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Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Königshause gewesen, wenn nicht das Gold in seiner Hand jeden Zweifel an der Wirklichkeit ausgeschlossen hätte.

Für ihn war es nun gewiß, daß man ihm zu Hause nichts werde anhaben können. Daß der Kronprinz auch an den Fall eigener Verschuldung gedacht, hatte er keineswegs überhört, aber es fiel ihm nicht einmal ein, zu überlegen, ob derselbe auf ihn Anwendung finden könnte. Er war heiter und guter Dinge, strich langsam durch die Straßen an den Prachtvollen Schaufenstern hin und guckte hier und dort hinein, immer mit sich berathend, was er wohl seiner Grita kaufen und mitnehmen könne. Endlich fiel ihm bei einem Juwelier ein goldenes Kreuz mit kleinen funkelnden Steinen besetzt in die Augen. Das wäre etwas, worüber sie sich freuen könnte, meinte er, und alle Bäuerinnen würden sie beneiden, wenn sie damit in der Kirche erschiene. Er kaufte es sofort, und es kümmerte ihn wenig, daß ein großer Theil seines königlichen Geschenkes darauf ging. Er reichte mit dem Rest noch vollauf bis nach Hause, meinte er, und es werde bei einiger Sparsamkeit auch noch so viel übrig bleiben, daß er Geelhaar die schuldigen Zinsen zahlen könne, dann sei ihm doch gewiß nichts anzuhaben.

Seine Rückreise kam ihm minder beschwerlich vor, da er von Mitteln nicht ganz entblößt war und frohen Muth hatte. Zwar stellte sich der Winter mit schar-

Königshause gewesen, wenn nicht das Gold in seiner Hand jeden Zweifel an der Wirklichkeit ausgeschlossen hätte.

Für ihn war es nun gewiß, daß man ihm zu Hause nichts werde anhaben können. Daß der Kronprinz auch an den Fall eigener Verschuldung gedacht, hatte er keineswegs überhört, aber es fiel ihm nicht einmal ein, zu überlegen, ob derselbe auf ihn Anwendung finden könnte. Er war heiter und guter Dinge, strich langsam durch die Straßen an den Prachtvollen Schaufenstern hin und guckte hier und dort hinein, immer mit sich berathend, was er wohl seiner Grita kaufen und mitnehmen könne. Endlich fiel ihm bei einem Juwelier ein goldenes Kreuz mit kleinen funkelnden Steinen besetzt in die Augen. Das wäre etwas, worüber sie sich freuen könnte, meinte er, und alle Bäuerinnen würden sie beneiden, wenn sie damit in der Kirche erschiene. Er kaufte es sofort, und es kümmerte ihn wenig, daß ein großer Theil seines königlichen Geschenkes darauf ging. Er reichte mit dem Rest noch vollauf bis nach Hause, meinte er, und es werde bei einiger Sparsamkeit auch noch so viel übrig bleiben, daß er Geelhaar die schuldigen Zinsen zahlen könne, dann sei ihm doch gewiß nichts anzuhaben.

Seine Rückreise kam ihm minder beschwerlich vor, da er von Mitteln nicht ganz entblößt war und frohen Muth hatte. Zwar stellte sich der Winter mit schar-

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[0074] Königshause gewesen, wenn nicht das Gold in seiner Hand jeden Zweifel an der Wirklichkeit ausgeschlossen hätte. Für ihn war es nun gewiß, daß man ihm zu Hause nichts werde anhaben können. Daß der Kronprinz auch an den Fall eigener Verschuldung gedacht, hatte er keineswegs überhört, aber es fiel ihm nicht einmal ein, zu überlegen, ob derselbe auf ihn Anwendung finden könnte. Er war heiter und guter Dinge, strich langsam durch die Straßen an den Prachtvollen Schaufenstern hin und guckte hier und dort hinein, immer mit sich berathend, was er wohl seiner Grita kaufen und mitnehmen könne. Endlich fiel ihm bei einem Juwelier ein goldenes Kreuz mit kleinen funkelnden Steinen besetzt in die Augen. Das wäre etwas, worüber sie sich freuen könnte, meinte er, und alle Bäuerinnen würden sie beneiden, wenn sie damit in der Kirche erschiene. Er kaufte es sofort, und es kümmerte ihn wenig, daß ein großer Theil seines königlichen Geschenkes darauf ging. Er reichte mit dem Rest noch vollauf bis nach Hause, meinte er, und es werde bei einiger Sparsamkeit auch noch so viel übrig bleiben, daß er Geelhaar die schuldigen Zinsen zahlen könne, dann sei ihm doch gewiß nichts anzuhaben. Seine Rückreise kam ihm minder beschwerlich vor, da er von Mitteln nicht ganz entblößt war und frohen Muth hatte. Zwar stellte sich der Winter mit schar-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:07:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:07:21Z)

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Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/74>, abgerufen am 15.05.2024.