Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und holen sie ihn nicht zur Nachtzeit, so scharren ihn die Jäger ein. Was sie bei dem Todten finden, wird dann sorgfältig gesammelt und aufbewahrt, und wenn ein im Wolfsthal Vermißter in der Zeitung gelesen wird, packen sie die sieben Sachen zusammen und geben sie auf die badische Post, daß sie an die Nachgelassenen gelangen. Das ist freilich nicht ganz in der Ordnung, ich gestehe es, aber es vermeidet viel Ungelegenheit u. s. f. Ihr müßt nämlich wissen, daß die Leichen und Untersuchungskosten der Gemeinde zufallen, auf deren Markung der Todte gefunden wird. Schießt nun der Förster auf der Markung seines Wohnorts einen Wilddieb, und dieser bleibt liegen, so geht der Jäger rasch heim und holt ein Roß. Sobald es aber dunkle Nacht ist, packt er den Todten auf den Gaul und führt ihn zur Grenze. Ist es nun ein badisch Roß, so wird es seiner Last in Würtemberg ledig; ist's ein würtembergisch Pferd, erhält Baden den Leichnam zum Geschenk. Dies hat aber so oft zu Streit und Untersuchung geführt, bis die Jäger still übereinkamen, den Wilderer da einzuscharren, wo er liegt, die Herren aufm Gericht nicht weiter zu bemühen und um eines todten Wolfsthälers willen nicht dreißigmal vors Bezirksamt zu wandern. Ich sage euch, man könnte Tagelang erzählen, was Alles in diesen Wäldern vorgeht; Ihr könnt es aber schon an dem Einen sehen, was jetzt kommt. Der unwirthlichste Theil in dem Revier des Försters und holen sie ihn nicht zur Nachtzeit, so scharren ihn die Jäger ein. Was sie bei dem Todten finden, wird dann sorgfältig gesammelt und aufbewahrt, und wenn ein im Wolfsthal Vermißter in der Zeitung gelesen wird, packen sie die sieben Sachen zusammen und geben sie auf die badische Post, daß sie an die Nachgelassenen gelangen. Das ist freilich nicht ganz in der Ordnung, ich gestehe es, aber es vermeidet viel Ungelegenheit u. s. f. Ihr müßt nämlich wissen, daß die Leichen und Untersuchungskosten der Gemeinde zufallen, auf deren Markung der Todte gefunden wird. Schießt nun der Förster auf der Markung seines Wohnorts einen Wilddieb, und dieser bleibt liegen, so geht der Jäger rasch heim und holt ein Roß. Sobald es aber dunkle Nacht ist, packt er den Todten auf den Gaul und führt ihn zur Grenze. Ist es nun ein badisch Roß, so wird es seiner Last in Würtemberg ledig; ist's ein würtembergisch Pferd, erhält Baden den Leichnam zum Geschenk. Dies hat aber so oft zu Streit und Untersuchung geführt, bis die Jäger still übereinkamen, den Wilderer da einzuscharren, wo er liegt, die Herren aufm Gericht nicht weiter zu bemühen und um eines todten Wolfsthälers willen nicht dreißigmal vors Bezirksamt zu wandern. Ich sage euch, man könnte Tagelang erzählen, was Alles in diesen Wäldern vorgeht; Ihr könnt es aber schon an dem Einen sehen, was jetzt kommt. Der unwirthlichste Theil in dem Revier des Försters <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015"/> und holen sie ihn nicht zur Nachtzeit, so scharren ihn die Jäger ein. Was sie bei dem Todten finden, wird dann sorgfältig gesammelt und aufbewahrt, und wenn ein im Wolfsthal Vermißter in der Zeitung gelesen wird, packen sie die sieben Sachen zusammen und geben sie auf die badische Post, daß sie an die Nachgelassenen gelangen.</p><lb/> <p>Das ist freilich nicht ganz in der Ordnung, ich gestehe es, aber es vermeidet viel Ungelegenheit u. s. f. Ihr müßt nämlich wissen, daß die Leichen und Untersuchungskosten der Gemeinde zufallen, auf deren Markung der Todte gefunden wird. Schießt nun der Förster auf der Markung seines Wohnorts einen Wilddieb, und dieser bleibt liegen, so geht der Jäger rasch heim und holt ein Roß. Sobald es aber dunkle Nacht ist, packt er den Todten auf den Gaul und führt ihn zur Grenze. Ist es nun ein badisch Roß, so wird es seiner Last in Würtemberg ledig; ist's ein würtembergisch Pferd, erhält Baden den Leichnam zum Geschenk. Dies hat aber so oft zu Streit und Untersuchung geführt, bis die Jäger still übereinkamen, den Wilderer da einzuscharren, wo er liegt, die Herren aufm Gericht nicht weiter zu bemühen und um eines todten Wolfsthälers willen nicht dreißigmal vors Bezirksamt zu wandern.</p><lb/> <p>Ich sage euch, man könnte Tagelang erzählen, was Alles in diesen Wäldern vorgeht; Ihr könnt es aber schon an dem Einen sehen, was jetzt kommt.</p><lb/> <p>Der unwirthlichste Theil in dem Revier des Försters<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
und holen sie ihn nicht zur Nachtzeit, so scharren ihn die Jäger ein. Was sie bei dem Todten finden, wird dann sorgfältig gesammelt und aufbewahrt, und wenn ein im Wolfsthal Vermißter in der Zeitung gelesen wird, packen sie die sieben Sachen zusammen und geben sie auf die badische Post, daß sie an die Nachgelassenen gelangen.
Das ist freilich nicht ganz in der Ordnung, ich gestehe es, aber es vermeidet viel Ungelegenheit u. s. f. Ihr müßt nämlich wissen, daß die Leichen und Untersuchungskosten der Gemeinde zufallen, auf deren Markung der Todte gefunden wird. Schießt nun der Förster auf der Markung seines Wohnorts einen Wilddieb, und dieser bleibt liegen, so geht der Jäger rasch heim und holt ein Roß. Sobald es aber dunkle Nacht ist, packt er den Todten auf den Gaul und führt ihn zur Grenze. Ist es nun ein badisch Roß, so wird es seiner Last in Würtemberg ledig; ist's ein würtembergisch Pferd, erhält Baden den Leichnam zum Geschenk. Dies hat aber so oft zu Streit und Untersuchung geführt, bis die Jäger still übereinkamen, den Wilderer da einzuscharren, wo er liegt, die Herren aufm Gericht nicht weiter zu bemühen und um eines todten Wolfsthälers willen nicht dreißigmal vors Bezirksamt zu wandern.
Ich sage euch, man könnte Tagelang erzählen, was Alles in diesen Wäldern vorgeht; Ihr könnt es aber schon an dem Einen sehen, was jetzt kommt.
Der unwirthlichste Theil in dem Revier des Försters
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