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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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50.
Matt wie sie war, erschöpfte diese müh
Noch ihre lezte kraft; es brachen ihr die Knie,
Sie sinkt am ufer hin, und lechzt mit dürrem gaumen.
Vom hunger angenagt, von heissem durst gequält,
An diesem wilden ort wo ihrs an allem fehlt,
Wie angstvoll ist ihr loos? Wo mag ihr Hüon saumen?
Wenn ihn ein unfall traf? Vielleicht ein reissend thier --
Es nur zu denken, raubt den rest von leben ihr!
51.
Die schreklichsten der Möglichkeiten
Mahlt ihr die Fantasie mit warmen farben vor.
Umsonst bemüht sie sich mit ihrer furcht zu streiten,
Ein Wellenschlag erschrekt ihr unglükahnend ohr.
Zulezt, so schwach sie ist, keucht sie mit müh empor
Auf eines felsen stirn, und schaut nach allen seiten,
Und mit dem lezten sonnenblik
Entdekt sie Ihn -- er ists! er kömmt zurük!
52.
Auch Er sieht sie die arme nach ihm breiten,
Und zeigt ihr schon von fern die schöne goldne frucht.
Von keiner schönern ward, in jenen kindheitszeiten
Der Welt, das erste Weib im Paradies versucht.
Er hält, wie im triumf, sie in den lezten strahlen
Der Sonn' empor, die ihre glatte haut
Mit flammengleichem roth bemahlen,
Indeß Amanda kaum den frohen augen traut.
53. So
50.
Matt wie ſie war, erſchoͤpfte dieſe muͤh
Noch ihre lezte kraft; es brachen ihr die Knie,
Sie ſinkt am ufer hin, und lechzt mit duͤrrem gaumen.
Vom hunger angenagt, von heiſſem durſt gequaͤlt,
An dieſem wilden ort wo ihrs an allem fehlt,
Wie angſtvoll iſt ihr loos? Wo mag ihr Huͤon ſaumen?
Wenn ihn ein unfall traf? Vielleicht ein reiſſend thier —
Es nur zu denken, raubt den reſt von leben ihr!
51.
Die ſchreklichſten der Moͤglichkeiten
Mahlt ihr die Fantaſie mit warmen farben vor.
Umſonſt bemuͤht ſie ſich mit ihrer furcht zu ſtreiten,
Ein Wellenſchlag erſchrekt ihr ungluͤkahnend ohr.
Zulezt, ſo ſchwach ſie iſt, keucht ſie mit muͤh empor
Auf eines felſen ſtirn, und ſchaut nach allen ſeiten,
Und mit dem lezten ſonnenblik
Entdekt ſie Ihn — er iſts! er koͤmmt zuruͤk!
52.
Auch Er ſieht ſie die arme nach ihm breiten,
Und zeigt ihr ſchon von fern die ſchoͤne goldne frucht.
Von keiner ſchoͤnern ward, in jenen kindheitszeiten
Der Welt, das erſte Weib im Paradies verſucht.
Er haͤlt, wie im triumf, ſie in den lezten ſtrahlen
Der Sonn' empor, die ihre glatte haut
Mit flammengleichem roth bemahlen,
Indeß Amanda kaum den frohen augen traut.
53. So
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[0180] 50. Matt wie ſie war, erſchoͤpfte dieſe muͤh Noch ihre lezte kraft; es brachen ihr die Knie, Sie ſinkt am ufer hin, und lechzt mit duͤrrem gaumen. Vom hunger angenagt, von heiſſem durſt gequaͤlt, An dieſem wilden ort wo ihrs an allem fehlt, Wie angſtvoll iſt ihr loos? Wo mag ihr Huͤon ſaumen? Wenn ihn ein unfall traf? Vielleicht ein reiſſend thier — Es nur zu denken, raubt den reſt von leben ihr! 51. Die ſchreklichſten der Moͤglichkeiten Mahlt ihr die Fantaſie mit warmen farben vor. Umſonſt bemuͤht ſie ſich mit ihrer furcht zu ſtreiten, Ein Wellenſchlag erſchrekt ihr ungluͤkahnend ohr. Zulezt, ſo ſchwach ſie iſt, keucht ſie mit muͤh empor Auf eines felſen ſtirn, und ſchaut nach allen ſeiten, Und mit dem lezten ſonnenblik Entdekt ſie Ihn — er iſts! er koͤmmt zuruͤk! 52. Auch Er ſieht ſie die arme nach ihm breiten, Und zeigt ihr ſchon von fern die ſchoͤne goldne frucht. Von keiner ſchoͤnern ward, in jenen kindheitszeiten Der Welt, das erſte Weib im Paradies verſucht. Er haͤlt, wie im triumf, ſie in den lezten ſtrahlen Der Sonn' empor, die ihre glatte haut Mit flammengleichem roth bemahlen, Indeß Amanda kaum den frohen augen traut. 53. So

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/180>, abgerufen am 22.12.2024.