Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.3. Der junge Mann, im drang der dankbarkeitUnd des vertrau'ns, zumal da ihn zu fragen Sein Wirth noch immer säumt, eröfnet ungescheut Ihm seinen namen, stand, und was, seit jener zeit, Da er zu Montlery des Kaysers sohn erschlagen, Bis diesen tag mit ihm sich zugetragen: Durch welchen Auftrag Karl den tod ihm zugedacht, Und wie er glüklich ihn mit Ob'rons schuz vollbracht: 4. Und wie in einem Traum die liebe sich entsponnen,Die ihn beym ersten blik mit Rezia vereint; Wie er mit ihr aus Babylon entronnen, Und das Verbot, das sein erhabner Freund Ihm auferlegt, und wie, sobald er dessen In einem augenblik von liebesdrang vergessen, Die ganze Natur sich gegen sie empört Und ihres Schützers huld in rache sich verkehrt. 5. Wohl, spricht der edle Greis, wohl dem, den sein GeschikSo liebreich, und zugleich so streng erziehet, Den kleinsten fehltritt ihm nicht straflos übersiehet, Wohl ihm! Denn ganz gewiß, das reinste erdenglük Erwartet ihn. Auf herzen wie die euern Zürnt Oberon nicht ewig. Glaube mir, Mein Sohn, sein auge schwebt unsichtbar über dir; Verdiene seine huld, so wird sie sich erneuern! 6. Und
3. Der junge Mann, im drang der dankbarkeitUnd des vertrau'ns, zumal da ihn zu fragen Sein Wirth noch immer ſaͤumt, eroͤfnet ungeſcheut Ihm ſeinen namen, ſtand, und was, ſeit jener zeit, Da er zu Montlery des Kayſers ſohn erſchlagen, Bis dieſen tag mit ihm ſich zugetragen: Durch welchen Auftrag Karl den tod ihm zugedacht, Und wie er gluͤklich ihn mit Ob'rons ſchuz vollbracht: 4. Und wie in einem Traum die liebe ſich entſponnen,Die ihn beym erſten blik mit Rezia vereint; Wie er mit ihr aus Babylon entronnen, Und das Verbot, das ſein erhabner Freund Ihm auferlegt, und wie, ſobald er deſſen In einem augenblik von liebesdrang vergeſſen, Die ganze Natur ſich gegen ſie empoͤrt Und ihres Schuͤtzers huld in rache ſich verkehrt. 5. Wohl, ſpricht der edle Greis, wohl dem, den ſein GeſchikSo liebreich, und zugleich ſo ſtreng erziehet, Den kleinſten fehltritt ihm nicht ſtraflos uͤberſiehet, Wohl ihm! Denn ganz gewiß, das reinſte erdengluͤk Erwartet ihn. Auf herzen wie die euern Zuͤrnt Oberon nicht ewig. Glaube mir, Mein Sohn, ſein auge ſchwebt unſichtbar uͤber dir; Verdiene ſeine huld, ſo wird ſie ſich erneuern! 6. Und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0209"/> <lg n="3"> <head> <hi rendition="#c">3.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">D</hi>er junge Mann, im drang der dankbarkeit</l><lb/> <l>Und des vertrau'ns, zumal da ihn zu fragen</l><lb/> <l>Sein Wirth noch immer ſaͤumt, eroͤfnet ungeſcheut</l><lb/> <l>Ihm ſeinen namen, ſtand, und was, ſeit jener zeit,</l><lb/> <l>Da er zu Montlery des Kayſers ſohn erſchlagen,</l><lb/> <l>Bis dieſen tag mit ihm ſich zugetragen:</l><lb/> <l>Durch welchen Auftrag Karl den tod ihm zugedacht,</l><lb/> <l>Und wie er gluͤklich ihn mit Ob'rons ſchuz vollbracht:</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <head> <hi rendition="#c">4.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">U</hi>nd wie in einem Traum die liebe ſich entſponnen,</l><lb/> <l>Die ihn beym erſten blik mit Rezia vereint;</l><lb/> <l>Wie er mit ihr aus Babylon entronnen,</l><lb/> <l>Und das Verbot, das ſein erhabner Freund</l><lb/> <l>Ihm auferlegt, und wie, ſobald er deſſen</l><lb/> <l>In einem augenblik von liebesdrang vergeſſen,</l><lb/> <l>Die ganze Natur ſich gegen ſie empoͤrt</l><lb/> <l>Und ihres Schuͤtzers huld in rache ſich verkehrt.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <head> <hi rendition="#c">5.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">W</hi>ohl, ſpricht der edle Greis, wohl dem, den ſein Geſchik</l><lb/> <l>So liebreich, und zugleich ſo ſtreng erziehet,</l><lb/> <l>Den kleinſten fehltritt ihm nicht ſtraflos uͤberſiehet,</l><lb/> <l>Wohl ihm! Denn ganz gewiß, das reinſte erdengluͤk</l><lb/> <l>Erwartet ihn. Auf herzen wie die euern</l><lb/> <l>Zuͤrnt Oberon nicht ewig. Glaube mir,</l><lb/> <l>Mein Sohn, ſein auge ſchwebt unſichtbar uͤber dir;</l><lb/> <l>Verdiene ſeine huld, ſo wird ſie ſich erneuern!</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">6. Und</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0209]
3.
Der junge Mann, im drang der dankbarkeit
Und des vertrau'ns, zumal da ihn zu fragen
Sein Wirth noch immer ſaͤumt, eroͤfnet ungeſcheut
Ihm ſeinen namen, ſtand, und was, ſeit jener zeit,
Da er zu Montlery des Kayſers ſohn erſchlagen,
Bis dieſen tag mit ihm ſich zugetragen:
Durch welchen Auftrag Karl den tod ihm zugedacht,
Und wie er gluͤklich ihn mit Ob'rons ſchuz vollbracht:
4.
Und wie in einem Traum die liebe ſich entſponnen,
Die ihn beym erſten blik mit Rezia vereint;
Wie er mit ihr aus Babylon entronnen,
Und das Verbot, das ſein erhabner Freund
Ihm auferlegt, und wie, ſobald er deſſen
In einem augenblik von liebesdrang vergeſſen,
Die ganze Natur ſich gegen ſie empoͤrt
Und ihres Schuͤtzers huld in rache ſich verkehrt.
5.
Wohl, ſpricht der edle Greis, wohl dem, den ſein Geſchik
So liebreich, und zugleich ſo ſtreng erziehet,
Den kleinſten fehltritt ihm nicht ſtraflos uͤberſiehet,
Wohl ihm! Denn ganz gewiß, das reinſte erdengluͤk
Erwartet ihn. Auf herzen wie die euern
Zuͤrnt Oberon nicht ewig. Glaube mir,
Mein Sohn, ſein auge ſchwebt unſichtbar uͤber dir;
Verdiene ſeine huld, ſo wird ſie ſich erneuern!
6. Und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |