Nur einen Umstand können wir nicht vorbeygehen, weil er einen merklichen Einfluß in die folgende Bege- benheiten unsers Helden hatte. Dionys befand sich, als Agathon an seinen Hof kam, in einen Krieg mit den Carthaginensern verwikelt, welche durch verschiedene kleine Republiken des südlichen und westlichen Theils von Sicilien unterstüzt, unter dem Schein sie gegen die Uebermacht von Syracus zu schüzen, sich der innerli- chen Zwietracht der Sicilianer, als einer guten Gele- genheit bedienen wollten, diese für ihre Handlungs-Ab- sichten unendlich vortheilhaft gelegene Jnsel in ihre Ge- walt zu bringen. Einige von diesen kleinen Republiken wurden von so genannten Tyrannen beherrscht; und diese hatten sich bereits in die Arme der Carthaginen- ser geworfen; die andren hatten sich bisher noch in ei- ner Art von Freyheit erhalten, und schwankten, zwi- schen der Furcht von Dionysen überwältiget zu werden, und dem Mißtrauen in die Absichten ihrer anmaßlichen Beschüzer, in einem Gleichgewicht, welches alle Augen- blike auf die Seite der leztern überzuziehen drohte. Timocrates dem Dionys die oberste Befehlhabers-Stelle in diesem Kriege anvertraute, hatte sich bereits durch einige Vortheile über die Feinde den oft wolfeilen Ruhm eines guten Generals erworben; aber mehr darauf be- dacht, bey dieser Gelegenheit Lorbeern und Reichthümer zu sammeln, als das wahre Jnteresse seines Prinzen zu besorgen, hatte er das Feuer der innerlichen Unruhen Siciliens mehr ausgebreitet als gedämpft, und durch seine Aufführung sich bey denenjenigen, welche noch
keine
[Agath. II. Th.] O
Zehentes Buch, erſtes Capitel.
Nur einen Umſtand koͤnnen wir nicht vorbeygehen, weil er einen merklichen Einfluß in die folgende Bege- benheiten unſers Helden hatte. Dionys befand ſich, als Agathon an ſeinen Hof kam, in einen Krieg mit den Carthaginenſern verwikelt, welche durch verſchiedene kleine Republiken des ſuͤdlichen und weſtlichen Theils von Sicilien unterſtuͤzt, unter dem Schein ſie gegen die Uebermacht von Syracus zu ſchuͤzen, ſich der innerli- chen Zwietracht der Sicilianer, als einer guten Gele- genheit bedienen wollten, dieſe fuͤr ihre Handlungs-Ab- ſichten unendlich vortheilhaft gelegene Jnſel in ihre Ge- walt zu bringen. Einige von dieſen kleinen Republiken wurden von ſo genannten Tyrannen beherrſcht; und dieſe hatten ſich bereits in die Arme der Carthaginen- ſer geworfen; die andren hatten ſich bisher noch in ei- ner Art von Freyheit erhalten, und ſchwankten, zwi- ſchen der Furcht von Dionyſen uͤberwaͤltiget zu werden, und dem Mißtrauen in die Abſichten ihrer anmaßlichen Beſchuͤzer, in einem Gleichgewicht, welches alle Augen- blike auf die Seite der leztern uͤberzuziehen drohte. Timocrates dem Dionys die oberſte Befehlhabers-Stelle in dieſem Kriege anvertraute, hatte ſich bereits durch einige Vortheile uͤber die Feinde den oft wolfeilen Ruhm eines guten Generals erworben; aber mehr darauf be- dacht, bey dieſer Gelegenheit Lorbeern und Reichthuͤmer zu ſammeln, als das wahre Jntereſſe ſeines Prinzen zu beſorgen, hatte er das Feuer der innerlichen Unruhen Siciliens mehr ausgebreitet als gedaͤmpft, und durch ſeine Auffuͤhrung ſich bey denenjenigen, welche noch
keine
[Agath. II. Th.] O
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0211"n="209"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Zehentes Buch, erſtes Capitel.</hi></fw><lb/><p>Nur einen Umſtand koͤnnen wir nicht vorbeygehen,<lb/>
weil er einen merklichen Einfluß in die folgende Bege-<lb/>
benheiten unſers Helden hatte. Dionys befand ſich,<lb/>
als Agathon an ſeinen Hof kam, in einen Krieg mit<lb/>
den Carthaginenſern verwikelt, welche durch verſchiedene<lb/>
kleine Republiken des ſuͤdlichen und weſtlichen Theils von<lb/>
Sicilien unterſtuͤzt, unter dem Schein ſie gegen die<lb/>
Uebermacht von Syracus zu ſchuͤzen, ſich der innerli-<lb/>
chen Zwietracht der Sicilianer, als einer guten Gele-<lb/>
genheit bedienen wollten, dieſe fuͤr ihre Handlungs-Ab-<lb/>ſichten unendlich vortheilhaft gelegene Jnſel in ihre Ge-<lb/>
walt zu bringen. Einige von dieſen kleinen Republiken<lb/>
wurden von ſo genannten Tyrannen beherrſcht; und<lb/>
dieſe hatten ſich bereits in die Arme der Carthaginen-<lb/>ſer geworfen; die andren hatten ſich bisher noch in ei-<lb/>
ner Art von Freyheit erhalten, und ſchwankten, zwi-<lb/>ſchen der Furcht von Dionyſen uͤberwaͤltiget zu werden,<lb/>
und dem Mißtrauen in die Abſichten ihrer anmaßlichen<lb/>
Beſchuͤzer, in einem Gleichgewicht, welches alle Augen-<lb/>
blike auf die Seite der leztern uͤberzuziehen drohte.<lb/>
Timocrates dem Dionys die oberſte Befehlhabers-Stelle<lb/>
in dieſem Kriege anvertraute, hatte ſich bereits durch<lb/>
einige Vortheile uͤber die Feinde den oft wolfeilen Ruhm<lb/>
eines guten Generals erworben; aber mehr darauf be-<lb/>
dacht, bey dieſer Gelegenheit Lorbeern und Reichthuͤmer<lb/>
zu ſammeln, als das wahre Jntereſſe ſeines Prinzen zu<lb/>
beſorgen, hatte er das Feuer der innerlichen Unruhen<lb/>
Siciliens mehr ausgebreitet als gedaͤmpft, und durch<lb/>ſeine Auffuͤhrung ſich bey denenjenigen, welche noch<lb/><fwplace="bottom"type="sig">[Agath. <hirendition="#aq">II.</hi> Th.] O</fw><fwplace="bottom"type="catch">keine</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[209/0211]
Zehentes Buch, erſtes Capitel.
Nur einen Umſtand koͤnnen wir nicht vorbeygehen,
weil er einen merklichen Einfluß in die folgende Bege-
benheiten unſers Helden hatte. Dionys befand ſich,
als Agathon an ſeinen Hof kam, in einen Krieg mit
den Carthaginenſern verwikelt, welche durch verſchiedene
kleine Republiken des ſuͤdlichen und weſtlichen Theils von
Sicilien unterſtuͤzt, unter dem Schein ſie gegen die
Uebermacht von Syracus zu ſchuͤzen, ſich der innerli-
chen Zwietracht der Sicilianer, als einer guten Gele-
genheit bedienen wollten, dieſe fuͤr ihre Handlungs-Ab-
ſichten unendlich vortheilhaft gelegene Jnſel in ihre Ge-
walt zu bringen. Einige von dieſen kleinen Republiken
wurden von ſo genannten Tyrannen beherrſcht; und
dieſe hatten ſich bereits in die Arme der Carthaginen-
ſer geworfen; die andren hatten ſich bisher noch in ei-
ner Art von Freyheit erhalten, und ſchwankten, zwi-
ſchen der Furcht von Dionyſen uͤberwaͤltiget zu werden,
und dem Mißtrauen in die Abſichten ihrer anmaßlichen
Beſchuͤzer, in einem Gleichgewicht, welches alle Augen-
blike auf die Seite der leztern uͤberzuziehen drohte.
Timocrates dem Dionys die oberſte Befehlhabers-Stelle
in dieſem Kriege anvertraute, hatte ſich bereits durch
einige Vortheile uͤber die Feinde den oft wolfeilen Ruhm
eines guten Generals erworben; aber mehr darauf be-
dacht, bey dieſer Gelegenheit Lorbeern und Reichthuͤmer
zu ſammeln, als das wahre Jntereſſe ſeines Prinzen zu
beſorgen, hatte er das Feuer der innerlichen Unruhen
Siciliens mehr ausgebreitet als gedaͤmpft, und durch
ſeine Auffuͤhrung ſich bey denenjenigen, welche noch
keine
[Agath. II. Th.] O
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/211>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.