Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
69.
Seit dieser zeit hat bis zu unsern tagen
Sich Oberon in eigener gestalt
Nie mehr gezeigt, und (wie die leute sagen)
Bald einen berg, bald einen dicken wald
Bald ein verlaßnes thal zu seinem aufenthalt
Gewählt, wo Liebende zu stören und zu plagen
All sein vergnügen ist; und daß er nur für euch
Das Gegentheil gethan, ist einem wunder gleich.
70.
Hier endigte der Alte mit erzählen;
Und Hüon nimmt Amanden bey der hand:
Wenn, spricht er, nur ein paar getreuverliebte Seelen
Zu Obrons und Titaniens ruhe fehlen,
So schwebt des Schiksals Werk an der vollendung rand.
War er's nicht selbst, der uns so wunderbar verband?
Er, sonst der liebe feind, hat uns in schuz genommen,
Die proben -- o! die laßt je eh'r je lieber kommen!
71.
Die Schöne legt, an Antworts statt,
Des Jünglings hand ans herz mit seelevollen blicken.
Ihr, die so viel für ihn gethan, gegeben hat,
Was blieb ihr noch mit Worten auszudrücken?
Und eine Scene von Entzücken
Erfolgt daraus, wobey der gute Scherasmin
Des schönen Märchens frucht, troz allem seinem nicken,
Auf einmal zu verliehren schien.
72. Zwar
69.
Seit dieſer zeit hat bis zu unſern tagen
Sich Oberon in eigener geſtalt
Nie mehr gezeigt, und (wie die leute ſagen)
Bald einen berg, bald einen dicken wald
Bald ein verlaßnes thal zu ſeinem aufenthalt
Gewaͤhlt, wo Liebende zu ſtoͤren und zu plagen
All ſein vergnuͤgen iſt; und daß er nur fuͤr euch
Das Gegentheil gethan, iſt einem wunder gleich.
70.
Hier endigte der Alte mit erzaͤhlen;
Und Huͤon nimmt Amanden bey der hand:
Wenn, ſpricht er, nur ein paar getreuverliebte Seelen
Zu Obrons und Titaniens ruhe fehlen,
So ſchwebt des Schikſals Werk an der vollendung rand.
War er's nicht ſelbſt, der uns ſo wunderbar verband?
Er, ſonſt der liebe feind, hat uns in ſchuz genommen,
Die proben — o! die laßt je eh'r je lieber kommen!
71.
Die Schoͤne legt, an Antworts ſtatt,
Des Juͤnglings hand ans herz mit ſeelevollen blicken.
Ihr, die ſo viel fuͤr ihn gethan, gegeben hat,
Was blieb ihr noch mit Worten auszudruͤcken?
Und eine Scene von Entzuͤcken
Erfolgt daraus, wobey der gute Scherasmin
Des ſchoͤnen Maͤrchens frucht, troz allem ſeinem nicken,
Auf einmal zu verliehren ſchien.
72. Zwar
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0162"/>
            <lg n="69">
              <head> <hi rendition="#c">69.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">S</hi>eit die&#x017F;er zeit hat bis zu un&#x017F;ern tagen</l><lb/>
              <l>Sich Oberon in eigener ge&#x017F;talt</l><lb/>
              <l>Nie mehr gezeigt, und (wie die leute &#x017F;agen)</l><lb/>
              <l>Bald einen berg, bald einen dicken wald</l><lb/>
              <l>Bald ein verlaßnes thal zu &#x017F;einem aufenthalt</l><lb/>
              <l>Gewa&#x0364;hlt, wo Liebende zu &#x017F;to&#x0364;ren und zu plagen</l><lb/>
              <l>All &#x017F;ein vergnu&#x0364;gen i&#x017F;t; und daß er nur fu&#x0364;r euch</l><lb/>
              <l>Das Gegentheil gethan, i&#x017F;t einem wunder gleich.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="70">
              <head> <hi rendition="#c">70.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">H</hi>ier endigte der Alte mit erza&#x0364;hlen;</l><lb/>
              <l>Und Hu&#x0364;on nimmt Amanden bey der hand:</l><lb/>
              <l>Wenn, &#x017F;pricht er, nur ein paar getreuverliebte Seelen</l><lb/>
              <l>Zu Obrons und Titaniens ruhe fehlen,</l><lb/>
              <l>So &#x017F;chwebt des Schik&#x017F;als Werk an der vollendung rand.</l><lb/>
              <l>War er's nicht &#x017F;elb&#x017F;t, der uns &#x017F;o wunderbar verband?</l><lb/>
              <l>Er, &#x017F;on&#x017F;t der liebe feind, hat uns in &#x017F;chuz genommen,</l><lb/>
              <l>Die proben &#x2014; o! die laßt je eh'r je lieber kommen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="71">
              <head> <hi rendition="#c">71.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Scho&#x0364;ne legt, an Antworts &#x017F;tatt,</l><lb/>
              <l>Des Ju&#x0364;nglings hand ans herz mit &#x017F;eelevollen blicken.</l><lb/>
              <l>Ihr, die &#x017F;o viel fu&#x0364;r ihn gethan, gegeben hat,</l><lb/>
              <l>Was blieb ihr noch mit Worten auszudru&#x0364;cken?</l><lb/>
              <l>Und eine Scene von Entzu&#x0364;cken</l><lb/>
              <l>Erfolgt daraus, wobey der gute Scherasmin</l><lb/>
              <l>Des &#x017F;cho&#x0364;nen Ma&#x0364;rchens frucht, troz allem &#x017F;einem nicken,</l><lb/>
              <l>Auf einmal zu verliehren &#x017F;chien.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">72. Zwar</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0162] 69. Seit dieſer zeit hat bis zu unſern tagen Sich Oberon in eigener geſtalt Nie mehr gezeigt, und (wie die leute ſagen) Bald einen berg, bald einen dicken wald Bald ein verlaßnes thal zu ſeinem aufenthalt Gewaͤhlt, wo Liebende zu ſtoͤren und zu plagen All ſein vergnuͤgen iſt; und daß er nur fuͤr euch Das Gegentheil gethan, iſt einem wunder gleich. 70. Hier endigte der Alte mit erzaͤhlen; Und Huͤon nimmt Amanden bey der hand: Wenn, ſpricht er, nur ein paar getreuverliebte Seelen Zu Obrons und Titaniens ruhe fehlen, So ſchwebt des Schikſals Werk an der vollendung rand. War er's nicht ſelbſt, der uns ſo wunderbar verband? Er, ſonſt der liebe feind, hat uns in ſchuz genommen, Die proben — o! die laßt je eh'r je lieber kommen! 71. Die Schoͤne legt, an Antworts ſtatt, Des Juͤnglings hand ans herz mit ſeelevollen blicken. Ihr, die ſo viel fuͤr ihn gethan, gegeben hat, Was blieb ihr noch mit Worten auszudruͤcken? Und eine Scene von Entzuͤcken Erfolgt daraus, wobey der gute Scherasmin Des ſchoͤnen Maͤrchens frucht, troz allem ſeinem nicken, Auf einmal zu verliehren ſchien. 72. Zwar

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/162
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/162>, abgerufen am 31.10.2024.