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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Agathon,
standen hätte, ganz ungescheut Liebe nennen wollen, in
dem Lauf von wenigen Tagen so sehr zugenommen hatte,
daß einem jeden andern als einem Agathon die Augen
über den wahren Zustand seines Herzens aufgegangen
wären. Wir, wissen wol, daß die Umständlichkeit uns-
rer Erzählung bey diesem Theile seiner Geschichte, den
Ernsthaftern unter unsern Lesern, wenn wir anders
dergleichen haben werden, sehr langweilig vorkommen
wird. Allein die Achtung, die wir ihnen schuldig
sind, kan uns nicht verhindern, uns die Vorstellung
zu machen, daß diese Geschichte vielleicht künftig, und
wenn es auch nur aus einem Gewürzladen wäre, einem
jungen noch nicht ganz ausgebrüteten Agathon in die
Hände fallen könnte, der aus einer genauern Beschrei-
bung der Veränderungen, welche die Göttin Danae nach
und nach in dem Herzen und der Denkungsart unsers
Helden hervorgebracht, sich gewisse Beobachtungen und
Cautelen ziehen könnte, von denen er vielleicht einen
guten Gebrauch zu machen Gelegenheit bekommen
möchte. Wir glauben also, wenn wir diesem zu-
künftigen Agathon zu Gefallen uns die Mühe nehmen,
der Leidenschaft unsers Helden von der Quelle an in
ihrem wiewohl noch geheimen Lauf nachzugehen, desto
eher entschuldiget zu seyn, da es allen übrigen, die mit
diesen Anecdoten nichts zu machen wissen, frey steht,
das folgende Capitel zu überschlagen.

Fünftes

Agathon,
ſtanden haͤtte, ganz ungeſcheut Liebe nennen wollen, in
dem Lauf von wenigen Tagen ſo ſehr zugenommen hatte,
daß einem jeden andern als einem Agathon die Augen
uͤber den wahren Zuſtand ſeines Herzens aufgegangen
waͤren. Wir, wiſſen wol, daß die Umſtaͤndlichkeit unſ-
rer Erzaͤhlung bey dieſem Theile ſeiner Geſchichte, den
Ernſthaftern unter unſern Leſern, wenn wir anders
dergleichen haben werden, ſehr langweilig vorkommen
wird. Allein die Achtung, die wir ihnen ſchuldig
ſind, kan uns nicht verhindern, uns die Vorſtellung
zu machen, daß dieſe Geſchichte vielleicht kuͤnftig, und
wenn es auch nur aus einem Gewuͤrzladen waͤre, einem
jungen noch nicht ganz ausgebruͤteten Agathon in die
Haͤnde fallen koͤnnte, der aus einer genauern Beſchrei-
bung der Veraͤnderungen, welche die Goͤttin Danae nach
und nach in dem Herzen und der Denkungsart unſers
Helden hervorgebracht, ſich gewiſſe Beobachtungen und
Cautelen ziehen koͤnnte, von denen er vielleicht einen
guten Gebrauch zu machen Gelegenheit bekommen
moͤchte. Wir glauben alſo, wenn wir dieſem zu-
kuͤnftigen Agathon zu Gefallen uns die Muͤhe nehmen,
der Leidenſchaft unſers Helden von der Quelle an in
ihrem wiewohl noch geheimen Lauf nachzugehen, deſto
eher entſchuldiget zu ſeyn, da es allen uͤbrigen, die mit
dieſen Anecdoten nichts zu machen wiſſen, frey ſteht,
das folgende Capitel zu uͤberſchlagen.

Fuͤnftes
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[180/0202] Agathon, ſtanden haͤtte, ganz ungeſcheut Liebe nennen wollen, in dem Lauf von wenigen Tagen ſo ſehr zugenommen hatte, daß einem jeden andern als einem Agathon die Augen uͤber den wahren Zuſtand ſeines Herzens aufgegangen waͤren. Wir, wiſſen wol, daß die Umſtaͤndlichkeit unſ- rer Erzaͤhlung bey dieſem Theile ſeiner Geſchichte, den Ernſthaftern unter unſern Leſern, wenn wir anders dergleichen haben werden, ſehr langweilig vorkommen wird. Allein die Achtung, die wir ihnen ſchuldig ſind, kan uns nicht verhindern, uns die Vorſtellung zu machen, daß dieſe Geſchichte vielleicht kuͤnftig, und wenn es auch nur aus einem Gewuͤrzladen waͤre, einem jungen noch nicht ganz ausgebruͤteten Agathon in die Haͤnde fallen koͤnnte, der aus einer genauern Beſchrei- bung der Veraͤnderungen, welche die Goͤttin Danae nach und nach in dem Herzen und der Denkungsart unſers Helden hervorgebracht, ſich gewiſſe Beobachtungen und Cautelen ziehen koͤnnte, von denen er vielleicht einen guten Gebrauch zu machen Gelegenheit bekommen moͤchte. Wir glauben alſo, wenn wir dieſem zu- kuͤnftigen Agathon zu Gefallen uns die Muͤhe nehmen, der Leidenſchaft unſers Helden von der Quelle an in ihrem wiewohl noch geheimen Lauf nachzugehen, deſto eher entſchuldiget zu ſeyn, da es allen uͤbrigen, die mit dieſen Anecdoten nichts zu machen wiſſen, frey ſteht, das folgende Capitel zu uͤberſchlagen. Fuͤnftes

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/202>, abgerufen am 21.11.2024.