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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Agathon.
schen Gähnen und Seufzen, welches ihr an der Stelle,
wo wir seine Erzählungen abgebrochen haben, entfuhr,
und ein gewisser Ausdruk von langer Weile, der aus
einer erzwungnen Mine von vergnügter Aufmerksamkeit
hervorbrach, machte ihn endlich seiner Unbesonnenheit
gewahr werden; er stuzte einen Augenblik, er erröthete,
und es fehlte wenig, daß er den Zusammenhang seiner
Geschichte darüber verlohren hätte. Doch erholte er
sich noch geschwinde genug wieder, um seiner Verwir-
rung irgend einen zufälligen Vorwand zu geben, und
sezte seine Erzählung fort, indem er sest bey sich be-
schloß, genauer auf sich selbst Acht zu geben, und seine
Beschreibungen so sehr abzukürzen, als es nur immer
möglich seyn würde; ein Vorsaz, bey welchem unsre
Leser sich wenigstens eben so wol befinden werden, als
die schöne Danae, wenn er anders fähig seyn wird,
sich selbst Wort zu halten.

Die süssen Träume, (fuhr der Held unsrer Geschichte
fort) worinn mein Herz sich so gerne zu wiegen pflegte,
hatten nicht würkliches genug, diesen angenehmen Zu-
stand meines Gemüthes lange zu unterhalten. Eine
zärtliche Schwermuth, welche jedoch nicht ohne eine
Art von Wollust war, bemächtigte sich meiner so stark,
daß ich Mühe hatte, sie vor denjenigen zu verbergen,
mit denen ich einen Theil des Tages zubringen mußte.
Jch suchte die Einsamkeit; und weil ich den Tag über,
nur wenige Stunden in meiner Gewalt hatte, so fieng
ich wieder an, den grösten Theil der Zeit, worinn

andere

Agathon.
ſchen Gaͤhnen und Seufzen, welches ihr an der Stelle,
wo wir ſeine Erzaͤhlungen abgebrochen haben, entfuhr,
und ein gewiſſer Ausdruk von langer Weile, der aus
einer erzwungnen Mine von vergnuͤgter Aufmerkſamkeit
hervorbrach, machte ihn endlich ſeiner Unbeſonnenheit
gewahr werden; er ſtuzte einen Augenblik, er erroͤthete,
und es fehlte wenig, daß er den Zuſammenhang ſeiner
Geſchichte daruͤber verlohren haͤtte. Doch erholte er
ſich noch geſchwinde genug wieder, um ſeiner Verwir-
rung irgend einen zufaͤlligen Vorwand zu geben, und
ſezte ſeine Erzaͤhlung fort, indem er ſeſt bey ſich be-
ſchloß, genauer auf ſich ſelbſt Acht zu geben, und ſeine
Beſchreibungen ſo ſehr abzukuͤrzen, als es nur immer
moͤglich ſeyn wuͤrde; ein Vorſaz, bey welchem unſre
Leſer ſich wenigſtens eben ſo wol befinden werden, als
die ſchoͤne Danae, wenn er anders faͤhig ſeyn wird,
ſich ſelbſt Wort zu halten.

Die ſuͤſſen Traͤume, (fuhr der Held unſrer Geſchichte
fort) worinn mein Herz ſich ſo gerne zu wiegen pflegte,
hatten nicht wuͤrkliches genug, dieſen angenehmen Zu-
ſtand meines Gemuͤthes lange zu unterhalten. Eine
zaͤrtliche Schwermuth, welche jedoch nicht ohne eine
Art von Wolluſt war, bemaͤchtigte ſich meiner ſo ſtark,
daß ich Muͤhe hatte, ſie vor denjenigen zu verbergen,
mit denen ich einen Theil des Tages zubringen mußte.
Jch ſuchte die Einſamkeit; und weil ich den Tag uͤber,
nur wenige Stunden in meiner Gewalt hatte, ſo fieng
ich wieder an, den groͤſten Theil der Zeit, worinn

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[294/0316] Agathon. ſchen Gaͤhnen und Seufzen, welches ihr an der Stelle, wo wir ſeine Erzaͤhlungen abgebrochen haben, entfuhr, und ein gewiſſer Ausdruk von langer Weile, der aus einer erzwungnen Mine von vergnuͤgter Aufmerkſamkeit hervorbrach, machte ihn endlich ſeiner Unbeſonnenheit gewahr werden; er ſtuzte einen Augenblik, er erroͤthete, und es fehlte wenig, daß er den Zuſammenhang ſeiner Geſchichte daruͤber verlohren haͤtte. Doch erholte er ſich noch geſchwinde genug wieder, um ſeiner Verwir- rung irgend einen zufaͤlligen Vorwand zu geben, und ſezte ſeine Erzaͤhlung fort, indem er ſeſt bey ſich be- ſchloß, genauer auf ſich ſelbſt Acht zu geben, und ſeine Beſchreibungen ſo ſehr abzukuͤrzen, als es nur immer moͤglich ſeyn wuͤrde; ein Vorſaz, bey welchem unſre Leſer ſich wenigſtens eben ſo wol befinden werden, als die ſchoͤne Danae, wenn er anders faͤhig ſeyn wird, ſich ſelbſt Wort zu halten. Die ſuͤſſen Traͤume, (fuhr der Held unſrer Geſchichte fort) worinn mein Herz ſich ſo gerne zu wiegen pflegte, hatten nicht wuͤrkliches genug, dieſen angenehmen Zu- ſtand meines Gemuͤthes lange zu unterhalten. Eine zaͤrtliche Schwermuth, welche jedoch nicht ohne eine Art von Wolluſt war, bemaͤchtigte ſich meiner ſo ſtark, daß ich Muͤhe hatte, ſie vor denjenigen zu verbergen, mit denen ich einen Theil des Tages zubringen mußte. Jch ſuchte die Einſamkeit; und weil ich den Tag uͤber, nur wenige Stunden in meiner Gewalt hatte, ſo fieng ich wieder an, den groͤſten Theil der Zeit, worinn andere

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/316>, abgerufen am 24.11.2024.