Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Achtes Buch, viertes Capitel. an -- Findet ihr eine Aspasia, eine Leontium,eine Ninon -- so bewerbet euch um ihre Gunst, und, wenn ihr könnt, um ihre Freundschaft. Die Vor- theile, die ihr daraus für euern Kopf, für euern Ge- schmak, für eure Sitten -- ja, meine Herren, für eure Sitten, und selbst für die Pflichten eurer Be- stimmung, von einer solchen Verbindung ziehen werdet, werden euch für die Mühe belohnen -- Gut! Aspa- sien! Ninons! die müßten wir im ganzen Europa aufsuchen -- Das rathen wir euch nicht; die Rede ist nur von dem Falle, wenn ihr sie findet -- Aber, wenn wir keine sinden? -- So suchet die vernünftigste, tugendhafteste und liebenswürdigste Frau auf, die ihr finden könnet -- Hier erlauben wir euch zu suchen, nur nicht (um euch einen Umweg zu ersparen) unter den Schönsten; ist sie liebenswürdig, so wird sie euch desto stärker einnehmen; ist sie tugend- haft, so wird sie euch nicht verführen; ist sie klug, so wird sie sich von euch nicht verführen lassen. Jhr könnet sie also ohne Gefahr lieben -- Aber dabey fin- den wir unsre Rechnung nicht; die Frage ist, wie wir uns von ihr lieben machen -- Allerdings, das wird die Kunst seyn; der Versuch ist euch wenig- stens erlaubt; und wir stehen euch dafür, wenn sie und ihr jedes das seinige thut, so werdet ihr euern Roman zehen Jahre durch in einer immer nähernden Linie fort führen, ohne daß ihr dem Mittelpunct näher seyn werdet als anfangs -- Und das ist alles, was wir euch sagen wollten. Fünftes
Achtes Buch, viertes Capitel. an — Findet ihr eine Aſpaſia, eine Leontium,eine Ninon — ſo bewerbet euch um ihre Gunſt, und, wenn ihr koͤnnt, um ihre Freundſchaft. Die Vor- theile, die ihr daraus fuͤr euern Kopf, fuͤr euern Ge- ſchmak, fuͤr eure Sitten — ja, meine Herren, fuͤr eure Sitten, und ſelbſt fuͤr die Pflichten eurer Be- ſtimmung, von einer ſolchen Verbindung ziehen werdet, werden euch fuͤr die Muͤhe belohnen — Gut! Aſpa- ſien! Ninons! die muͤßten wir im ganzen Europa aufſuchen — Das rathen wir euch nicht; die Rede iſt nur von dem Falle, wenn ihr ſie findet — Aber, wenn wir keine ſinden? — So ſuchet die vernuͤnftigſte, tugendhafteſte und liebenswuͤrdigſte Frau auf, die ihr finden koͤnnet — Hier erlauben wir euch zu ſuchen, nur nicht (um euch einen Umweg zu erſparen) unter den Schoͤnſten; iſt ſie liebenswuͤrdig, ſo wird ſie euch deſto ſtaͤrker einnehmen; iſt ſie tugend- haft, ſo wird ſie euch nicht verfuͤhren; iſt ſie klug, ſo wird ſie ſich von euch nicht verfuͤhren laſſen. Jhr koͤnnet ſie alſo ohne Gefahr lieben — Aber dabey fin- den wir unſre Rechnung nicht; die Frage iſt, wie wir uns von ihr lieben machen — Allerdings, das wird die Kunſt ſeyn; der Verſuch iſt euch wenig- ſtens erlaubt; und wir ſtehen euch dafuͤr, wenn ſie und ihr jedes das ſeinige thut, ſo werdet ihr euern Roman zehen Jahre durch in einer immer naͤhernden Linie fort fuͤhren, ohne daß ihr dem Mittelpunct naͤher ſeyn werdet als anfangs — Und das iſt alles, was wir euch ſagen wollten. Fuͤnftes
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Achtes Buch, viertes Capitel.
an — Findet ihr eine Aſpaſia, eine Leontium,
eine Ninon — ſo bewerbet euch um ihre Gunſt,
und, wenn ihr koͤnnt, um ihre Freundſchaft. Die Vor-
theile, die ihr daraus fuͤr euern Kopf, fuͤr euern Ge-
ſchmak, fuͤr eure Sitten — ja, meine Herren,
fuͤr eure Sitten, und ſelbſt fuͤr die Pflichten eurer Be-
ſtimmung, von einer ſolchen Verbindung ziehen werdet,
werden euch fuͤr die Muͤhe belohnen — Gut! Aſpa-
ſien! Ninons! die muͤßten wir im ganzen Europa
aufſuchen — Das rathen wir euch nicht; die Rede
iſt nur von dem Falle, wenn ihr ſie findet —
Aber, wenn wir keine ſinden? — So ſuchet
die vernuͤnftigſte, tugendhafteſte und liebenswuͤrdigſte
Frau auf, die ihr finden koͤnnet — Hier erlauben
wir euch zu ſuchen, nur nicht (um euch einen Umweg
zu erſparen) unter den Schoͤnſten; iſt ſie liebenswuͤrdig,
ſo wird ſie euch deſto ſtaͤrker einnehmen; iſt ſie tugend-
haft, ſo wird ſie euch nicht verfuͤhren; iſt ſie klug, ſo
wird ſie ſich von euch nicht verfuͤhren laſſen. Jhr koͤnnet
ſie alſo ohne Gefahr lieben — Aber dabey fin-
den wir unſre Rechnung nicht; die Frage iſt, wie
wir uns von ihr lieben machen — Allerdings,
das wird die Kunſt ſeyn; der Verſuch iſt euch wenig-
ſtens erlaubt; und wir ſtehen euch dafuͤr, wenn ſie
und ihr jedes das ſeinige thut, ſo werdet ihr euern
Roman zehen Jahre durch in einer immer naͤhernden
Linie fort fuͤhren, ohne daß ihr dem Mittelpunct naͤher
ſeyn werdet als anfangs — Und das iſt alles, was
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