Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ten sie einander die Hand, sahen sich traurig an und gingen das Eine rechts das Andere links. --

Grita besorgte in den ersten Wochen nach diesem Abschiede ihre häuslichen Geschäfte, wie sonst, nur daß sie seltener sang und an den Sonntagen nicht unter den jungen Leuten anzutreffen war, die sich lustig vergnügten.

Als einige Wochen verflossen waren und Ansas immer noch nicht zurückkehrte, fing sie an sehr ungeduldig zu werden. Sie fragte beim Schullehrer an, wie viele Tage ein Fußgänger brauche, um nach Berlin zu gelangen, und erhielt eine Antwort, die sie sehr nachdenklich stimmte, zumal der gelehrte Mann die Entfernung gewaltig übertrieb. Sie hatte sich eingeredet, es müßte ein großer Brief vom Könige kommen und in Folge dessen das Verfahren sofort eingestellt werden. Davon war nun nicht das Mindeste zu merken; vielmehr wirthschaftete der Inspector des Herrn Geelhaar auf dem Bauernlande, als ob es schon zum Gut eingezogen wäre, und Kristups Wanags wurde nicht einmal um seine Meinung gefragt. Die Karalene lärmte jeden Abend betrunken vor dem Hause und rief, wenn sie das Mädchen bemerkte, schadenfroh hinüber: So geht's endlich nach der Ordnung -- nun haben wir Ruhe, seit das Teufelskind auf und davon ist. Mag er auf der Landstraße verderben und nie mehr zurückkehren! -- Ihre Wuth steigerte sich, als sie zufällig eine Entdeckung machte, die

ten sie einander die Hand, sahen sich traurig an und gingen das Eine rechts das Andere links. —

Grita besorgte in den ersten Wochen nach diesem Abschiede ihre häuslichen Geschäfte, wie sonst, nur daß sie seltener sang und an den Sonntagen nicht unter den jungen Leuten anzutreffen war, die sich lustig vergnügten.

Als einige Wochen verflossen waren und Ansas immer noch nicht zurückkehrte, fing sie an sehr ungeduldig zu werden. Sie fragte beim Schullehrer an, wie viele Tage ein Fußgänger brauche, um nach Berlin zu gelangen, und erhielt eine Antwort, die sie sehr nachdenklich stimmte, zumal der gelehrte Mann die Entfernung gewaltig übertrieb. Sie hatte sich eingeredet, es müßte ein großer Brief vom Könige kommen und in Folge dessen das Verfahren sofort eingestellt werden. Davon war nun nicht das Mindeste zu merken; vielmehr wirthschaftete der Inspector des Herrn Geelhaar auf dem Bauernlande, als ob es schon zum Gut eingezogen wäre, und Kristups Wanags wurde nicht einmal um seine Meinung gefragt. Die Karalene lärmte jeden Abend betrunken vor dem Hause und rief, wenn sie das Mädchen bemerkte, schadenfroh hinüber: So geht's endlich nach der Ordnung — nun haben wir Ruhe, seit das Teufelskind auf und davon ist. Mag er auf der Landstraße verderben und nie mehr zurückkehren! — Ihre Wuth steigerte sich, als sie zufällig eine Entdeckung machte, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0057"/>
ten sie einander die Hand, sahen sich traurig an und gingen                     das Eine rechts das Andere links. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Grita besorgte in den ersten Wochen nach diesem Abschiede ihre häuslichen                     Geschäfte, wie sonst, nur daß sie seltener sang und an den Sonntagen nicht unter                     den jungen Leuten anzutreffen war, die sich lustig vergnügten.</p><lb/>
        <p>Als einige Wochen verflossen waren und Ansas immer noch nicht zurückkehrte, fing                     sie an sehr ungeduldig zu werden. Sie fragte beim Schullehrer an, wie viele Tage                     ein Fußgänger brauche, um nach Berlin zu gelangen, und erhielt eine Antwort, die                     sie sehr nachdenklich stimmte, zumal der gelehrte Mann die Entfernung gewaltig                     übertrieb. Sie hatte sich eingeredet, es müßte ein großer Brief vom Könige                     kommen und in Folge dessen das Verfahren sofort eingestellt werden. Davon war                     nun nicht das Mindeste zu merken; vielmehr wirthschaftete der Inspector des                     Herrn Geelhaar auf dem Bauernlande, als ob es schon zum Gut eingezogen wäre, und                     Kristups Wanags wurde nicht einmal um seine Meinung gefragt. Die Karalene lärmte                     jeden Abend betrunken vor dem Hause und rief, wenn sie das Mädchen bemerkte,                     schadenfroh hinüber: So geht's endlich nach der Ordnung &#x2014; nun haben wir Ruhe,                     seit das Teufelskind auf und davon ist. Mag er auf der Landstraße verderben und                     nie mehr zurückkehren! &#x2014; Ihre Wuth steigerte sich, als sie zufällig eine                     Entdeckung machte, die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0057] ten sie einander die Hand, sahen sich traurig an und gingen das Eine rechts das Andere links. — Grita besorgte in den ersten Wochen nach diesem Abschiede ihre häuslichen Geschäfte, wie sonst, nur daß sie seltener sang und an den Sonntagen nicht unter den jungen Leuten anzutreffen war, die sich lustig vergnügten. Als einige Wochen verflossen waren und Ansas immer noch nicht zurückkehrte, fing sie an sehr ungeduldig zu werden. Sie fragte beim Schullehrer an, wie viele Tage ein Fußgänger brauche, um nach Berlin zu gelangen, und erhielt eine Antwort, die sie sehr nachdenklich stimmte, zumal der gelehrte Mann die Entfernung gewaltig übertrieb. Sie hatte sich eingeredet, es müßte ein großer Brief vom Könige kommen und in Folge dessen das Verfahren sofort eingestellt werden. Davon war nun nicht das Mindeste zu merken; vielmehr wirthschaftete der Inspector des Herrn Geelhaar auf dem Bauernlande, als ob es schon zum Gut eingezogen wäre, und Kristups Wanags wurde nicht einmal um seine Meinung gefragt. Die Karalene lärmte jeden Abend betrunken vor dem Hause und rief, wenn sie das Mädchen bemerkte, schadenfroh hinüber: So geht's endlich nach der Ordnung — nun haben wir Ruhe, seit das Teufelskind auf und davon ist. Mag er auf der Landstraße verderben und nie mehr zurückkehren! — Ihre Wuth steigerte sich, als sie zufällig eine Entdeckung machte, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:07:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:07:21Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/57
Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/57>, abgerufen am 21.11.2024.