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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Achtes Buch, stebentes Capitel.
serm kleinen Horizont, unter andern Himmelsstrichen
und zu andern Zeiten gedacht und gelebt hat --- "Und
wozu sollte das gut sein können? " --- Vergebung, Herr
Theogiton! das sollten Sie wissen, da Sie davon Pro-
fession machen, die Menschen zu verbessern; und das
hätten Sie, nehmen Sie's nicht übel, vorher lernen
sollen, ehe Sie Sich unterfangen hätten, einen Beruf
zu übernehmen, worinn es so leicht ist, ein Pfuscher zu
seyn --- Doch genug; Sie sollen hören, warum diese
kleine Abschweiffung nothwendig war. Es ist hier
darum zu thun, den Agathon zu schildern; ein wenig
genauer und richtiger zu schildern, als es ordentlicher
Weise in den Personalien einer Leichenpredigt geschieht ---
Sie schütteln den Kopf, Herr Theogiton --- beruhigen
Sie Sich; man mahlt solche Schildereyen weder für
Sie, noch für die guten Seelen, welche sich unter Jhre
Direction begeben haben; Sie müssen ja den Agathon
nicht lesen; und, die Wahrheit zu sagen, Sie würden
wol thun gar nicht zu lesen, was Sie nicht zu verstehen
fähig sind --- Aber Sie sollen glauben daß es sehr viele
ehrliche Leute giebt, die nicht unter Jhrer Direction
stehen, und einige von diesen werden den Agathon lesen,
werden alles in dem natürlichen, wahren Lichte sehen,
worinn ungefälschte, gesunde Augen zu sehen pflegen,
und werden sich --- seufzen Sie immer soviel Sie wol-
len --- daraus erbauen. Für diese also haben wir uns
anheischig gemacht, den Agathon, als eine moralische
Person betrachtet, zu schildern. Es ist hier um eine
Seelen-Mahlerey zu thun -- Sie lächeln, mein Herr? --

Nicht

Achtes Buch, ſtebentes Capitel.
ſerm kleinen Horizont, unter andern Himmelsſtrichen
und zu andern Zeiten gedacht und gelebt hat ‒‒‒ „Und
wozu ſollte das gut ſein koͤnnen? „ ‒‒‒ Vergebung, Herr
Theogiton! das ſollten Sie wiſſen, da Sie davon Pro-
feſſion machen, die Menſchen zu verbeſſern; und das
haͤtten Sie, nehmen Sie’s nicht uͤbel, vorher lernen
ſollen, ehe Sie Sich unterfangen haͤtten, einen Beruf
zu uͤbernehmen, worinn es ſo leicht iſt, ein Pfuſcher zu
ſeyn ‒‒‒ Doch genug; Sie ſollen hoͤren, warum dieſe
kleine Abſchweiffung nothwendig war. Es iſt hier
darum zu thun, den Agathon zu ſchildern; ein wenig
genauer und richtiger zu ſchildern, als es ordentlicher
Weiſe in den Perſonalien einer Leichenpredigt geſchieht ‒‒‒
Sie ſchuͤtteln den Kopf, Herr Theogiton ‒‒‒ beruhigen
Sie Sich; man mahlt ſolche Schildereyen weder fuͤr
Sie, noch fuͤr die guten Seelen, welche ſich unter Jhre
Direction begeben haben; Sie muͤſſen ja den Agathon
nicht leſen; und, die Wahrheit zu ſagen, Sie wuͤrden
wol thun gar nicht zu leſen, was Sie nicht zu verſtehen
faͤhig ſind ‒‒‒ Aber Sie ſollen glauben daß es ſehr viele
ehrliche Leute giebt, die nicht unter Jhrer Direction
ſtehen, und einige von dieſen werden den Agathon leſen,
werden alles in dem natuͤrlichen, wahren Lichte ſehen,
worinn ungefaͤlſchte, geſunde Augen zu ſehen pflegen,
und werden ſich ‒‒‒ ſeufzen Sie immer ſoviel Sie wol-
len ‒‒‒ daraus erbauen. Fuͤr dieſe alſo haben wir uns
anheiſchig gemacht, den Agathon, als eine moraliſche
Perſon betrachtet, zu ſchildern. Es iſt hier um eine
Seelen-Mahlerey zu thun ‒‒ Sie laͤcheln, mein Herr? ‒‒

Nicht
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[79/0081] Achtes Buch, ſtebentes Capitel. ſerm kleinen Horizont, unter andern Himmelsſtrichen und zu andern Zeiten gedacht und gelebt hat ‒‒‒ „Und wozu ſollte das gut ſein koͤnnen? „ ‒‒‒ Vergebung, Herr Theogiton! das ſollten Sie wiſſen, da Sie davon Pro- feſſion machen, die Menſchen zu verbeſſern; und das haͤtten Sie, nehmen Sie’s nicht uͤbel, vorher lernen ſollen, ehe Sie Sich unterfangen haͤtten, einen Beruf zu uͤbernehmen, worinn es ſo leicht iſt, ein Pfuſcher zu ſeyn ‒‒‒ Doch genug; Sie ſollen hoͤren, warum dieſe kleine Abſchweiffung nothwendig war. Es iſt hier darum zu thun, den Agathon zu ſchildern; ein wenig genauer und richtiger zu ſchildern, als es ordentlicher Weiſe in den Perſonalien einer Leichenpredigt geſchieht ‒‒‒ Sie ſchuͤtteln den Kopf, Herr Theogiton ‒‒‒ beruhigen Sie Sich; man mahlt ſolche Schildereyen weder fuͤr Sie, noch fuͤr die guten Seelen, welche ſich unter Jhre Direction begeben haben; Sie muͤſſen ja den Agathon nicht leſen; und, die Wahrheit zu ſagen, Sie wuͤrden wol thun gar nicht zu leſen, was Sie nicht zu verſtehen faͤhig ſind ‒‒‒ Aber Sie ſollen glauben daß es ſehr viele ehrliche Leute giebt, die nicht unter Jhrer Direction ſtehen, und einige von dieſen werden den Agathon leſen, werden alles in dem natuͤrlichen, wahren Lichte ſehen, worinn ungefaͤlſchte, geſunde Augen zu ſehen pflegen, und werden ſich ‒‒‒ ſeufzen Sie immer ſoviel Sie wol- len ‒‒‒ daraus erbauen. Fuͤr dieſe alſo haben wir uns anheiſchig gemacht, den Agathon, als eine moraliſche Perſon betrachtet, zu ſchildern. Es iſt hier um eine Seelen-Mahlerey zu thun ‒‒ Sie laͤcheln, mein Herr? ‒‒ Nicht

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/81>, abgerufen am 22.11.2024.