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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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48.
Von herzen gern, versezt der blinde mann;
Und doch, mein kind, wenn du zu schaden kämest?
Es bräch' ein ast? was könnt' ich armer dann
Zu deinem beystand thun? -- Wie, wenn du dich bequemest
Zu warten? -- "Sagt ich nicht, daß ich nicht warten kann?
"Ich sehe wohl, daß du des kleinen diensts dich schämest;
Um alles wollt ich dir nicht gern beschwerlich seyn!
Und doch, wer sieht uns hier? wir sind ja ganz allein!
49.
Was war zu thun? Es konnte leicht das leben
Von einem Erben gar bey dieser lüsternheit
Gefähret seyn; kurz, halb mit zärtlichkeit
Halb mit gewalt, muß Gangolf sich ergeben.
Er stemmt sich an, hilft selbst dem weibchen auf,
Und vom geduldgen kopf des guten alten narren
Schwingt sich Rosette frisch zum lüftgen sitz hinauf,
Wo ihrer unterm laub verstohlne freuden harren.
50.
Nun saß von ungefähr, da alles dies geschah,
Auf einer blumenbank, dem guten blinden Alten
Vorüber, Oberon, um mit Titania,
Der Feenkönigin, hier mittagsruh zu halten;
Indeß die Zefyrgleiche schaar
Der Elfen, ihr gefolg, zerstreut im ganzen garten
Und meist verstekt in blumenbüschen war,
Um schlummernd dort den mondschein zu erwarten.
51. Un-
K 3
48.
Von herzen gern, verſezt der blinde mann;
Und doch, mein kind, wenn du zu ſchaden kaͤmeſt?
Es braͤch' ein aſt? was koͤnnt' ich armer dann
Zu deinem beyſtand thun? — Wie, wenn du dich bequemeſt
Zu warten? — „Sagt ich nicht, daß ich nicht warten kann?
„Ich ſehe wohl, daß du des kleinen dienſts dich ſchaͤmeſt;
Um alles wollt ich dir nicht gern beſchwerlich ſeyn!
Und doch, wer ſieht uns hier? wir ſind ja ganz allein!
49.
Was war zu thun? Es konnte leicht das leben
Von einem Erben gar bey dieſer luͤſternheit
Gefaͤhret ſeyn; kurz, halb mit zaͤrtlichkeit
Halb mit gewalt, muß Gangolf ſich ergeben.
Er ſtemmt ſich an, hilft ſelbſt dem weibchen auf,
Und vom geduldgen kopf des guten alten narren
Schwingt ſich Roſette friſch zum luͤftgen ſitz hinauf,
Wo ihrer unterm laub verſtohlne freuden harren.
50.
Nun ſaß von ungefaͤhr, da alles dies geſchah,
Auf einer blumenbank, dem guten blinden Alten
Voruͤber, Oberon, um mit Titania,
Der Feenkoͤnigin, hier mittagsruh zu halten;
Indeß die Zefyrgleiche ſchaar
Der Elfen, ihr gefolg, zerſtreut im ganzen garten
Und meiſt verſtekt in blumenbuͤſchen war,
Um ſchlummernd dort den mondſchein zu erwarten.
51. Un-
K 3
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[0155] 48. Von herzen gern, verſezt der blinde mann; Und doch, mein kind, wenn du zu ſchaden kaͤmeſt? Es braͤch' ein aſt? was koͤnnt' ich armer dann Zu deinem beyſtand thun? — Wie, wenn du dich bequemeſt Zu warten? — „Sagt ich nicht, daß ich nicht warten kann? „Ich ſehe wohl, daß du des kleinen dienſts dich ſchaͤmeſt; Um alles wollt ich dir nicht gern beſchwerlich ſeyn! Und doch, wer ſieht uns hier? wir ſind ja ganz allein! 49. Was war zu thun? Es konnte leicht das leben Von einem Erben gar bey dieſer luͤſternheit Gefaͤhret ſeyn; kurz, halb mit zaͤrtlichkeit Halb mit gewalt, muß Gangolf ſich ergeben. Er ſtemmt ſich an, hilft ſelbſt dem weibchen auf, Und vom geduldgen kopf des guten alten narren Schwingt ſich Roſette friſch zum luͤftgen ſitz hinauf, Wo ihrer unterm laub verſtohlne freuden harren. 50. Nun ſaß von ungefaͤhr, da alles dies geſchah, Auf einer blumenbank, dem guten blinden Alten Voruͤber, Oberon, um mit Titania, Der Feenkoͤnigin, hier mittagsruh zu halten; Indeß die Zefyrgleiche ſchaar Der Elfen, ihr gefolg, zerſtreut im ganzen garten Und meiſt verſtekt in blumenbuͤſchen war, Um ſchlummernd dort den mondſchein zu erwarten. 51. Un- K 3

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/155>, abgerufen am 22.12.2024.