Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

Bild:
<< vorherige Seite
Agathon.

Das erste was sie thaten, war, daß sie ihm die Ge-
sinnungen des Volkes, und die zwar von aussen noch
nicht merklich in die Augen fallende, aber innerlich desto
stärker gährende Bewegung desselben mit sehr lebhaften
Farben, und mit ziemlicher Vergrösserung der Um-
stände vormahlten. Sie thaten dieses mit vieler Vor-
sichtigkeit, in gelegenen Augenbliken, nach und nach,
und auf eine solche Art, daß es dem Dionys scheinen
mußte, als ob ihm endlich die Augen von selbst aufgien-
gen; und dabey versäumten sie keine Gelegenheit, den
Plato und den Prinzen Dion bis in die Wolken zu er-
heben; und besonders in Ausdrüken, welche von der
schlauesten Boßheit ausgewählt wurden, von der aus-
serordentlichen Hochachtung zu sprechen, worein sie sich
bey dem Volke sezten. Um den Tyrannen desto auf-
merksamer zu machen, wußten sie es durch tausend ge-
heime Wege, wobey sie selbst nicht zum Vorschein kamen,
dahin einzuleiten, daß häuffige und zahlreiche Privat-
Versammlungen in der Stadt angestellt wurden, wozu
Dion und Plato selbst, oder doch immer jemand von
den besondern Vertrauten des einen oder des andern,
eingeladen wurde. Diese Versammlungen waren zwar
nur auf Gastmäler und freundschaftliche Ergözungen an-
gesehen; aber sie gaben doch dem Philistus nnd seinen
Freunden Gelegenheit mit einer Art davon zu reden,
wodurch sie den Schein politischer Zusammenkünfte be-
kamen; und das war alles was sie wollten.

Durch
Agathon.

Das erſte was ſie thaten, war, daß ſie ihm die Ge-
ſinnungen des Volkes, und die zwar von auſſen noch
nicht merklich in die Augen fallende, aber innerlich deſto
ſtaͤrker gaͤhrende Bewegung deſſelben mit ſehr lebhaften
Farben, und mit ziemlicher Vergroͤſſerung der Um-
ſtaͤnde vormahlten. Sie thaten dieſes mit vieler Vor-
ſichtigkeit, in gelegenen Augenbliken, nach und nach,
und auf eine ſolche Art, daß es dem Dionys ſcheinen
mußte, als ob ihm endlich die Augen von ſelbſt aufgien-
gen; und dabey verſaͤumten ſie keine Gelegenheit, den
Plato und den Prinzen Dion bis in die Wolken zu er-
heben; und beſonders in Ausdruͤken, welche von der
ſchlaueſten Boßheit ausgewaͤhlt wurden, von der auſ-
ſerordentlichen Hochachtung zu ſprechen, worein ſie ſich
bey dem Volke ſezten. Um den Tyrannen deſto auf-
merkſamer zu machen, wußten ſie es durch tauſend ge-
heime Wege, wobey ſie ſelbſt nicht zum Vorſchein kamen,
dahin einzuleiten, daß haͤuffige und zahlreiche Privat-
Verſammlungen in der Stadt angeſtellt wurden, wozu
Dion und Plato ſelbſt, oder doch immer jemand von
den beſondern Vertrauten des einen oder des andern,
eingeladen wurde. Dieſe Verſammlungen waren zwar
nur auf Gaſtmaͤler und freundſchaftliche Ergoͤzungen an-
geſehen; aber ſie gaben doch dem Philiſtus nnd ſeinen
Freunden Gelegenheit mit einer Art davon zu reden,
wodurch ſie den Schein politiſcher Zuſammenkuͤnfte be-
kamen; und das war alles was ſie wollten.

Durch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0124" n="122"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Agathon.</hi> </hi> </fw><lb/>
            <p>Das er&#x017F;te was &#x017F;ie thaten, war, daß &#x017F;ie ihm die Ge-<lb/>
&#x017F;innungen des Volkes, und die zwar von au&#x017F;&#x017F;en noch<lb/>
nicht merklich in die Augen fallende, aber innerlich de&#x017F;to<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rker ga&#x0364;hrende Bewegung de&#x017F;&#x017F;elben mit &#x017F;ehr lebhaften<lb/>
Farben, und mit ziemlicher Vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erung der Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde vormahlten. Sie thaten die&#x017F;es mit vieler Vor-<lb/>
&#x017F;ichtigkeit, in gelegenen Augenbliken, nach und nach,<lb/>
und auf eine &#x017F;olche Art, daß es dem Dionys &#x017F;cheinen<lb/>
mußte, als ob ihm endlich die Augen von &#x017F;elb&#x017F;t aufgien-<lb/>
gen; und dabey ver&#x017F;a&#x0364;umten &#x017F;ie keine Gelegenheit, den<lb/>
Plato und den Prinzen Dion bis in die Wolken zu er-<lb/>
heben; und be&#x017F;onders in Ausdru&#x0364;ken, welche von der<lb/>
&#x017F;chlaue&#x017F;ten Boßheit ausgewa&#x0364;hlt wurden, von der au&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erordentlichen Hochachtung zu &#x017F;prechen, worein &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
bey dem Volke &#x017F;ezten. Um den Tyrannen de&#x017F;to auf-<lb/>
merk&#x017F;amer zu machen, wußten &#x017F;ie es durch tau&#x017F;end ge-<lb/>
heime Wege, wobey &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t nicht zum Vor&#x017F;chein kamen,<lb/>
dahin einzuleiten, daß ha&#x0364;uffige und zahlreiche Privat-<lb/>
Ver&#x017F;ammlungen in der Stadt ange&#x017F;tellt wurden, wozu<lb/>
Dion und Plato &#x017F;elb&#x017F;t, oder doch immer jemand von<lb/>
den be&#x017F;ondern Vertrauten des einen oder des andern,<lb/>
eingeladen wurde. Die&#x017F;e Ver&#x017F;ammlungen waren zwar<lb/>
nur auf Ga&#x017F;tma&#x0364;ler und freund&#x017F;chaftliche Ergo&#x0364;zungen an-<lb/>
ge&#x017F;ehen; aber &#x017F;ie gaben doch dem Phili&#x017F;tus nnd &#x017F;einen<lb/>
Freunden Gelegenheit mit einer Art davon zu reden,<lb/>
wodurch &#x017F;ie den Schein politi&#x017F;cher Zu&#x017F;ammenku&#x0364;nfte be-<lb/>
kamen; und das war alles was &#x017F;ie wollten.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Durch</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0124] Agathon. Das erſte was ſie thaten, war, daß ſie ihm die Ge- ſinnungen des Volkes, und die zwar von auſſen noch nicht merklich in die Augen fallende, aber innerlich deſto ſtaͤrker gaͤhrende Bewegung deſſelben mit ſehr lebhaften Farben, und mit ziemlicher Vergroͤſſerung der Um- ſtaͤnde vormahlten. Sie thaten dieſes mit vieler Vor- ſichtigkeit, in gelegenen Augenbliken, nach und nach, und auf eine ſolche Art, daß es dem Dionys ſcheinen mußte, als ob ihm endlich die Augen von ſelbſt aufgien- gen; und dabey verſaͤumten ſie keine Gelegenheit, den Plato und den Prinzen Dion bis in die Wolken zu er- heben; und beſonders in Ausdruͤken, welche von der ſchlaueſten Boßheit ausgewaͤhlt wurden, von der auſ- ſerordentlichen Hochachtung zu ſprechen, worein ſie ſich bey dem Volke ſezten. Um den Tyrannen deſto auf- merkſamer zu machen, wußten ſie es durch tauſend ge- heime Wege, wobey ſie ſelbſt nicht zum Vorſchein kamen, dahin einzuleiten, daß haͤuffige und zahlreiche Privat- Verſammlungen in der Stadt angeſtellt wurden, wozu Dion und Plato ſelbſt, oder doch immer jemand von den beſondern Vertrauten des einen oder des andern, eingeladen wurde. Dieſe Verſammlungen waren zwar nur auf Gaſtmaͤler und freundſchaftliche Ergoͤzungen an- geſehen; aber ſie gaben doch dem Philiſtus nnd ſeinen Freunden Gelegenheit mit einer Art davon zu reden, wodurch ſie den Schein politiſcher Zuſammenkuͤnfte be- kamen; und das war alles was ſie wollten. Durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/124
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/124>, abgerufen am 24.11.2024.