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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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45.
Umsonst! Des Sultans wut und dräun
Nimmt überhand, die Heiden dringen ein.
Der Ritter läßt sein schwert vergebens blitzen,
Noch hält ihm Rezia den arm. Ihr ängstlich schreyn
Durchbort sein herz. Was bleibt ihm sie zu schützen
Noch übrig als sein Horn von elfenbein?
Er sezt es an den mund, und zwingt mit sanftem hauche
Den schönsten ton aus seinem krummen bauche.
46.
Auf einmal fällt der hochgezükte stal
Aus jeder faust; in raschem taumel schlingen
Der Emirn hände sich zu tänzerischen ringen;
Ein lautes Hussa schallt bacchantisch durch den saal,
Und jung und alt, was füße hat, muß springen;
Des Hornes kraft läßt ihnen keine wahl:
Nur Rezia, bestürzt dies wunderwerk zu sehen,
Bestürzt und froh zugleich, bleibt neben Hüon stehen.
47.
Der ganze Divan dreht im kreis
Sich schwindelnd um; die alten Bassen schnalzen
Den takt dazu; und, wie auf glattem eis,
Sieht man den Iman selbst mit einem Hämling walzen.
Noch Stand noch Alter wird gespart;
Sogar der Sultan kann der lust sich nicht erwehren,
Faßt seinen Großwessir beym bart,
Und will den alten kerl noch einen bockssprung lehren.
48. Die
45.
Umſonſt! Des Sultans wut und draͤun
Nimmt uͤberhand, die Heiden dringen ein.
Der Ritter laͤßt ſein ſchwert vergebens blitzen,
Noch haͤlt ihm Rezia den arm. Ihr aͤngſtlich ſchreyn
Durchbort ſein herz. Was bleibt ihm ſie zu ſchuͤtzen
Noch uͤbrig als ſein Horn von elfenbein?
Er ſezt es an den mund, und zwingt mit ſanftem hauche
Den ſchoͤnſten ton aus ſeinem krummen bauche.
46.
Auf einmal faͤllt der hochgezuͤkte ſtal
Aus jeder fauſt; in raſchem taumel ſchlingen
Der Emirn haͤnde ſich zu taͤnzeriſchen ringen;
Ein lautes Huſſa ſchallt bacchantiſch durch den ſaal,
Und jung und alt, was fuͤße hat, muß ſpringen;
Des Hornes kraft laͤßt ihnen keine wahl:
Nur Rezia, beſtuͤrzt dies wunderwerk zu ſehen,
Beſtuͤrzt und froh zugleich, bleibt neben Huͤon ſtehen.
47.
Der ganze Divan dreht im kreis
Sich ſchwindelnd um; die alten Baſſen ſchnalzen
Den takt dazu; und, wie auf glattem eis,
Sieht man den Iman ſelbſt mit einem Haͤmling walzen.
Noch Stand noch Alter wird geſpart;
Sogar der Sultan kann der luſt ſich nicht erwehren,
Faßt ſeinen Großweſſir beym bart,
Und will den alten kerl noch einen bocksſprung lehren.
48. Die
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[0113] 45. Umſonſt! Des Sultans wut und draͤun Nimmt uͤberhand, die Heiden dringen ein. Der Ritter laͤßt ſein ſchwert vergebens blitzen, Noch haͤlt ihm Rezia den arm. Ihr aͤngſtlich ſchreyn Durchbort ſein herz. Was bleibt ihm ſie zu ſchuͤtzen Noch uͤbrig als ſein Horn von elfenbein? Er ſezt es an den mund, und zwingt mit ſanftem hauche Den ſchoͤnſten ton aus ſeinem krummen bauche. 46. Auf einmal faͤllt der hochgezuͤkte ſtal Aus jeder fauſt; in raſchem taumel ſchlingen Der Emirn haͤnde ſich zu taͤnzeriſchen ringen; Ein lautes Huſſa ſchallt bacchantiſch durch den ſaal, Und jung und alt, was fuͤße hat, muß ſpringen; Des Hornes kraft laͤßt ihnen keine wahl: Nur Rezia, beſtuͤrzt dies wunderwerk zu ſehen, Beſtuͤrzt und froh zugleich, bleibt neben Huͤon ſtehen. 47. Der ganze Divan dreht im kreis Sich ſchwindelnd um; die alten Baſſen ſchnalzen Den takt dazu; und, wie auf glattem eis, Sieht man den Iman ſelbſt mit einem Haͤmling walzen. Noch Stand noch Alter wird geſpart; Sogar der Sultan kann der luſt ſich nicht erwehren, Faßt ſeinen Großweſſir beym bart, Und will den alten kerl noch einen bocksſprung lehren. 48. Die

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/113>, abgerufen am 15.05.2024.