Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtes Buch, zweytes Capitel.
raube, und vergaß auch das Lächerliche nicht, welches
er sich durch eine so seltsame Laune in den Augen der
Schönen gebe. Seiner Meynung nach sollte ein Callias
sich an einer einzigen Eroberung, so glänzend sie auch
immer seyn möchte, nicht begnügen lassen; er, dem
seine Vorzüge das Recht geben, seinem Ehrgeiz in die-
ser Sphäre keine Grenzen zu sezen, und der nur zu er-
scheinen brauche um zu siegen. Er bewies die Wahr-
heit dieser Schmeicheley mit den besondern Ansprüchen,
welche einige von den berühmtesten Schönheiten zu
Smyrna auf ihn machten; seinem Vorgeben nach, lag
es nur an Agathon, seine Eitelkeit, seine Neubegier
und seinen Hang zum Vergnügen zu gleicher Zeit zu be-
friedigen, und auf eine so mannichfaltige Art glüklich
zu seyn, als sich die verzärteltste Einbildung nur im-
mer wünschen könne.

Agathon hatte auf alle diese schöne Vorspieglungen
nur Eine Antwort -- seine Liebe zu Danae. Der
Sophist fand sie unzulänglich. Eben diese Ursachen,
welche seine Liebe zu Danae hervorgebracht hatten, soll-
ten ihn auch für die Reizungen andrer Schönen empfind-
lich machen. Seiner Meynung nach machte die Ab-
wechselung der Gegenstände das grösseste Glük der Liebe
aus. Er behauptete diesen Saz durch eine sehr leb-
hafte Ausführung der besondern Vergnügungen, welche
mit der Besiegung einer jeden besondern Classe der Schö-
nen verbunden sey. Die Unwissende und die Erfahrne,

die
[Agath. II. Th.] B

Achtes Buch, zweytes Capitel.
raube, und vergaß auch das Laͤcherliche nicht, welches
er ſich durch eine ſo ſeltſame Laune in den Augen der
Schoͤnen gebe. Seiner Meynung nach ſollte ein Callias
ſich an einer einzigen Eroberung, ſo glaͤnzend ſie auch
immer ſeyn moͤchte, nicht begnuͤgen laſſen; er, dem
ſeine Vorzuͤge das Recht geben, ſeinem Ehrgeiz in die-
ſer Sphaͤre keine Grenzen zu ſezen, und der nur zu er-
ſcheinen brauche um zu ſiegen. Er bewies die Wahr-
heit dieſer Schmeicheley mit den beſondern Anſpruͤchen,
welche einige von den beruͤhmteſten Schoͤnheiten zu
Smyrna auf ihn machten; ſeinem Vorgeben nach, lag
es nur an Agathon, ſeine Eitelkeit, ſeine Neubegier
und ſeinen Hang zum Vergnuͤgen zu gleicher Zeit zu be-
friedigen, und auf eine ſo mannichfaltige Art gluͤklich
zu ſeyn, als ſich die verzaͤrteltſte Einbildung nur im-
mer wuͤnſchen koͤnne.

Agathon hatte auf alle dieſe ſchoͤne Vorſpieglungen
nur Eine Antwort — ſeine Liebe zu Danae. Der
Sophiſt fand ſie unzulaͤnglich. Eben dieſe Urſachen,
welche ſeine Liebe zu Danae hervorgebracht hatten, ſoll-
ten ihn auch fuͤr die Reizungen andrer Schoͤnen empfind-
lich machen. Seiner Meynung nach machte die Ab-
wechſelung der Gegenſtaͤnde das groͤſſeſte Gluͤk der Liebe
aus. Er behauptete dieſen Saz durch eine ſehr leb-
hafte Ausfuͤhrung der beſondern Vergnuͤgungen, welche
mit der Beſiegung einer jeden beſondern Claſſe der Schoͤ-
nen verbunden ſey. Die Unwiſſende und die Erfahrne,

die
[Agath. II. Th.] B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0019" n="17"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achtes Buch, zweytes Capitel.</hi></fw><lb/>
raube, und vergaß auch das La&#x0364;cherliche nicht, welches<lb/>
er &#x017F;ich durch eine &#x017F;o &#x017F;elt&#x017F;ame Laune in den Augen der<lb/>
Scho&#x0364;nen gebe. Seiner Meynung nach &#x017F;ollte ein Callias<lb/>
&#x017F;ich an einer einzigen Eroberung, &#x017F;o gla&#x0364;nzend &#x017F;ie auch<lb/>
immer &#x017F;eyn mo&#x0364;chte, nicht begnu&#x0364;gen la&#x017F;&#x017F;en; er, dem<lb/>
&#x017F;eine Vorzu&#x0364;ge das Recht geben, &#x017F;einem Ehrgeiz in die-<lb/>
&#x017F;er Spha&#x0364;re keine Grenzen zu &#x017F;ezen, und der nur zu er-<lb/>
&#x017F;cheinen brauche um zu &#x017F;iegen. Er bewies die Wahr-<lb/>
heit die&#x017F;er Schmeicheley mit den be&#x017F;ondern An&#x017F;pru&#x0364;chen,<lb/>
welche einige von den beru&#x0364;hmte&#x017F;ten Scho&#x0364;nheiten zu<lb/>
Smyrna auf ihn machten; &#x017F;einem Vorgeben nach, lag<lb/>
es nur an Agathon, &#x017F;eine Eitelkeit, &#x017F;eine Neubegier<lb/>
und &#x017F;einen Hang zum Vergnu&#x0364;gen zu gleicher Zeit zu be-<lb/>
friedigen, und auf eine &#x017F;o mannichfaltige Art glu&#x0364;klich<lb/>
zu &#x017F;eyn, als &#x017F;ich die verza&#x0364;rtelt&#x017F;te Einbildung nur im-<lb/>
mer wu&#x0364;n&#x017F;chen ko&#x0364;nne.</p><lb/>
            <p>Agathon hatte auf alle die&#x017F;e &#x017F;cho&#x0364;ne Vor&#x017F;pieglungen<lb/>
nur Eine Antwort &#x2014; &#x017F;eine Liebe zu Danae. Der<lb/>
Sophi&#x017F;t fand &#x017F;ie unzula&#x0364;nglich. Eben die&#x017F;e Ur&#x017F;achen,<lb/>
welche &#x017F;eine Liebe zu Danae hervorgebracht hatten, &#x017F;oll-<lb/>
ten ihn auch fu&#x0364;r die Reizungen andrer Scho&#x0364;nen empfind-<lb/>
lich machen. Seiner Meynung nach machte die Ab-<lb/>
wech&#x017F;elung der Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde das gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te Glu&#x0364;k der Liebe<lb/>
aus. Er behauptete die&#x017F;en Saz durch eine &#x017F;ehr leb-<lb/>
hafte Ausfu&#x0364;hrung der be&#x017F;ondern Vergnu&#x0364;gungen, welche<lb/>
mit der Be&#x017F;iegung einer jeden be&#x017F;ondern Cla&#x017F;&#x017F;e der Scho&#x0364;-<lb/>
nen verbunden &#x017F;ey. Die Unwi&#x017F;&#x017F;ende und die Erfahrne,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">[Agath. <hi rendition="#aq">II.</hi> Th.] B</fw><fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0019] Achtes Buch, zweytes Capitel. raube, und vergaß auch das Laͤcherliche nicht, welches er ſich durch eine ſo ſeltſame Laune in den Augen der Schoͤnen gebe. Seiner Meynung nach ſollte ein Callias ſich an einer einzigen Eroberung, ſo glaͤnzend ſie auch immer ſeyn moͤchte, nicht begnuͤgen laſſen; er, dem ſeine Vorzuͤge das Recht geben, ſeinem Ehrgeiz in die- ſer Sphaͤre keine Grenzen zu ſezen, und der nur zu er- ſcheinen brauche um zu ſiegen. Er bewies die Wahr- heit dieſer Schmeicheley mit den beſondern Anſpruͤchen, welche einige von den beruͤhmteſten Schoͤnheiten zu Smyrna auf ihn machten; ſeinem Vorgeben nach, lag es nur an Agathon, ſeine Eitelkeit, ſeine Neubegier und ſeinen Hang zum Vergnuͤgen zu gleicher Zeit zu be- friedigen, und auf eine ſo mannichfaltige Art gluͤklich zu ſeyn, als ſich die verzaͤrteltſte Einbildung nur im- mer wuͤnſchen koͤnne. Agathon hatte auf alle dieſe ſchoͤne Vorſpieglungen nur Eine Antwort — ſeine Liebe zu Danae. Der Sophiſt fand ſie unzulaͤnglich. Eben dieſe Urſachen, welche ſeine Liebe zu Danae hervorgebracht hatten, ſoll- ten ihn auch fuͤr die Reizungen andrer Schoͤnen empfind- lich machen. Seiner Meynung nach machte die Ab- wechſelung der Gegenſtaͤnde das groͤſſeſte Gluͤk der Liebe aus. Er behauptete dieſen Saz durch eine ſehr leb- hafte Ausfuͤhrung der beſondern Vergnuͤgungen, welche mit der Beſiegung einer jeden beſondern Claſſe der Schoͤ- nen verbunden ſey. Die Unwiſſende und die Erfahrne, die [Agath. II. Th.] B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/19
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/19>, abgerufen am 24.11.2024.