Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.Zweytes Buch, drittes Capitel. lerinnen, die durch die Reizungen ihrer Gestalt so sehrals durch ihre Geschiklichkeit bezauberten, und die nachahmenden Tänze, in denen sie die Geschichte der Le- da oder Danae durch blosse Bewegungen mit einer Leb- haftigkeit vorstellten, die einen Nestor hätte verjüngern können; wie er die üppigen Bäder, die bezauberten Gärten, kurz, wie er alles sah, was das Haus des wei- sen Hippias zu einem Tempel der ausgekünsteltsten Sinn- lichkeit machte, so stieg seine Verwunderung bis zum Erstaunen; und er konnte nicht begreifen, was dieser Sybarite gethan haben müsse, um den Namen eines Weisen zu verdienen, oder wie er sich einer Benennung nicht schäme, die ihm, seinen Gedanken nach, eben so gut anstund, als dem Alexander von Phera, wenn man ihn den Leutseligen, oder der Phryne, wenn man sie die Keusche hätte nennen wollen. Alle Auflösungen, die er sich selbst hierüber machen konnte, befriedigten ihn so wenig, daß er sich vornahm, bey der ersten Gelegen- heit dieses Problem dem Hippias selbst vorzulegen. Viertes Capitel. Welches bey einigen den Verdacht erweken wird, daß diese Geschichte erdichtet sey. Die Verrichtungen des Agathon liessen ihm so viel wo [Agath. I. Th.] D
Zweytes Buch, drittes Capitel. lerinnen, die durch die Reizungen ihrer Geſtalt ſo ſehrals durch ihre Geſchiklichkeit bezauberten, und die nachahmenden Taͤnze, in denen ſie die Geſchichte der Le- da oder Danae durch bloſſe Bewegungen mit einer Leb- haftigkeit vorſtellten, die einen Neſtor haͤtte verjuͤngern koͤnnen; wie er die uͤppigen Baͤder, die bezauberten Gaͤrten, kurz, wie er alles ſah, was das Haus des wei- ſen Hippias zu einem Tempel der ausgekuͤnſteltſten Sinn- lichkeit machte, ſo ſtieg ſeine Verwunderung bis zum Erſtaunen; und er konnte nicht begreifen, was dieſer Sybarite gethan haben muͤſſe, um den Namen eines Weiſen zu verdienen, oder wie er ſich einer Benennung nicht ſchaͤme, die ihm, ſeinen Gedanken nach, eben ſo gut anſtund, als dem Alexander von Phera, wenn man ihn den Leutſeligen, oder der Phryne, wenn man ſie die Keuſche haͤtte nennen wollen. Alle Aufloͤſungen, die er ſich ſelbſt hieruͤber machen konnte, befriedigten ihn ſo wenig, daß er ſich vornahm, bey der erſten Gelegen- heit dieſes Problem dem Hippias ſelbſt vorzulegen. Viertes Capitel. Welches bey einigen den Verdacht erweken wird, daß dieſe Geſchichte erdichtet ſey. Die Verrichtungen des Agathon lieſſen ihm ſo viel wo [Agath. I. Th.] D
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Zweytes Buch, drittes Capitel.
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als durch ihre Geſchiklichkeit bezauberten, und die
nachahmenden Taͤnze, in denen ſie die Geſchichte der Le-
da oder Danae durch bloſſe Bewegungen mit einer Leb-
haftigkeit vorſtellten, die einen Neſtor haͤtte verjuͤngern
koͤnnen; wie er die uͤppigen Baͤder, die bezauberten
Gaͤrten, kurz, wie er alles ſah, was das Haus des wei-
ſen Hippias zu einem Tempel der ausgekuͤnſteltſten Sinn-
lichkeit machte, ſo ſtieg ſeine Verwunderung bis zum
Erſtaunen; und er konnte nicht begreifen, was dieſer
Sybarite gethan haben muͤſſe, um den Namen eines
Weiſen zu verdienen, oder wie er ſich einer Benennung
nicht ſchaͤme, die ihm, ſeinen Gedanken nach, eben ſo
gut anſtund, als dem Alexander von Phera, wenn man
ihn den Leutſeligen, oder der Phryne, wenn man ſie die
Keuſche haͤtte nennen wollen. Alle Aufloͤſungen, die
er ſich ſelbſt hieruͤber machen konnte, befriedigten ihn ſo
wenig, daß er ſich vornahm, bey der erſten Gelegen-
heit dieſes Problem dem Hippias ſelbſt vorzulegen.
Viertes Capitel.
Welches bey einigen den Verdacht erweken
wird, daß dieſe Geſchichte erdichtet ſey.
Die Verrichtungen des Agathon lieſſen ihm ſo viel
Zeit uͤbrig, daß er in wenigen Tagen in einem Hauſe,
wo
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