Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Neuntes Buch, viertes Capitel. über alles Gassenlieder machen kan. Der Nuzen, denihr von dieser kleinen Ausgabe zieht, fällt zwar nicht sogleich in die Augen; ob es gleich an sich selbst schon Vortheils genug für einen Fürsten ist, für einen Be- schüzer der Musen gehalten zu werden. Denn das ist in den Augen von neun und neunzig hunderttheilen des menschlichen Geschlechts ein untrüglicher Beweis, daß er selbst ein Herr von grosser Einsicht, und Wissen- schaft ist; und diese Meynung erwekt Zutrauen, und ein günstiges Vorurtheil für alles was er unternimmt. Aber das ist der geringste Nuzen, den ihr von euern wizigen Kostgängern zieht. Sezet den Fall, daß es nöthig sey eine neue Auflage zu machen; das ist alles was ihr braucht, um in einem Augenblik ein allgemei- nes Murren gegen eure Regierung zu erregen; die Miß- vergnügten, eine Art von Leuten, welche die klügste Regierung niemals gänzlich ausrotten kan, machen sich einen solchen Zeitpunct zu nuze; sezen das Volk in Gäh- rung, untersuchen eure Aufführung, die Verwaltung eurer Einkünfte, und tausend Dinge, an welche vor- her niemand gedacht hatte; die Unruhe nimmt zu, die Repräsentanten des Volks versammeln sich, man über- giebt euch eine Vorstellung, eine Beschwerung um die andere; unvermerkt nimmt man sich heraus die Bitten in Forderungen zu verwandeln, und die Forderungen mit ehrfurchtsvollen Drohungen zu unterstüzen; kurz, die Ruhe euers Lebens ist, wenigstens auf einige Zeit, verlohren; ihr befindet euch in critischen Umständen, wo der kleinste Fehltritt die schlimmesten Folgen nach sich K 3
Neuntes Buch, viertes Capitel. uͤber alles Gaſſenlieder machen kan. Der Nuzen, denihr von dieſer kleinen Ausgabe zieht, faͤllt zwar nicht ſogleich in die Augen; ob es gleich an ſich ſelbſt ſchon Vortheils genug fuͤr einen Fuͤrſten iſt, fuͤr einen Be- ſchuͤzer der Muſen gehalten zu werden. Denn das iſt in den Augen von neun und neunzig hunderttheilen des menſchlichen Geſchlechts ein untruͤglicher Beweis, daß er ſelbſt ein Herr von groſſer Einſicht, und Wiſſen- ſchaft iſt; und dieſe Meynung erwekt Zutrauen, und ein guͤnſtiges Vorurtheil fuͤr alles was er unternimmt. Aber das iſt der geringſte Nuzen, den ihr von euern wizigen Koſtgaͤngern zieht. Sezet den Fall, daß es noͤthig ſey eine neue Auflage zu machen; das iſt alles was ihr braucht, um in einem Augenblik ein allgemei- nes Murren gegen eure Regierung zu erregen; die Miß- vergnuͤgten, eine Art von Leuten, welche die kluͤgſte Regierung niemals gaͤnzlich ausrotten kan, machen ſich einen ſolchen Zeitpunct zu nuze; ſezen das Volk in Gaͤh- rung, unterſuchen eure Auffuͤhrung, die Verwaltung eurer Einkuͤnfte, und tauſend Dinge, an welche vor- her niemand gedacht hatte; die Unruhe nimmt zu, die Repraͤſentanten des Volks verſammeln ſich, man uͤber- giebt euch eine Vorſtellung, eine Beſchwerung um die andere; unvermerkt nimmt man ſich heraus die Bitten in Forderungen zu verwandeln, und die Forderungen mit ehrfurchtsvollen Drohungen zu unterſtuͤzen; kurz, die Ruhe euers Lebens iſt, wenigſtens auf einige Zeit, verlohren; ihr befindet euch in critiſchen Umſtaͤnden, wo der kleinſte Fehltritt die ſchlimmeſten Folgen nach ſich K 3
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Neuntes Buch, viertes Capitel.
uͤber alles Gaſſenlieder machen kan. Der Nuzen, den
ihr von dieſer kleinen Ausgabe zieht, faͤllt zwar nicht
ſogleich in die Augen; ob es gleich an ſich ſelbſt ſchon
Vortheils genug fuͤr einen Fuͤrſten iſt, fuͤr einen Be-
ſchuͤzer der Muſen gehalten zu werden. Denn das iſt
in den Augen von neun und neunzig hunderttheilen des
menſchlichen Geſchlechts ein untruͤglicher Beweis, daß
er ſelbſt ein Herr von groſſer Einſicht, und Wiſſen-
ſchaft iſt; und dieſe Meynung erwekt Zutrauen, und
ein guͤnſtiges Vorurtheil fuͤr alles was er unternimmt.
Aber das iſt der geringſte Nuzen, den ihr von euern
wizigen Koſtgaͤngern zieht. Sezet den Fall, daß es
noͤthig ſey eine neue Auflage zu machen; das iſt alles
was ihr braucht, um in einem Augenblik ein allgemei-
nes Murren gegen eure Regierung zu erregen; die Miß-
vergnuͤgten, eine Art von Leuten, welche die kluͤgſte
Regierung niemals gaͤnzlich ausrotten kan, machen ſich
einen ſolchen Zeitpunct zu nuze; ſezen das Volk in Gaͤh-
rung, unterſuchen eure Auffuͤhrung, die Verwaltung
eurer Einkuͤnfte, und tauſend Dinge, an welche vor-
her niemand gedacht hatte; die Unruhe nimmt zu, die
Repraͤſentanten des Volks verſammeln ſich, man uͤber-
giebt euch eine Vorſtellung, eine Beſchwerung um die
andere; unvermerkt nimmt man ſich heraus die Bitten
in Forderungen zu verwandeln, und die Forderungen
mit ehrfurchtsvollen Drohungen zu unterſtuͤzen; kurz,
die Ruhe euers Lebens iſt, wenigſtens auf einige Zeit,
verlohren; ihr befindet euch in critiſchen Umſtaͤnden,
wo der kleinſte Fehltritt die ſchlimmeſten Folgen nach
ſich
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