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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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63.
Und so verlebt' er nun in arbeit und genuß
Des lebens späten herbst, beschäftigt seinen garten,
Den quell von seinem armen überfluß,
Mit einer müh', die ihm zur wollust wird, zu warten.
Vergessen von der welt, und nur, als an ein spiel
Der kindheit, sich erinnernd aller plage,
Die ihm ihr dienst gebracht, beseligt seine tage
Gesundheit, unschuld, ruh, und reines selbstgefühl.
64.
Nach achtzehn jahren starb sein redlicher Gefährte.
Er blieb allein. Doch desto fester kehrte
Sein stiller geist nun ganz nach jener Welt sich hin,
Der, was er einst geliebt, izt alles angehörte,
Der, auch er selbst schon mehr als dieser angehörte.
Oft in der stillen nacht, wenn vor dem äußern sinn
Wie in ihr erstes Nichts die körper sich verlieren,
Fühlt' er an seiner wang' ein geistiges berühren.
65.
Dann hört' auch wohl sein halbentschlummert ohr,
Mit schauerlicher lust, tief aus dem hayn hervor,
Wie Engelsstimmen sanft zu ihm herüber hallen.
Ihm wird als fühl er dann die dünne scheidwand fallen,
Die ihn, noch kaum, von seinen Lieben trennt;
Sein Inners schließt sich auf, die heilge flamme brennt
Aus seiner brust empor; sein Geist, im reinen lichte
Der unsichtbaren welt, sieht himmlische gesichte.
66. Sie
N 4
63.
Und ſo verlebt' er nun in arbeit und genuß
Des lebens ſpaͤten herbſt, beſchaͤftigt ſeinen garten,
Den quell von ſeinem armen uͤberfluß,
Mit einer muͤh', die ihm zur wolluſt wird, zu warten.
Vergeſſen von der welt, und nur, als an ein ſpiel
Der kindheit, ſich erinnernd aller plage,
Die ihm ihr dienſt gebracht, beſeligt ſeine tage
Geſundheit, unſchuld, ruh, und reines ſelbſtgefuͤhl.
64.
Nach achtzehn jahren ſtarb ſein redlicher Gefaͤhrte.
Er blieb allein. Doch deſto feſter kehrte
Sein ſtiller geiſt nun ganz nach jener Welt ſich hin,
Der, was er einſt geliebt, izt alles angehoͤrte,
Der, auch er ſelbſt ſchon mehr als dieſer angehoͤrte.
Oft in der ſtillen nacht, wenn vor dem aͤußern ſinn
Wie in ihr erſtes Nichts die koͤrper ſich verlieren,
Fuͤhlt' er an ſeiner wang' ein geiſtiges beruͤhren.
65.
Dann hoͤrt' auch wohl ſein halbentſchlummert ohr,
Mit ſchauerlicher luſt, tief aus dem hayn hervor,
Wie Engelsſtimmen ſanft zu ihm heruͤber hallen.
Ihm wird als fuͤhl er dann die duͤnne ſcheidwand fallen,
Die ihn, noch kaum, von ſeinen Lieben trennt;
Sein Inners ſchließt ſich auf, die heilge flamme brennt
Aus ſeiner bruſt empor; ſein Geiſt, im reinen lichte
Der unſichtbaren welt, ſieht himmliſche geſichte.
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[0205] 63. Und ſo verlebt' er nun in arbeit und genuß Des lebens ſpaͤten herbſt, beſchaͤftigt ſeinen garten, Den quell von ſeinem armen uͤberfluß, Mit einer muͤh', die ihm zur wolluſt wird, zu warten. Vergeſſen von der welt, und nur, als an ein ſpiel Der kindheit, ſich erinnernd aller plage, Die ihm ihr dienſt gebracht, beſeligt ſeine tage Geſundheit, unſchuld, ruh, und reines ſelbſtgefuͤhl. 64. Nach achtzehn jahren ſtarb ſein redlicher Gefaͤhrte. Er blieb allein. Doch deſto feſter kehrte Sein ſtiller geiſt nun ganz nach jener Welt ſich hin, Der, was er einſt geliebt, izt alles angehoͤrte, Der, auch er ſelbſt ſchon mehr als dieſer angehoͤrte. Oft in der ſtillen nacht, wenn vor dem aͤußern ſinn Wie in ihr erſtes Nichts die koͤrper ſich verlieren, Fuͤhlt' er an ſeiner wang' ein geiſtiges beruͤhren. 65. Dann hoͤrt' auch wohl ſein halbentſchlummert ohr, Mit ſchauerlicher luſt, tief aus dem hayn hervor, Wie Engelsſtimmen ſanft zu ihm heruͤber hallen. Ihm wird als fuͤhl er dann die duͤnne ſcheidwand fallen, Die ihn, noch kaum, von ſeinen Lieben trennt; Sein Inners ſchließt ſich auf, die heilge flamme brennt Aus ſeiner bruſt empor; ſein Geiſt, im reinen lichte Der unſichtbaren welt, ſieht himmliſche geſichte. 66. Sie N 4

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/205>, abgerufen am 23.12.2024.