Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
9.
Er fühlt den überschwang von lieb und edelmut
In ihrem zärtlichen betragen;
Und mit bethräntem aug' und wangen ganz in glut
Sinkt er an ihren arm. O! sollt' ich nicht verzagen,
Ruft er, mich selbst nicht hassen, nicht
Verwünschen jeden stern, der auf die nacht geschimmert
Die mir das leben gab, verwünschen jenes licht
Wo ich im mutterarm zum erstenmal gewimmert?
10.
Dich, bestes Weib, durch mich, durch mein vergehn,
Von jedem glük herabgestürzt zu sehn,
Von jedem glük, das dir zu Bagdad lachte,
Von jedem glük, das ich dich hoffen machte
In meinem väterlichen land!
Erniedrigt -- dich! -- zu diesem dürft'gen stand!
Und noch zu sehn, wie du dies alles ohne klagen
Erträgst -- Es ist zu viel! Ich kann es nicht ertragen!
11.
Ihn sieht mit einem blik, worinn der Himmel sich
Ihm öffnet, voll von dem, was kaum ihr busen fasset,
Amanda an: laß, spricht sie, Hüon, mich
Aus dem geliebten mund, was meine seele hasset
Nie wieder hören! Klage dich
Nicht selber an, nicht den, der was uns drücket
Uns nur zur prüfung, nicht zur strafe zugeschicket!
Er prüft nur die er liebt, und liebet väterlich.
12. Was
M 3
9.
Er fuͤhlt den uͤberſchwang von lieb und edelmut
In ihrem zaͤrtlichen betragen;
Und mit bethraͤntem aug' und wangen ganz in glut
Sinkt er an ihren arm. O! ſollt' ich nicht verzagen,
Ruft er, mich ſelbſt nicht haſſen, nicht
Verwuͤnſchen jeden ſtern, der auf die nacht geſchimmert
Die mir das leben gab, verwuͤnſchen jenes licht
Wo ich im mutterarm zum erſtenmal gewimmert?
10.
Dich, beſtes Weib, durch mich, durch mein vergehn,
Von jedem gluͤk herabgeſtuͤrzt zu ſehn,
Von jedem gluͤk, das dir zu Bagdad lachte,
Von jedem gluͤk, das ich dich hoffen machte
In meinem vaͤterlichen land!
Erniedrigt — dich! — zu dieſem duͤrft'gen ſtand!
Und noch zu ſehn, wie du dies alles ohne klagen
Ertraͤgſt — Es iſt zu viel! Ich kann es nicht ertragen!
11.
Ihn ſieht mit einem blik, worinn der Himmel ſich
Ihm oͤffnet, voll von dem, was kaum ihr buſen faſſet,
Amanda an: laß, ſpricht ſie, Huͤon, mich
Aus dem geliebten mund, was meine ſeele haſſet
Nie wieder hoͤren! Klage dich
Nicht ſelber an, nicht den, der was uns druͤcket
Uns nur zur pruͤfung, nicht zur ſtrafe zugeſchicket!
Er pruͤft nur die er liebt, und liebet vaͤterlich.
12. Was
M 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0187"/>
            <lg n="9">
              <head> <hi rendition="#c">9.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">E</hi>r fu&#x0364;hlt den u&#x0364;ber&#x017F;chwang von lieb und edelmut</l><lb/>
              <l>In ihrem za&#x0364;rtlichen betragen;</l><lb/>
              <l>Und mit bethra&#x0364;ntem aug' und wangen ganz in glut</l><lb/>
              <l>Sinkt er an ihren arm. O! &#x017F;ollt' ich nicht verzagen,</l><lb/>
              <l>Ruft er, mich &#x017F;elb&#x017F;t nicht ha&#x017F;&#x017F;en, nicht</l><lb/>
              <l>Verwu&#x0364;n&#x017F;chen jeden &#x017F;tern, der auf die nacht ge&#x017F;chimmert</l><lb/>
              <l>Die mir das leben gab, verwu&#x0364;n&#x017F;chen jenes licht</l><lb/>
              <l>Wo ich im mutterarm zum er&#x017F;tenmal gewimmert?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <head> <hi rendition="#c">10.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">D</hi>ich, be&#x017F;tes Weib, durch mich, durch mein vergehn,</l><lb/>
              <l>Von jedem glu&#x0364;k herabge&#x017F;tu&#x0364;rzt zu &#x017F;ehn,</l><lb/>
              <l>Von jedem glu&#x0364;k, das dir zu Bagdad lachte,</l><lb/>
              <l>Von jedem glu&#x0364;k, das ich dich hoffen machte</l><lb/>
              <l>In meinem va&#x0364;terlichen land!</l><lb/>
              <l>Erniedrigt &#x2014; dich! &#x2014; zu die&#x017F;em du&#x0364;rft'gen &#x017F;tand!</l><lb/>
              <l>Und noch zu &#x017F;ehn, wie du dies alles ohne klagen</l><lb/>
              <l>Ertra&#x0364;g&#x017F;t &#x2014; Es i&#x017F;t zu viel! Ich kann es nicht ertragen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <head> <hi rendition="#c">11.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">I</hi>hn &#x017F;ieht mit einem blik, worinn der Himmel &#x017F;ich</l><lb/>
              <l>Ihm o&#x0364;ffnet, voll von dem, was kaum ihr bu&#x017F;en fa&#x017F;&#x017F;et,</l><lb/>
              <l>Amanda an: laß, &#x017F;pricht &#x017F;ie, Hu&#x0364;on, mich</l><lb/>
              <l>Aus dem geliebten mund, was meine &#x017F;eele ha&#x017F;&#x017F;et</l><lb/>
              <l>Nie wieder ho&#x0364;ren! Klage dich</l><lb/>
              <l>Nicht &#x017F;elber an, nicht den, der was uns dru&#x0364;cket</l><lb/>
              <l>Uns nur zur pru&#x0364;fung, nicht zur &#x017F;trafe zuge&#x017F;chicket!</l><lb/>
              <l>Er pru&#x0364;ft nur die er liebt, und liebet va&#x0364;terlich.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">M 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">12. Was</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0187] 9. Er fuͤhlt den uͤberſchwang von lieb und edelmut In ihrem zaͤrtlichen betragen; Und mit bethraͤntem aug' und wangen ganz in glut Sinkt er an ihren arm. O! ſollt' ich nicht verzagen, Ruft er, mich ſelbſt nicht haſſen, nicht Verwuͤnſchen jeden ſtern, der auf die nacht geſchimmert Die mir das leben gab, verwuͤnſchen jenes licht Wo ich im mutterarm zum erſtenmal gewimmert? 10. Dich, beſtes Weib, durch mich, durch mein vergehn, Von jedem gluͤk herabgeſtuͤrzt zu ſehn, Von jedem gluͤk, das dir zu Bagdad lachte, Von jedem gluͤk, das ich dich hoffen machte In meinem vaͤterlichen land! Erniedrigt — dich! — zu dieſem duͤrft'gen ſtand! Und noch zu ſehn, wie du dies alles ohne klagen Ertraͤgſt — Es iſt zu viel! Ich kann es nicht ertragen! 11. Ihn ſieht mit einem blik, worinn der Himmel ſich Ihm oͤffnet, voll von dem, was kaum ihr buſen faſſet, Amanda an: laß, ſpricht ſie, Huͤon, mich Aus dem geliebten mund, was meine ſeele haſſet Nie wieder hoͤren! Klage dich Nicht ſelber an, nicht den, der was uns druͤcket Uns nur zur pruͤfung, nicht zur ſtrafe zugeſchicket! Er pruͤft nur die er liebt, und liebet vaͤterlich. 12. Was M 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/187
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/187>, abgerufen am 22.12.2024.