Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Achtes Buch, sechstes Capitel. keit hineinzusenken; ein andermal kein reizenderes Ge-mählde einer beneidenswürdigen Wonne, als den jun- gen Bacchus, wie er, sein Epheu-bekränztes Haupt in den Schoos der schönsten Nymphe zurükgelehnt, und mit dem einen Arm ihre blendenden Hüften umfassend, den andern nach der düftenden Trinkschaale ausstrekt, die sie ihm lächelnd voll Nectars schenkt, von ihren eignen schönen Händen aus strozenden Trauben frisch aus- gepreßt; indeß die Faunen und die fröhlichen Nymphen mit den Liebes-Göttern muthwillig um ihn her hüpfen, oder durch Rosengebüsche sich jagen, oder müde von ihren Scherzen, in stillen Grotten zu neuen Scherzen ausruhen. Der Schluß, den er aus allen diesen Betrachtungen, Unter-
Achtes Buch, ſechstes Capitel. keit hineinzuſenken; ein andermal kein reizenderes Ge-maͤhlde einer beneidenswuͤrdigen Wonne, als den jun- gen Bacchus, wie er, ſein Epheu-bekraͤnztes Haupt in den Schoos der ſchoͤnſten Nymphe zuruͤkgelehnt, und mit dem einen Arm ihre blendenden Huͤften umfaſſend, den andern nach der duͤftenden Trinkſchaale ausſtrekt, die ſie ihm laͤchelnd voll Nectars ſchenkt, von ihren eignen ſchoͤnen Haͤnden aus ſtrozenden Trauben friſch aus- gepreßt; indeß die Faunen und die froͤhlichen Nymphen mit den Liebes-Goͤttern muthwillig um ihn her huͤpfen, oder durch Roſengebuͤſche ſich jagen, oder muͤde von ihren Scherzen, in ſtillen Grotten zu neuen Scherzen ausruhen. Der Schluß, den er aus allen dieſen Betrachtungen, Unter-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0065" n="63"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achtes Buch, ſechstes Capitel.</hi></fw><lb/> keit hineinzuſenken; ein andermal kein reizenderes Ge-<lb/> maͤhlde einer beneidenswuͤrdigen Wonne, als den jun-<lb/> gen Bacchus, wie er, ſein Epheu-bekraͤnztes Haupt in<lb/> den Schoos der ſchoͤnſten Nymphe zuruͤkgelehnt, und<lb/> mit dem einen Arm ihre blendenden Huͤften umfaſſend,<lb/> den andern nach der duͤftenden Trinkſchaale ausſtrekt,<lb/> die ſie ihm laͤchelnd voll Nectars ſchenkt, von ihren<lb/> eignen ſchoͤnen Haͤnden aus ſtrozenden Trauben friſch aus-<lb/> gepreßt; indeß die Faunen und die froͤhlichen Nymphen<lb/> mit den Liebes-Goͤttern muthwillig um ihn her huͤpfen,<lb/> oder durch Roſengebuͤſche ſich jagen, oder muͤde von<lb/> ihren Scherzen, in ſtillen Grotten zu neuen Scherzen<lb/> ausruhen.</p><lb/> <p>Der Schluß, den er aus allen dieſen Betrachtungen,<lb/> und einer Menge andrer, womit wir unſre Leſer ver-<lb/> ſchonen wollen, zog, war dieſer: Daß die erhabnen<lb/> Lehrſaͤze der Zoroaſtriſchen und Orphiſchen Theoſophie,<lb/> wahrſcheinlicher Weiſe (denn gewiß getraute er ſich uͤber<lb/> dieſen Punct noch nichts zu behaubten) nicht viel mehr<lb/> Nealitaͤt haben koͤnnten, als die lachenden Bilder, unter<lb/> welchen die Mahler und Dichter die Wolluͤſte der Sin-<lb/> nen vergoͤttert hatten; daß die erſten zwar der Tugend<lb/> guͤnſtiger, und das Gemuͤthe zu einer mehr als menſch-<lb/> lichen Hoheit, Reinigkeit und Staͤrke zu erheben ſchie-<lb/> nen, in der That aber der wahren Beſtimmung des Men-<lb/> ſchen wol eben ſo nachtheilig ſeyn durften, als die lez-<lb/> tern; theils, weil es ein widerſinniges und vergebliches<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Unter-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [63/0065]
Achtes Buch, ſechstes Capitel.
keit hineinzuſenken; ein andermal kein reizenderes Ge-
maͤhlde einer beneidenswuͤrdigen Wonne, als den jun-
gen Bacchus, wie er, ſein Epheu-bekraͤnztes Haupt in
den Schoos der ſchoͤnſten Nymphe zuruͤkgelehnt, und
mit dem einen Arm ihre blendenden Huͤften umfaſſend,
den andern nach der duͤftenden Trinkſchaale ausſtrekt,
die ſie ihm laͤchelnd voll Nectars ſchenkt, von ihren
eignen ſchoͤnen Haͤnden aus ſtrozenden Trauben friſch aus-
gepreßt; indeß die Faunen und die froͤhlichen Nymphen
mit den Liebes-Goͤttern muthwillig um ihn her huͤpfen,
oder durch Roſengebuͤſche ſich jagen, oder muͤde von
ihren Scherzen, in ſtillen Grotten zu neuen Scherzen
ausruhen.
Der Schluß, den er aus allen dieſen Betrachtungen,
und einer Menge andrer, womit wir unſre Leſer ver-
ſchonen wollen, zog, war dieſer: Daß die erhabnen
Lehrſaͤze der Zoroaſtriſchen und Orphiſchen Theoſophie,
wahrſcheinlicher Weiſe (denn gewiß getraute er ſich uͤber
dieſen Punct noch nichts zu behaubten) nicht viel mehr
Nealitaͤt haben koͤnnten, als die lachenden Bilder, unter
welchen die Mahler und Dichter die Wolluͤſte der Sin-
nen vergoͤttert hatten; daß die erſten zwar der Tugend
guͤnſtiger, und das Gemuͤthe zu einer mehr als menſch-
lichen Hoheit, Reinigkeit und Staͤrke zu erheben ſchie-
nen, in der That aber der wahren Beſtimmung des Men-
ſchen wol eben ſo nachtheilig ſeyn durften, als die lez-
tern; theils, weil es ein widerſinniges und vergebliches
Unter-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |