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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Agathon.
gehörige Gleichgewicht mit den übrigen Kräften der
Seele gesezt werden könne. Die schlaue Danae hatte
sich aus der Beschreibung des Hippias eine solche Vor-
stellung von dem Agathon gemacht, daß sie alles gewon-
nen zu haben glaubte, wenn sie nur seine Einbildungs-
kraft auf ihre Seite gebracht haben würde. Hippias,
dachte sie, hatte nur darinn gefehlt, daß er ihn durch
die Sinnen verführen wollte. Auf diese Voraussezung
machte sie einen Plan, über den sie nicht wenig ver-
gnügt war; und dachte so wenig daran, daß die Aus-
führung sie ihr eignes Herz kosten könnte, als Agathon
sich von der Gefahr träumen ließ, die dem seinigen zu-
bereitet wurde. Endlich kam die Stunde, die dem
Hippias bestimmt worden war. Agathon begleitete
seinen Herrn, ohne zu wissen wohin. Sie traten in ei-
nen Palast, der auf einer doppelten Reyhe von joni-
schen Säulen ruhte, und mit vielen vergoldeten Bild-
säulen ausgezieret war. Das Jnnwendige dieses Hau-
ses stimmte vollkommen mit der Pracht des äusserlichen
Anbliks überein. Allenthalben begegnete ihm das geschäf-
tige Gewimmel von unzählichen Sclaven und Sclavin-
nen, wovon die erstern alle unter zwölf Jahren zu seyn
schienen, und so wie die leztern von ausserordentlicher
Schönheit waren. Jhre Kleidung stellte dem Aug'
eine angenehme Verbindung der Einförmigkeit mit der
Abwechslung vor; einige waren in weiß, andre in
himmelblau, andre in rosenfarb, andre in andre Far-
ben gekleidet, und jede Farbe schien eine besondere Classe
zu bezeichnen, welcher ihre eigne Dienste angewiesen

waren.

Agathon.
gehoͤrige Gleichgewicht mit den uͤbrigen Kraͤften der
Seele geſezt werden koͤnne. Die ſchlaue Danae hatte
ſich aus der Beſchreibung des Hippias eine ſolche Vor-
ſtellung von dem Agathon gemacht, daß ſie alles gewon-
nen zu haben glaubte, wenn ſie nur ſeine Einbildungs-
kraft auf ihre Seite gebracht haben wuͤrde. Hippias,
dachte ſie, hatte nur darinn gefehlt, daß er ihn durch
die Sinnen verfuͤhren wollte. Auf dieſe Vorausſezung
machte ſie einen Plan, uͤber den ſie nicht wenig ver-
gnuͤgt war; und dachte ſo wenig daran, daß die Aus-
fuͤhrung ſie ihr eignes Herz koſten koͤnnte, als Agathon
ſich von der Gefahr traͤumen ließ, die dem ſeinigen zu-
bereitet wurde. Endlich kam die Stunde, die dem
Hippias beſtimmt worden war. Agathon begleitete
ſeinen Herrn, ohne zu wiſſen wohin. Sie traten in ei-
nen Palaſt, der auf einer doppelten Reyhe von joni-
ſchen Saͤulen ruhte, und mit vielen vergoldeten Bild-
ſaͤulen ausgezieret war. Das Jnnwendige dieſes Hau-
ſes ſtimmte vollkommen mit der Pracht des aͤuſſerlichen
Anbliks uͤberein. Allenthalben begegnete ihm das geſchaͤf-
tige Gewimmel von unzaͤhlichen Sclaven und Sclavin-
nen, wovon die erſtern alle unter zwoͤlf Jahren zu ſeyn
ſchienen, und ſo wie die leztern von auſſerordentlicher
Schoͤnheit waren. Jhre Kleidung ſtellte dem Aug’
eine angenehme Verbindung der Einfoͤrmigkeit mit der
Abwechslung vor; einige waren in weiß, andre in
himmelblau, andre in roſenfarb, andre in andre Far-
ben gekleidet, und jede Farbe ſchien eine beſondere Claſſe
zu bezeichnen, welcher ihre eigne Dienſte angewieſen

waren.
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[152/0174] Agathon. gehoͤrige Gleichgewicht mit den uͤbrigen Kraͤften der Seele geſezt werden koͤnne. Die ſchlaue Danae hatte ſich aus der Beſchreibung des Hippias eine ſolche Vor- ſtellung von dem Agathon gemacht, daß ſie alles gewon- nen zu haben glaubte, wenn ſie nur ſeine Einbildungs- kraft auf ihre Seite gebracht haben wuͤrde. Hippias, dachte ſie, hatte nur darinn gefehlt, daß er ihn durch die Sinnen verfuͤhren wollte. Auf dieſe Vorausſezung machte ſie einen Plan, uͤber den ſie nicht wenig ver- gnuͤgt war; und dachte ſo wenig daran, daß die Aus- fuͤhrung ſie ihr eignes Herz koſten koͤnnte, als Agathon ſich von der Gefahr traͤumen ließ, die dem ſeinigen zu- bereitet wurde. Endlich kam die Stunde, die dem Hippias beſtimmt worden war. Agathon begleitete ſeinen Herrn, ohne zu wiſſen wohin. Sie traten in ei- nen Palaſt, der auf einer doppelten Reyhe von joni- ſchen Saͤulen ruhte, und mit vielen vergoldeten Bild- ſaͤulen ausgezieret war. Das Jnnwendige dieſes Hau- ſes ſtimmte vollkommen mit der Pracht des aͤuſſerlichen Anbliks uͤberein. Allenthalben begegnete ihm das geſchaͤf- tige Gewimmel von unzaͤhlichen Sclaven und Sclavin- nen, wovon die erſtern alle unter zwoͤlf Jahren zu ſeyn ſchienen, und ſo wie die leztern von auſſerordentlicher Schoͤnheit waren. Jhre Kleidung ſtellte dem Aug’ eine angenehme Verbindung der Einfoͤrmigkeit mit der Abwechslung vor; einige waren in weiß, andre in himmelblau, andre in roſenfarb, andre in andre Far- ben gekleidet, und jede Farbe ſchien eine beſondere Claſſe zu bezeichnen, welcher ihre eigne Dienſte angewieſen waren.

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/174>, abgerufen am 24.11.2024.