Das erste was sie thaten, war, daß sie ihm die Ge- sinnungen des Volkes, und die zwar von aussen noch nicht merklich in die Augen fallende, aber innerlich desto stärker gährende Bewegung desselben mit sehr lebhaften Farben, und mit ziemlicher Vergrösserung der Um- stände vormahlten. Sie thaten dieses mit vieler Vor- sichtigkeit, in gelegenen Augenbliken, nach und nach, und auf eine solche Art, daß es dem Dionys scheinen mußte, als ob ihm endlich die Augen von selbst aufgien- gen; und dabey versäumten sie keine Gelegenheit, den Plato und den Prinzen Dion bis in die Wolken zu er- heben; und besonders in Ausdrüken, welche von der schlauesten Boßheit ausgewählt wurden, von der aus- serordentlichen Hochachtung zu sprechen, worein sie sich bey dem Volke sezten. Um den Tyrannen desto auf- merksamer zu machen, wußten sie es durch tausend ge- heime Wege, wobey sie selbst nicht zum Vorschein kamen, dahin einzuleiten, daß häuffige und zahlreiche Privat- Versammlungen in der Stadt angestellt wurden, wozu Dion und Plato selbst, oder doch immer jemand von den besondern Vertrauten des einen oder des andern, eingeladen wurde. Diese Versammlungen waren zwar nur auf Gastmäler und freundschaftliche Ergözungen an- gesehen; aber sie gaben doch dem Philistus nnd seinen Freunden Gelegenheit mit einer Art davon zu reden, wodurch sie den Schein politischer Zusammenkünfte be- kamen; und das war alles was sie wollten.
Durch
Agathon.
Das erſte was ſie thaten, war, daß ſie ihm die Ge- ſinnungen des Volkes, und die zwar von auſſen noch nicht merklich in die Augen fallende, aber innerlich deſto ſtaͤrker gaͤhrende Bewegung deſſelben mit ſehr lebhaften Farben, und mit ziemlicher Vergroͤſſerung der Um- ſtaͤnde vormahlten. Sie thaten dieſes mit vieler Vor- ſichtigkeit, in gelegenen Augenbliken, nach und nach, und auf eine ſolche Art, daß es dem Dionys ſcheinen mußte, als ob ihm endlich die Augen von ſelbſt aufgien- gen; und dabey verſaͤumten ſie keine Gelegenheit, den Plato und den Prinzen Dion bis in die Wolken zu er- heben; und beſonders in Ausdruͤken, welche von der ſchlaueſten Boßheit ausgewaͤhlt wurden, von der auſ- ſerordentlichen Hochachtung zu ſprechen, worein ſie ſich bey dem Volke ſezten. Um den Tyrannen deſto auf- merkſamer zu machen, wußten ſie es durch tauſend ge- heime Wege, wobey ſie ſelbſt nicht zum Vorſchein kamen, dahin einzuleiten, daß haͤuffige und zahlreiche Privat- Verſammlungen in der Stadt angeſtellt wurden, wozu Dion und Plato ſelbſt, oder doch immer jemand von den beſondern Vertrauten des einen oder des andern, eingeladen wurde. Dieſe Verſammlungen waren zwar nur auf Gaſtmaͤler und freundſchaftliche Ergoͤzungen an- geſehen; aber ſie gaben doch dem Philiſtus nnd ſeinen Freunden Gelegenheit mit einer Art davon zu reden, wodurch ſie den Schein politiſcher Zuſammenkuͤnfte be- kamen; und das war alles was ſie wollten.
Durch
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Agathon.
Das erſte was ſie thaten, war, daß ſie ihm die Ge-
ſinnungen des Volkes, und die zwar von auſſen noch
nicht merklich in die Augen fallende, aber innerlich deſto
ſtaͤrker gaͤhrende Bewegung deſſelben mit ſehr lebhaften
Farben, und mit ziemlicher Vergroͤſſerung der Um-
ſtaͤnde vormahlten. Sie thaten dieſes mit vieler Vor-
ſichtigkeit, in gelegenen Augenbliken, nach und nach,
und auf eine ſolche Art, daß es dem Dionys ſcheinen
mußte, als ob ihm endlich die Augen von ſelbſt aufgien-
gen; und dabey verſaͤumten ſie keine Gelegenheit, den
Plato und den Prinzen Dion bis in die Wolken zu er-
heben; und beſonders in Ausdruͤken, welche von der
ſchlaueſten Boßheit ausgewaͤhlt wurden, von der auſ-
ſerordentlichen Hochachtung zu ſprechen, worein ſie ſich
bey dem Volke ſezten. Um den Tyrannen deſto auf-
merkſamer zu machen, wußten ſie es durch tauſend ge-
heime Wege, wobey ſie ſelbſt nicht zum Vorſchein kamen,
dahin einzuleiten, daß haͤuffige und zahlreiche Privat-
Verſammlungen in der Stadt angeſtellt wurden, wozu
Dion und Plato ſelbſt, oder doch immer jemand von
den beſondern Vertrauten des einen oder des andern,
eingeladen wurde. Dieſe Verſammlungen waren zwar
nur auf Gaſtmaͤler und freundſchaftliche Ergoͤzungen an-
geſehen; aber ſie gaben doch dem Philiſtus nnd ſeinen
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wodurch ſie den Schein politiſcher Zuſammenkuͤnfte be-
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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/124>, abgerufen am 24.11.2024.
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