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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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33.
Ein großer vorsaal war's, mit sclaven aller farben,
Kombabischen geschlechts, erfüllt,
Die ewig hier am quell der freuden darben,
Und, da ein Mann mit Emirs glanz umhüllt
In ihre holen augen schwillt,
Mit blicken, die in knechtsgefühl erstarben,
Die arme auf die brust ins kreuz gefaltet, stehn,
Und kaum so mutig sind ihm hintennach zu sehn.
34.
Schon tönen cymbeln, trommeln, pfeiffen,
Gesang und saitenspiel vom hochzeitsale her;
Schon nikt des Sultans haupt von weindunst doppelt schwer,
Und freyer schon beginnt die freude auszuschweiffen;
Der Braut allein theilt sich die lust nicht mit,
Die in des Bräutgams augen glühet;
Als, eben da sie starr auf ihren teller siehet,
Herr Hüon in den saal mit edler freyheit tritt.
35.
Er naht der tafel sich, und alle augenbrauen
Ziehn sich erstaunt empor, den Fremden anzuschauen;
Die schöne Rezia, die ihre träume denkt,
Hält auf den teller noch den ernsten blick gesenkt;
Auch der Kalif, den becher just zu leeren
Beschäftigt, läßt sich nichts in seinem opfer stören:
Nur Babekan, den seines nahen falls
Kein guter geist verwarnt, dreht seinen stolzen hals.
36. So-
G 4
33.
Ein großer vorſaal war's, mit ſclaven aller farben,
Kombabiſchen geſchlechts, erfuͤllt,
Die ewig hier am quell der freuden darben,
Und, da ein Mann mit Emirs glanz umhuͤllt
In ihre holen augen ſchwillt,
Mit blicken, die in knechtsgefuͤhl erſtarben,
Die arme auf die bruſt ins kreuz gefaltet, ſtehn,
Und kaum ſo mutig ſind ihm hintennach zu ſehn.
34.
Schon toͤnen cymbeln, trommeln, pfeiffen,
Geſang und ſaitenſpiel vom hochzeitſale her;
Schon nikt des Sultans haupt von weindunſt doppelt ſchwer,
Und freyer ſchon beginnt die freude auszuſchweiffen;
Der Braut allein theilt ſich die luſt nicht mit,
Die in des Braͤutgams augen gluͤhet;
Als, eben da ſie ſtarr auf ihren teller ſiehet,
Herr Huͤon in den ſaal mit edler freyheit tritt.
35.
Er naht der tafel ſich, und alle augenbrauen
Ziehn ſich erſtaunt empor, den Fremden anzuſchauen;
Die ſchoͤne Rezia, die ihre traͤume denkt,
Haͤlt auf den teller noch den ernſten blick geſenkt;
Auch der Kalif, den becher juſt zu leeren
Beſchaͤftigt, laͤßt ſich nichts in ſeinem opfer ſtoͤren:
Nur Babekan, den ſeines nahen falls
Kein guter geiſt verwarnt, dreht ſeinen ſtolzen hals.
36. So-
G 4
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[0109] 33. Ein großer vorſaal war's, mit ſclaven aller farben, Kombabiſchen geſchlechts, erfuͤllt, Die ewig hier am quell der freuden darben, Und, da ein Mann mit Emirs glanz umhuͤllt In ihre holen augen ſchwillt, Mit blicken, die in knechtsgefuͤhl erſtarben, Die arme auf die bruſt ins kreuz gefaltet, ſtehn, Und kaum ſo mutig ſind ihm hintennach zu ſehn. 34. Schon toͤnen cymbeln, trommeln, pfeiffen, Geſang und ſaitenſpiel vom hochzeitſale her; Schon nikt des Sultans haupt von weindunſt doppelt ſchwer, Und freyer ſchon beginnt die freude auszuſchweiffen; Der Braut allein theilt ſich die luſt nicht mit, Die in des Braͤutgams augen gluͤhet; Als, eben da ſie ſtarr auf ihren teller ſiehet, Herr Huͤon in den ſaal mit edler freyheit tritt. 35. Er naht der tafel ſich, und alle augenbrauen Ziehn ſich erſtaunt empor, den Fremden anzuſchauen; Die ſchoͤne Rezia, die ihre traͤume denkt, Haͤlt auf den teller noch den ernſten blick geſenkt; Auch der Kalif, den becher juſt zu leeren Beſchaͤftigt, laͤßt ſich nichts in ſeinem opfer ſtoͤren: Nur Babekan, den ſeines nahen falls Kein guter geiſt verwarnt, dreht ſeinen ſtolzen hals. 36. So- G 4

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/109>, abgerufen am 22.12.2024.