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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
an ein Land binden, das durch meine Wahl, und die
Dienste, die ich ihm geleistet habe, mein zweytes Va-
terland worden ist? -- Wer ist denn dieser Dionys?
Was für ein Recht hat er an die höchste Gewalt, der
er sich anmaßt? Wem anders als dem Agathon hat er
das einzige Recht zu danken, worauf er sich mit eini-
gem Schein beruffen kan? Seit wenn ist er aus einem
von aller Welt verabscheueten Tyrannen ein König ge-
worden, als seit dem ich ihm durch eine gerechte und
wolthätige Regierung die Liebe des Volks! zugewandt
habe? Er ließ mich arbeiten; er verbarg seine Laster
hinter meine Tugenden; eignete sich meine Verdienste
zu, und genoß die Früchte davon, der Undankbare! --
und nun, da er sich stark genug glaubt, mich entbehren
zu können, überläßt er sich wieder seinem eigenen Cha-
racter, und fängt damit an, alles Gute das ich in sei-
nem Namen gethan habe, wieder zu vernichten; gleich
als ob er sich schäme, eine Zeitlang aus seinem Cha-
racter getreten zu seyn, und als ob er nicht genug ei-
len könne, die ganze Welt zu belehren, daß es Agathon,
nicht Dionys gewesen sey, der den Sicilianern eine
Morgenröthe bessrer Zeiten gezeigt, und Hofnung ge-
macht, sich von den Mißhandlungen einer Reyhe schlim-
mer Regenten wieder zu erholen. Was würd' ich
also seyn, wenn ich sie in solchen Umständen verlassen
wollte, wo sie meiner mehr als jemals benöthiget sind?
Nein -- Dionys hat Beweise genug gegeben, daß er
unverbesserlich ist, und durch die Nachsicht gegen seine
Laster nur in der lächerlichen Einbildung bestärkt wird,

daß

Agathon.
an ein Land binden, das durch meine Wahl, und die
Dienſte, die ich ihm geleiſtet habe, mein zweytes Va-
terland worden iſt? ‒‒ Wer iſt denn dieſer Dionys?
Was fuͤr ein Recht hat er an die hoͤchſte Gewalt, der
er ſich anmaßt? Wem anders als dem Agathon hat er
das einzige Recht zu danken, worauf er ſich mit eini-
gem Schein beruffen kan? Seit wenn iſt er aus einem
von aller Welt verabſcheueten Tyrannen ein Koͤnig ge-
worden, als ſeit dem ich ihm durch eine gerechte und
wolthaͤtige Regierung die Liebe des Volks! zugewandt
habe? Er ließ mich arbeiten; er verbarg ſeine Laſter
hinter meine Tugenden; eignete ſich meine Verdienſte
zu, und genoß die Fruͤchte davon, der Undankbare! ‒‒
und nun, da er ſich ſtark genug glaubt, mich entbehren
zu koͤnnen, uͤberlaͤßt er ſich wieder ſeinem eigenen Cha-
racter, und faͤngt damit an, alles Gute das ich in ſei-
nem Namen gethan habe, wieder zu vernichten; gleich
als ob er ſich ſchaͤme, eine Zeitlang aus ſeinem Cha-
racter getreten zu ſeyn, und als ob er nicht genug ei-
len koͤnne, die ganze Welt zu belehren, daß es Agathon,
nicht Dionys geweſen ſey, der den Sicilianern eine
Morgenroͤthe beſſrer Zeiten gezeigt, und Hofnung ge-
macht, ſich von den Mißhandlungen einer Reyhe ſchlim-
mer Regenten wieder zu erholen. Was wuͤrd’ ich
alſo ſeyn, wenn ich ſie in ſolchen Umſtaͤnden verlaſſen
wollte, wo ſie meiner mehr als jemals benoͤthiget ſind?
Nein ‒‒ Dionys hat Beweiſe genug gegeben, daß er
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[250/0252] Agathon. an ein Land binden, das durch meine Wahl, und die Dienſte, die ich ihm geleiſtet habe, mein zweytes Va- terland worden iſt? ‒‒ Wer iſt denn dieſer Dionys? Was fuͤr ein Recht hat er an die hoͤchſte Gewalt, der er ſich anmaßt? Wem anders als dem Agathon hat er das einzige Recht zu danken, worauf er ſich mit eini- gem Schein beruffen kan? Seit wenn iſt er aus einem von aller Welt verabſcheueten Tyrannen ein Koͤnig ge- worden, als ſeit dem ich ihm durch eine gerechte und wolthaͤtige Regierung die Liebe des Volks! zugewandt habe? Er ließ mich arbeiten; er verbarg ſeine Laſter hinter meine Tugenden; eignete ſich meine Verdienſte zu, und genoß die Fruͤchte davon, der Undankbare! ‒‒ und nun, da er ſich ſtark genug glaubt, mich entbehren zu koͤnnen, uͤberlaͤßt er ſich wieder ſeinem eigenen Cha- racter, und faͤngt damit an, alles Gute das ich in ſei- nem Namen gethan habe, wieder zu vernichten; gleich als ob er ſich ſchaͤme, eine Zeitlang aus ſeinem Cha- racter getreten zu ſeyn, und als ob er nicht genug ei- len koͤnne, die ganze Welt zu belehren, daß es Agathon, nicht Dionys geweſen ſey, der den Sicilianern eine Morgenroͤthe beſſrer Zeiten gezeigt, und Hofnung ge- macht, ſich von den Mißhandlungen einer Reyhe ſchlim- mer Regenten wieder zu erholen. Was wuͤrd’ ich alſo ſeyn, wenn ich ſie in ſolchen Umſtaͤnden verlaſſen wollte, wo ſie meiner mehr als jemals benoͤthiget ſind? Nein ‒‒ Dionys hat Beweiſe genug gegeben, daß er unverbeſſerlich iſt, und durch die Nachſicht gegen ſeine Laſter nur in der laͤcherlichen Einbildung beſtaͤrkt wird, daß

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/252>, abgerufen am 24.11.2024.