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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Neuntes Buch, viertes Capitel.
der sich das grosse Werk zutraute, einen Weisen und
tugendhaften Mann aus ihm zu machen -- warum stan-
dest du nicht in diesem Augenblik hinter einer Tapete,
und hörtest diese schmeichelhafte Apologie, wodurch er
den Geschmak, den er an dir fand, in den Augen sei-
ner Höflinge zu rechtfertigen suchte!) Jn der That,
sagte Timocrates, die Musen können nicht angenehmer
reden als Plato; ich wißte nicht, was er einen nicht
überreden könnte, wenn er sichs in den Kopf gesezt
hätte -- Du willst vielleicht scherzen, fiel ihm der Prinz
ein; aber ich versichre dich, es hat wenig gefehlt, daß
er mich lezthin nicht auf den Einfall gebracht hätte,
Sicilien dahinten zu lassen, und eine philosophische Reise
nach Memphis und zu den Pyramiden und Gymnoso-
phisten anzustellen, die seiner Beschreibung nach eine
seltsame Art von Creaturen seyn müssen -- wenn ihre
Weiber so schön sind, wie er sagt, so mag es keine
schlimme Partie seyn, den Tanz der Sphären mit ihnen
zu tanzen; denn sie leben in dem Stand der vollkom-
men schönen Natur, und treten dir, allein mit ihren
eigenthümlichen Reizungen geschmükt, das ist, naken-
der als die Meer-Nymphen, mit einer so triumphiren-
den Mine unter die Augen, als die schönste Syracusa-
nerin in ihrem reichesten Fest-Tags-Puz -- Dionys
war, wie man sieht, in einem Humor, der den erha-
beuen Absichten seines Hof-Philosophen nicht sehr günstig
war; Timocrates merkte sichs, und baute in dem nehm-
lichen Augenblik ein kleines Project auf diese gute Dispo-
sition, wovon er sich eine besondere Würkung versprach.

Aber

Neuntes Buch, viertes Capitel.
der ſich das groſſe Werk zutraute, einen Weiſen und
tugendhaften Mann aus ihm zu machen ‒‒ warum ſtan-
deſt du nicht in dieſem Augenblik hinter einer Tapete,
und hoͤrteſt dieſe ſchmeichelhafte Apologie, wodurch er
den Geſchmak, den er an dir fand, in den Augen ſei-
ner Hoͤflinge zu rechtfertigen ſuchte!) Jn der That,
ſagte Timocrates, die Muſen koͤnnen nicht angenehmer
reden als Plato; ich wißte nicht, was er einen nicht
uͤberreden koͤnnte, wenn er ſichs in den Kopf geſezt
haͤtte ‒‒ Du willſt vielleicht ſcherzen, fiel ihm der Prinz
ein; aber ich verſichre dich, es hat wenig gefehlt, daß
er mich lezthin nicht auf den Einfall gebracht haͤtte,
Sicilien dahinten zu laſſen, und eine philoſophiſche Reiſe
nach Memphis und zu den Pyramiden und Gymnoſo-
phiſten anzuſtellen, die ſeiner Beſchreibung nach eine
ſeltſame Art von Creaturen ſeyn muͤſſen ‒‒ wenn ihre
Weiber ſo ſchoͤn ſind, wie er ſagt, ſo mag es keine
ſchlimme Partie ſeyn, den Tanz der Sphaͤren mit ihnen
zu tanzen; denn ſie leben in dem Stand der vollkom-
men ſchoͤnen Natur, und treten dir, allein mit ihren
eigenthuͤmlichen Reizungen geſchmuͤkt, das iſt, naken-
der als die Meer-Nymphen, mit einer ſo triumphiren-
den Mine unter die Augen, als die ſchoͤnſte Syracuſa-
nerin in ihrem reicheſten Feſt-Tags-Puz ‒‒ Dionys
war, wie man ſieht, in einem Humor, der den erha-
beuen Abſichten ſeines Hof-Philoſophen nicht ſehr guͤnſtig
war; Timocrates merkte ſichs, und baute in dem nehm-
lichen Augenblik ein kleines Project auf dieſe gute Diſpo-
ſition, wovon er ſich eine beſondere Wuͤrkung verſprach.

Aber
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[127/0129] Neuntes Buch, viertes Capitel. der ſich das groſſe Werk zutraute, einen Weiſen und tugendhaften Mann aus ihm zu machen ‒‒ warum ſtan- deſt du nicht in dieſem Augenblik hinter einer Tapete, und hoͤrteſt dieſe ſchmeichelhafte Apologie, wodurch er den Geſchmak, den er an dir fand, in den Augen ſei- ner Hoͤflinge zu rechtfertigen ſuchte!) Jn der That, ſagte Timocrates, die Muſen koͤnnen nicht angenehmer reden als Plato; ich wißte nicht, was er einen nicht uͤberreden koͤnnte, wenn er ſichs in den Kopf geſezt haͤtte ‒‒ Du willſt vielleicht ſcherzen, fiel ihm der Prinz ein; aber ich verſichre dich, es hat wenig gefehlt, daß er mich lezthin nicht auf den Einfall gebracht haͤtte, Sicilien dahinten zu laſſen, und eine philoſophiſche Reiſe nach Memphis und zu den Pyramiden und Gymnoſo- phiſten anzuſtellen, die ſeiner Beſchreibung nach eine ſeltſame Art von Creaturen ſeyn muͤſſen ‒‒ wenn ihre Weiber ſo ſchoͤn ſind, wie er ſagt, ſo mag es keine ſchlimme Partie ſeyn, den Tanz der Sphaͤren mit ihnen zu tanzen; denn ſie leben in dem Stand der vollkom- men ſchoͤnen Natur, und treten dir, allein mit ihren eigenthuͤmlichen Reizungen geſchmuͤkt, das iſt, naken- der als die Meer-Nymphen, mit einer ſo triumphiren- den Mine unter die Augen, als die ſchoͤnſte Syracuſa- nerin in ihrem reicheſten Feſt-Tags-Puz ‒‒ Dionys war, wie man ſieht, in einem Humor, der den erha- beuen Abſichten ſeines Hof-Philoſophen nicht ſehr guͤnſtig war; Timocrates merkte ſichs, und baute in dem nehm- lichen Augenblik ein kleines Project auf dieſe gute Diſpo- ſition, wovon er ſich eine beſondere Wuͤrkung verſprach. Aber

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/129>, abgerufen am 21.11.2024.