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Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zu sollen, keineswegs beunruhigt. War er auch jetzt nicht in Uniform, so steckte doch der Soldat zu fest in ihm, um eine Unsicherheit in seinem Benehmen aufkommen zu lassen; er hatte ja gelernt, wie man vor einem Offizier zu stehen und ihm zu antworten habe, und an Uebung hatte es ihm keineswegs gefehlt, mit den hohen und höchsten Herrschaften vom Militär zu verkehren. Daß er sich kerzengerade zu Postiren, die Arme unbeweglich zu lassen, den Kopf aber frei aus der Binde herauszustrecken, seinen Vorgesetzten offen anzusehen und dessen Fragen laut, kurz und bestimmt zu beantworten habe, verstand sich für ihn ganz von selbst. Nach wenigen Minuten erschien der Kronprinz im einfachen Offiziersrock, vom Adjutanten begleitet, ging freundlich auf ihn zu und redete ihn in seiner leutseligen Weise mit einigen Manischen Worten an. Nun war Ansas ganz Seligkeit; er antwortete in seiner Landessprache und schien verstanden zu werden. Du hast wohl dein Deutsch wieder ganz verlernt, fragte der hohe Herr, vorsichtig einlenkend. -- Nein, königliche Hoheit, erwiderte der Littauer schmunzelnd, ich 'aben viel behalten. -- Das ist mir lieb, meinte der Kronprinz, laß einmal hören. Er erkundigte sich nun in deutscher Sprache nach seinen Verhältnissen, fügte aber von Zeit zu Zeit einen littauischen Ausdruck ein. Wanags sprach von Herrn Geelhaar, dem schlauen Fuchs, von der Urte Karalene, der betrunkenen Hexe, vom Richter, der kein Wort littauisch könne, vom alten

zu sollen, keineswegs beunruhigt. War er auch jetzt nicht in Uniform, so steckte doch der Soldat zu fest in ihm, um eine Unsicherheit in seinem Benehmen aufkommen zu lassen; er hatte ja gelernt, wie man vor einem Offizier zu stehen und ihm zu antworten habe, und an Uebung hatte es ihm keineswegs gefehlt, mit den hohen und höchsten Herrschaften vom Militär zu verkehren. Daß er sich kerzengerade zu Postiren, die Arme unbeweglich zu lassen, den Kopf aber frei aus der Binde herauszustrecken, seinen Vorgesetzten offen anzusehen und dessen Fragen laut, kurz und bestimmt zu beantworten habe, verstand sich für ihn ganz von selbst. Nach wenigen Minuten erschien der Kronprinz im einfachen Offiziersrock, vom Adjutanten begleitet, ging freundlich auf ihn zu und redete ihn in seiner leutseligen Weise mit einigen Manischen Worten an. Nun war Ansas ganz Seligkeit; er antwortete in seiner Landessprache und schien verstanden zu werden. Du hast wohl dein Deutsch wieder ganz verlernt, fragte der hohe Herr, vorsichtig einlenkend. — Nein, königliche Hoheit, erwiderte der Littauer schmunzelnd, ich 'aben viel behalten. — Das ist mir lieb, meinte der Kronprinz, laß einmal hören. Er erkundigte sich nun in deutscher Sprache nach seinen Verhältnissen, fügte aber von Zeit zu Zeit einen littauischen Ausdruck ein. Wanags sprach von Herrn Geelhaar, dem schlauen Fuchs, von der Urte Karalene, der betrunkenen Hexe, vom Richter, der kein Wort littauisch könne, vom alten

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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:07:21Z)

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Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/72>, abgerufen am 15.05.2024.