Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
60.
Allmählich hob sein herz sich aus der trüben flut
Des Grams empor; die nüchternheit, die stille,
Die reine freye luft, durchläuterten sein blut,
Entwölkten seinen sinn, belebten seinen mut;
Er spürte nun, daß, aus der ewgen stille
Des lebens, balsam, auch für Seine wunden, quille;
Oft brachte die Magie von einem sonnenblik
Auf einmal aus der gruft der Schwermut ihn zurük.
61.
Und als er endlich dies Elysium gefunden,
Das, rings umher mit wald und felsen eingeschanzt,
Ein milder Genius, recht wie für ihn, gepflanzt,
Fühlt' er auf einmal sich von allem gram entbunden,
Aus einer ängstlichen traumvollen fiebernacht
Als wie zur dämmerung des ewgen Tags erwacht.
Hier, rief er seinem Freund, vom unverhoften schauen
Des schönen orts entzükt, hier laß uns hütten bauen!
62.
Die hütte ward erbaut, und, mit verlauf der zeit,
Zur nothdurft erst versehn, dann zur gemächlichkeit,
Wie sie dem alter eines Weisen
Geziemt, der minder stets begehret als bedarf.
Denn, daß Alfons, als er den ersten plan entwarf
Von seiner flucht, sich mit geräth und eisen,
Und allem was zur hülle nöthig war,
Versehen habe, stellt von selbst sich jedem dar.
63. Und
60.
Allmaͤhlich hob ſein herz ſich aus der truͤben flut
Des Grams empor; die nuͤchternheit, die ſtille,
Die reine freye luft, durchlaͤuterten ſein blut,
Entwoͤlkten ſeinen ſinn, belebten ſeinen mut;
Er ſpuͤrte nun, daß, aus der ewgen ſtille
Des lebens, balſam, auch fuͤr Seine wunden, quille;
Oft brachte die Magie von einem ſonnenblik
Auf einmal aus der gruft der Schwermut ihn zuruͤk.
61.
Und als er endlich dies Elyſium gefunden,
Das, rings umher mit wald und felſen eingeſchanzt,
Ein milder Genius, recht wie fuͤr ihn, gepflanzt,
Fuͤhlt' er auf einmal ſich von allem gram entbunden,
Aus einer aͤngſtlichen traumvollen fiebernacht
Als wie zur daͤmmerung des ewgen Tags erwacht.
Hier, rief er ſeinem Freund, vom unverhoften ſchauen
Des ſchoͤnen orts entzuͤkt, hier laß uns huͤtten bauen!
62.
Die huͤtte ward erbaut, und, mit verlauf der zeit,
Zur nothdurft erſt verſehn, dann zur gemaͤchlichkeit,
Wie ſie dem alter eines Weiſen
Geziemt, der minder ſtets begehret als bedarf.
Denn, daß Alfons, als er den erſten plan entwarf
Von ſeiner flucht, ſich mit geraͤth und eiſen,
Und allem was zur huͤlle noͤthig war,
Verſehen habe, ſtellt von ſelbſt ſich jedem dar.
63. Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0204"/>
            <lg n="60">
              <head> <hi rendition="#c">60.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">A</hi>llma&#x0364;hlich hob &#x017F;ein herz &#x017F;ich aus der tru&#x0364;ben flut</l><lb/>
              <l>Des Grams empor; die nu&#x0364;chternheit, die &#x017F;tille,</l><lb/>
              <l>Die reine freye luft, durchla&#x0364;uterten &#x017F;ein blut,</l><lb/>
              <l>Entwo&#x0364;lkten &#x017F;einen &#x017F;inn, belebten &#x017F;einen mut;</l><lb/>
              <l>Er &#x017F;pu&#x0364;rte nun, daß, aus der ewgen &#x017F;tille</l><lb/>
              <l>Des lebens, bal&#x017F;am, auch fu&#x0364;r Seine wunden, quille;</l><lb/>
              <l>Oft brachte die Magie von einem &#x017F;onnenblik</l><lb/>
              <l>Auf einmal aus der gruft der Schwermut ihn zuru&#x0364;k.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="61">
              <head> <hi rendition="#c">61.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">U</hi>nd als er endlich dies Ely&#x017F;ium gefunden,</l><lb/>
              <l>Das, rings umher mit wald und fel&#x017F;en einge&#x017F;chanzt,</l><lb/>
              <l>Ein milder Genius, recht wie fu&#x0364;r ihn, gepflanzt,</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;hlt' er auf einmal &#x017F;ich von allem gram entbunden,</l><lb/>
              <l>Aus einer a&#x0364;ng&#x017F;tlichen traumvollen fiebernacht</l><lb/>
              <l>Als wie zur da&#x0364;mmerung des ewgen Tags erwacht.</l><lb/>
              <l>Hier, rief er &#x017F;einem Freund, vom unverhoften &#x017F;chauen</l><lb/>
              <l>Des &#x017F;cho&#x0364;nen orts entzu&#x0364;kt, hier laß uns hu&#x0364;tten bauen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="62">
              <head> <hi rendition="#c">62.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">D</hi>ie hu&#x0364;tte ward erbaut, und, mit verlauf der zeit,</l><lb/>
              <l>Zur nothdurft er&#x017F;t ver&#x017F;ehn, dann zur gema&#x0364;chlichkeit,</l><lb/>
              <l>Wie &#x017F;ie dem alter eines Wei&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Geziemt, der minder &#x017F;tets begehret als bedarf.</l><lb/>
              <l>Denn, daß Alfons, als er den er&#x017F;ten plan entwarf</l><lb/>
              <l>Von &#x017F;einer flucht, &#x017F;ich mit gera&#x0364;th und ei&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Und allem was zur hu&#x0364;lle no&#x0364;thig war,</l><lb/>
              <l>Ver&#x017F;ehen habe, &#x017F;tellt von &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich jedem dar.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">63. Und</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0204] 60. Allmaͤhlich hob ſein herz ſich aus der truͤben flut Des Grams empor; die nuͤchternheit, die ſtille, Die reine freye luft, durchlaͤuterten ſein blut, Entwoͤlkten ſeinen ſinn, belebten ſeinen mut; Er ſpuͤrte nun, daß, aus der ewgen ſtille Des lebens, balſam, auch fuͤr Seine wunden, quille; Oft brachte die Magie von einem ſonnenblik Auf einmal aus der gruft der Schwermut ihn zuruͤk. 61. Und als er endlich dies Elyſium gefunden, Das, rings umher mit wald und felſen eingeſchanzt, Ein milder Genius, recht wie fuͤr ihn, gepflanzt, Fuͤhlt' er auf einmal ſich von allem gram entbunden, Aus einer aͤngſtlichen traumvollen fiebernacht Als wie zur daͤmmerung des ewgen Tags erwacht. Hier, rief er ſeinem Freund, vom unverhoften ſchauen Des ſchoͤnen orts entzuͤkt, hier laß uns huͤtten bauen! 62. Die huͤtte ward erbaut, und, mit verlauf der zeit, Zur nothdurft erſt verſehn, dann zur gemaͤchlichkeit, Wie ſie dem alter eines Weiſen Geziemt, der minder ſtets begehret als bedarf. Denn, daß Alfons, als er den erſten plan entwarf Von ſeiner flucht, ſich mit geraͤth und eiſen, Und allem was zur huͤlle noͤthig war, Verſehen habe, ſtellt von ſelbſt ſich jedem dar. 63. Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/204
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/204>, abgerufen am 23.12.2024.