste, und an Nachgiebigkeit war nicht mehr zu denken. Die Veranlassung zum zweiten Prozeß gab die sogenannte eiserne Kuh, die der Wirth für den Altsitzer zu dessen Milchnutzung einzustellen und zu unterhalten hat. Urte verfügte über eine solche, aber sie war alt, wurde schlecht gefüttert und gab spärlichste Nahrung. Sie behauptete, mindestens drei Maß für den Tag gewinnen zu müssen. Ansas ließ sich diesmal nicht so ohne Weiteres verurtheilen; er wendete ein, daß er diese eiserne Kuh mit dem Grundstück übernommen habe und daß die Altsitzerin erst nach deren Ableben eine andere beanspruchen dürfe. Es wurde Beweis erhoben über allerhand Fragen, Sachverständige und Zeugen erhielten ihre Reiseentschädigungen, zuletzt wurde gegen den Wirth entschieden, und die Kosten, die ihm natürlich zur Last fielen, betrugen mehr, als

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[0025] das schon ihrem Manne zu gleichem Zwecke gedient hatte, und eilte aufs Gericht, um Klage zu erheben. Ansas wußte, daß sie Recht bekommen müßte, und ließ der Sache ihren Gang. Erst als der Executor anklopfte, öffnete er seinen Vorrathsraum. Nun war es schon gewiß, daß er im Frühjahr sein Feld mangelhaft werde bestellen müssen. Das war der erste Prozeß, aber leider nicht der letzte. Urte hatte ein Erkenntniß bekommen mit einem großen schwarzen Adler obenan, und der alte Secretär hatte dabei gesagt: das sei so gut wie vom König selbst. Nun wußte sie, daß ihr der König Beistand leiste, und an Nachgiebigkeit war nicht mehr zu denken. Die Veranlassung zum zweiten Prozeß gab die sogenannte eiserne Kuh, die der Wirth für den Altsitzer zu dessen Milchnutzung einzustellen und zu unterhalten hat. Urte verfügte über eine solche, aber sie war alt, wurde schlecht gefüttert und gab spärlichste Nahrung. Sie behauptete, mindestens drei Maß für den Tag gewinnen zu müssen. Ansas ließ sich diesmal nicht so ohne Weiteres verurtheilen; er wendete ein, daß er diese eiserne Kuh mit dem Grundstück übernommen habe und daß die Altsitzerin erst nach deren Ableben eine andere beanspruchen dürfe. Es wurde Beweis erhoben über allerhand Fragen, Sachverständige und Zeugen erhielten ihre Reiseentschädigungen, zuletzt wurde gegen den Wirth entschieden, und die Kosten, die ihm natürlich zur Last fielen, betrugen mehr, als

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Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/25>, abgerufen am 21.11.2024.