Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Agathon. aber scheint uns unser edler gesinnte Verfasser noch eineandre Absicht dabey gehabt zu haben, welche er, ohne sich einer noch grössern Unwahrscheinlichkeit schuldig zu machen, nicht wol anders als durch diese nicht allzu- wahrscheinliche Verbindung glüklicher Umstände, worein er seinen Helden in diesem Buche sezt, erreichen konnte -- Und was für eine Absicht mag das wol seyn? -- Jch will es ihnen unverblümt und ohne Umschweiffe sagen, meine Herren und Damen, ob ich gleich besorgen muß, daß die ungewöhnliche Offenherzigkeit, welche ich ihnen in dem ganzen Lauffe dieses Werkes habe sehen lassen, mir von einem oder dem andern aus ihrem Mittel übel aufgenommen werden möchte -- Unser Verfasser wollte dem Vorwurf ausweichen, welchen Horaz gleichnißweise in dem bekannten Verse -- Amphora coepit denjenigen Dichtern macht, in deren Werken das Ende einem
Agathon. aber ſcheint uns unſer edler geſinnte Verfaſſer noch eineandre Abſicht dabey gehabt zu haben, welche er, ohne ſich einer noch groͤſſern Unwahrſcheinlichkeit ſchuldig zu machen, nicht wol anders als durch dieſe nicht allzu- wahrſcheinliche Verbindung gluͤklicher Umſtaͤnde, worein er ſeinen Helden in dieſem Buche ſezt, erreichen konnte ‒‒ Und was fuͤr eine Abſicht mag das wol ſeyn? ‒‒ Jch will es ihnen unverbluͤmt und ohne Umſchweiffe ſagen, meine Herren und Damen, ob ich gleich beſorgen muß, daß die ungewoͤhnliche Offenherzigkeit, welche ich ihnen in dem ganzen Lauffe dieſes Werkes habe ſehen laſſen, mir von einem oder dem andern aus ihrem Mittel uͤbel aufgenommen werden moͤchte ‒‒ Unſer Verfaſſer wollte dem Vorwurf ausweichen, welchen Horaz gleichnißweiſe in dem bekannten Verſe ‒‒ Amphora cœpit denjenigen Dichtern macht, in deren Werken das Ende einem
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Agathon.
aber ſcheint uns unſer edler geſinnte Verfaſſer noch eine
andre Abſicht dabey gehabt zu haben, welche er, ohne
ſich einer noch groͤſſern Unwahrſcheinlichkeit ſchuldig zu
machen, nicht wol anders als durch dieſe nicht allzu-
wahrſcheinliche Verbindung gluͤklicher Umſtaͤnde, worein
er ſeinen Helden in dieſem Buche ſezt, erreichen konnte ‒‒
Und was fuͤr eine Abſicht mag das wol ſeyn? ‒‒ Jch
will es ihnen unverbluͤmt und ohne Umſchweiffe ſagen,
meine Herren und Damen, ob ich gleich beſorgen muß,
daß die ungewoͤhnliche Offenherzigkeit, welche ich ihnen
in dem ganzen Lauffe dieſes Werkes habe ſehen laſſen,
mir von einem oder dem andern aus ihrem Mittel uͤbel
aufgenommen werden moͤchte ‒‒ Unſer Verfaſſer wollte
dem Vorwurf ausweichen, welchen Horaz gleichnißweiſe
in dem bekannten Verſe ‒‒
Amphora cœpit
Inſtitui ‒‒ currente rotâ cur urceus exit? ‒‒
denjenigen Dichtern macht, in deren Werken das Ende
ſich nicht zu dem Anfang ſchikt. Er wollte in ſeinem
Helden, deſſen Jugend und erſte Auftritte in der Welt
ſo groſſe Hofnungen erwekt hatten, nachdem er ihn
durch ſo viele verſchiedene Umſtaͤnde gefuͤhrt, als er fuͤr
noͤthig hielt ſeine Tugend zu pruͤfen, zu laͤutern und
zu der gehoͤrigen Conſiſtenz zu bringen, am Ende einen
ſo weiſen und tugendhaften Mann darſtellen, als man
nur immer unter der Sonne zu ſehen wuͤnſchen, oder
nach Geſtalt der Sachen, erwarten koͤnnte. Der Enthu-
ſiaſmus, der die eigentliche Anlage ſeines Helden zu
einem
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