Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
53.
So läßt sich unsrer noth der Himmel doch erbarmen,
Ruft sie, und eine große thräne blinkt
In ihrem aug'; und eh die thräne sinkt
Ist Hüon schon in ihren ofnen Armen.
Ihr schwacher ton, und daß sie halbentseelt
An seinen busen schwankt, heißt ihren retter eilen.
Sie lagern sich; und, weil ein ander Werkzeug fehlt,
Braucht er sein kurzes Schwert die schöne frucht zu theilen.
54.
Hier, Freunde, zittert mir der griffel aus der hand!
Kanst du, zu strenger Geist, in solchem jammerstand
Noch spotten ihrer noth, noch ihre hofnung trügen?
Faul, durch und durch, und gallenbitter war
Die schöne Frucht! -- Und bleich, wie in den lezten zügen
Ein sterbender erbleicht, sieht das getäuschte Paar
Sich trostlos an, die starren augen offen,
Als hätt' aus heitrer lust ein Donner sie getroffen.
55.
Ein strom von bittern thränen stürzt mit wut
Aus Hüons aug; von jenen furchtbarn thränen,
Die aus dem halbgestokten blut
Verzweiflung preßt, mit augen voller glut,
Und gichtrischzuckendem mund und grimvoll klappernden zänen.
Amanda, sanft und still, doch mit gebrochnem Mut,
Die augen ausgelöscht, die wangen welk, zu scherben
Die lippen ausgedörrt -- laß, spricht sie, laß mich sterben!
56. Auch
53.
So laͤßt ſich unſrer noth der Himmel doch erbarmen,
Ruft ſie, und eine große thraͤne blinkt
In ihrem aug'; und eh die thraͤne ſinkt
Iſt Huͤon ſchon in ihren ofnen Armen.
Ihr ſchwacher ton, und daß ſie halbentſeelt
An ſeinen buſen ſchwankt, heißt ihren retter eilen.
Sie lagern ſich; und, weil ein ander Werkzeug fehlt,
Braucht er ſein kurzes Schwert die ſchoͤne frucht zu theilen.
54.
Hier, Freunde, zittert mir der griffel aus der hand!
Kanſt du, zu ſtrenger Geiſt, in ſolchem jammerſtand
Noch ſpotten ihrer noth, noch ihre hofnung truͤgen?
Faul, durch und durch, und gallenbitter war
Die ſchoͤne Frucht! — Und bleich, wie in den lezten zuͤgen
Ein ſterbender erbleicht, ſieht das getaͤuſchte Paar
Sich troſtlos an, die ſtarren augen offen,
Als haͤtt' aus heitrer luſt ein Donner ſie getroffen.
55.
Ein ſtrom von bittern thraͤnen ſtuͤrzt mit wut
Aus Huͤons aug; von jenen furchtbarn thraͤnen,
Die aus dem halbgeſtokten blut
Verzweiflung preßt, mit augen voller glut,
Und gichtriſchzuckendem mund und grimvoll klappernden zaͤnen.
Amanda, ſanft und ſtill, doch mit gebrochnem Mut,
Die augen ausgeloͤſcht, die wangen welk, zu ſcherben
Die lippen ausgedoͤrrt — laß, ſpricht ſie, laß mich ſterben!
56. Auch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0181"/>
            <lg n="53">
              <head> <hi rendition="#c">53.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">S</hi>o la&#x0364;ßt &#x017F;ich un&#x017F;rer noth der Himmel doch erbarmen,</l><lb/>
              <l>Ruft &#x017F;ie, und eine große thra&#x0364;ne blinkt</l><lb/>
              <l>In ihrem aug'; und eh die thra&#x0364;ne &#x017F;inkt</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t Hu&#x0364;on &#x017F;chon in ihren ofnen Armen.</l><lb/>
              <l>Ihr &#x017F;chwacher ton, und daß &#x017F;ie halbent&#x017F;eelt</l><lb/>
              <l>An &#x017F;einen bu&#x017F;en &#x017F;chwankt, heißt ihren retter eilen.</l><lb/>
              <l>Sie lagern &#x017F;ich; und, weil ein ander Werkzeug fehlt,</l><lb/>
              <l>Braucht er &#x017F;ein kurzes Schwert die &#x017F;cho&#x0364;ne frucht zu theilen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="54">
              <head> <hi rendition="#c">54.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">H</hi>ier, Freunde, zittert mir der griffel aus der hand!</l><lb/>
              <l>Kan&#x017F;t du, zu &#x017F;trenger Gei&#x017F;t, in &#x017F;olchem jammer&#x017F;tand</l><lb/>
              <l>Noch &#x017F;potten ihrer noth, noch ihre hofnung tru&#x0364;gen?</l><lb/>
              <l>Faul, durch und durch, und gallenbitter war</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;cho&#x0364;ne Frucht! &#x2014; Und bleich, wie in den lezten zu&#x0364;gen</l><lb/>
              <l>Ein &#x017F;terbender erbleicht, &#x017F;ieht das geta&#x0364;u&#x017F;chte Paar</l><lb/>
              <l>Sich tro&#x017F;tlos an, die &#x017F;tarren augen offen,</l><lb/>
              <l>Als ha&#x0364;tt' aus heitrer lu&#x017F;t ein Donner &#x017F;ie getroffen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="55">
              <head> <hi rendition="#c">55.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">E</hi>in &#x017F;trom von bittern thra&#x0364;nen &#x017F;tu&#x0364;rzt mit wut</l><lb/>
              <l>Aus Hu&#x0364;ons aug; von jenen furchtbarn thra&#x0364;nen,</l><lb/>
              <l>Die aus dem halbge&#x017F;tokten blut</l><lb/>
              <l>Verzweiflung preßt, mit augen voller glut,</l><lb/>
              <l>Und gichtri&#x017F;chzuckendem mund und grimvoll klappernden za&#x0364;nen.</l><lb/>
              <l>Amanda, &#x017F;anft und &#x017F;till, doch mit gebrochnem Mut,</l><lb/>
              <l>Die augen ausgelo&#x0364;&#x017F;cht, die wangen welk, zu &#x017F;cherben</l><lb/>
              <l>Die lippen ausgedo&#x0364;rrt &#x2014; laß, &#x017F;pricht &#x017F;ie, laß mich &#x017F;terben!</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">56. Auch</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0181] 53. So laͤßt ſich unſrer noth der Himmel doch erbarmen, Ruft ſie, und eine große thraͤne blinkt In ihrem aug'; und eh die thraͤne ſinkt Iſt Huͤon ſchon in ihren ofnen Armen. Ihr ſchwacher ton, und daß ſie halbentſeelt An ſeinen buſen ſchwankt, heißt ihren retter eilen. Sie lagern ſich; und, weil ein ander Werkzeug fehlt, Braucht er ſein kurzes Schwert die ſchoͤne frucht zu theilen. 54. Hier, Freunde, zittert mir der griffel aus der hand! Kanſt du, zu ſtrenger Geiſt, in ſolchem jammerſtand Noch ſpotten ihrer noth, noch ihre hofnung truͤgen? Faul, durch und durch, und gallenbitter war Die ſchoͤne Frucht! — Und bleich, wie in den lezten zuͤgen Ein ſterbender erbleicht, ſieht das getaͤuſchte Paar Sich troſtlos an, die ſtarren augen offen, Als haͤtt' aus heitrer luſt ein Donner ſie getroffen. 55. Ein ſtrom von bittern thraͤnen ſtuͤrzt mit wut Aus Huͤons aug; von jenen furchtbarn thraͤnen, Die aus dem halbgeſtokten blut Verzweiflung preßt, mit augen voller glut, Und gichtriſchzuckendem mund und grimvoll klappernden zaͤnen. Amanda, ſanft und ſtill, doch mit gebrochnem Mut, Die augen ausgeloͤſcht, die wangen welk, zu ſcherben Die lippen ausgedoͤrrt — laß, ſpricht ſie, laß mich ſterben! 56. Auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/181
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/181>, abgerufen am 22.12.2024.