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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Agathon.

Was die Danae betrift, welche die Ehre hatte,
diese erhabene Entzükungen in ihm zu erweken, so
brachte sie den Rest der Nacht wo nicht mit eben so
erhabenen doch in ihrer Art mit eben so angenehmen
Betrachtungen zu. Agathon hatte ihr gefallen, sie war
mit dem Eindruk, den sie auf ihn gemacht, zufrieden;
und sie glaubte, nach den Beobachtungen, die ihr
dieser Abend bereits an die Hand gegeben, daß sie sich
selbst mit gutem Grunde zutrauen könne, ihn, durch
die gehörigen Gradationen, zu einem zweyten und
vielleicht standhaftern Alcibiades zu machen. Nichts
war ihr hiebey angenehmer als die Bestätigung des
Plans, den sie sich über die Art und Weise, wie man
seinem Herzen am leichtesten beykommen könne, ge-
macht hatte. Es ist wahr, daß der Einfall, sich an
die Stelle der Tänzerinn zu sezen, ihr erst in dem Augen-
blik gekommen war, da sie ihn ausführte; allein sie
würde ihn nicht ausgeführt haben, wenn sie nicht die
gute Würkung davon mit einer Art von Gewißheit
vorausgesehen hätte. Hätte sie in dem ersten Augen-
blik, da sie sich ihm darstellte, in ihren Gebehrden,
oder in ihrem Anzug das mindeste gehabt, das ihm an-
stößig hätte seyn können, so würde es ihr schwer ge-
wesen seyn, den widrigen Eindruk dieses ersten Augen-
bliks jemals wieder gut zu machen. Agathon mußte
in den Fall gesezt werden, sich selbst zu hintergehen,
ohne es gewahr zu werden; und wenn er für subalterne
Reizungen empfindlich gemacht werden sollte, so mußte
es durch Vermittlung der Einbildungskraft und auf

eine
Agathon.

Was die Danae betrift, welche die Ehre hatte,
dieſe erhabene Entzuͤkungen in ihm zu erweken, ſo
brachte ſie den Reſt der Nacht wo nicht mit eben ſo
erhabenen doch in ihrer Art mit eben ſo angenehmen
Betrachtungen zu. Agathon hatte ihr gefallen, ſie war
mit dem Eindruk, den ſie auf ihn gemacht, zufrieden;
und ſie glaubte, nach den Beobachtungen, die ihr
dieſer Abend bereits an die Hand gegeben, daß ſie ſich
ſelbſt mit gutem Grunde zutrauen koͤnne, ihn, durch
die gehoͤrigen Gradationen, zu einem zweyten und
vielleicht ſtandhaftern Alcibiades zu machen. Nichts
war ihr hiebey angenehmer als die Beſtaͤtigung des
Plans, den ſie ſich uͤber die Art und Weiſe, wie man
ſeinem Herzen am leichteſten beykommen koͤnne, ge-
macht hatte. Es iſt wahr, daß der Einfall, ſich an
die Stelle der Taͤnzerinn zu ſezen, ihr erſt in dem Augen-
blik gekommen war, da ſie ihn ausfuͤhrte; allein ſie
wuͤrde ihn nicht ausgefuͤhrt haben, wenn ſie nicht die
gute Wuͤrkung davon mit einer Art von Gewißheit
vorausgeſehen haͤtte. Haͤtte ſie in dem erſten Augen-
blik, da ſie ſich ihm darſtellte, in ihren Gebehrden,
oder in ihrem Anzug das mindeſte gehabt, das ihm an-
ſtoͤßig haͤtte ſeyn koͤnnen, ſo wuͤrde es ihr ſchwer ge-
weſen ſeyn, den widrigen Eindruk dieſes erſten Augen-
bliks jemals wieder gut zu machen. Agathon mußte
in den Fall geſezt werden, ſich ſelbſt zu hintergehen,
ohne es gewahr zu werden; und wenn er fuͤr ſubalterne
Reizungen empfindlich gemacht werden ſollte, ſo mußte
es durch Vermittlung der Einbildungskraft und auf

eine
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[168/0190] Agathon. Was die Danae betrift, welche die Ehre hatte, dieſe erhabene Entzuͤkungen in ihm zu erweken, ſo brachte ſie den Reſt der Nacht wo nicht mit eben ſo erhabenen doch in ihrer Art mit eben ſo angenehmen Betrachtungen zu. Agathon hatte ihr gefallen, ſie war mit dem Eindruk, den ſie auf ihn gemacht, zufrieden; und ſie glaubte, nach den Beobachtungen, die ihr dieſer Abend bereits an die Hand gegeben, daß ſie ſich ſelbſt mit gutem Grunde zutrauen koͤnne, ihn, durch die gehoͤrigen Gradationen, zu einem zweyten und vielleicht ſtandhaftern Alcibiades zu machen. Nichts war ihr hiebey angenehmer als die Beſtaͤtigung des Plans, den ſie ſich uͤber die Art und Weiſe, wie man ſeinem Herzen am leichteſten beykommen koͤnne, ge- macht hatte. Es iſt wahr, daß der Einfall, ſich an die Stelle der Taͤnzerinn zu ſezen, ihr erſt in dem Augen- blik gekommen war, da ſie ihn ausfuͤhrte; allein ſie wuͤrde ihn nicht ausgefuͤhrt haben, wenn ſie nicht die gute Wuͤrkung davon mit einer Art von Gewißheit vorausgeſehen haͤtte. Haͤtte ſie in dem erſten Augen- blik, da ſie ſich ihm darſtellte, in ihren Gebehrden, oder in ihrem Anzug das mindeſte gehabt, das ihm an- ſtoͤßig haͤtte ſeyn koͤnnen, ſo wuͤrde es ihr ſchwer ge- weſen ſeyn, den widrigen Eindruk dieſes erſten Augen- bliks jemals wieder gut zu machen. Agathon mußte in den Fall geſezt werden, ſich ſelbſt zu hintergehen, ohne es gewahr zu werden; und wenn er fuͤr ſubalterne Reizungen empfindlich gemacht werden ſollte, ſo mußte es durch Vermittlung der Einbildungskraft und auf eine

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/190>, abgerufen am 24.11.2024.