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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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6.
Und wie verdien ich sie? Mit welchem opfer still'
Ich seinen zorn? fragt Hüon rasch den Alten;
Ich bin bereit, es sey so schwer es will;
Was kann ich thun? -- Freywillig dich enthalten,
Antwortet ihm Alfons: Was du gesündigt hast
Wird Dadurch nur gebüßt. -- Der junge Mann erblaßt.
Ich fühl es, spricht der Greis mit sanfterröthender wange;
Allein, ich weiß von Wem ich es verlange!
7.
Ein edles selbstgefühl ergreift den jungen Mann:
"Hier hast du meine hand!" -- Mehr ward kein wort gesprochen.
Und wohl ihm, der, nach mehr als hundert wochen,
Sich selbst das zeugniß geben kann,
Er habe sein gelübde nicht gebrochen!
Es war der schönste sieg, den Hüon je gewann.
Doch hat er oft die furcht vorm Alten zu erröthen,
Oft Rezia's standhaftern ernst vonnöthen.
8.
Nichts unterhält so gut (versichert ihn der Greis)
Die sinnen mit der pflicht im frieden,
Als fleißig sie durch arbeit zu ermüden;
Nichts bringt sie leichter aus dem gleis
Als müß'ge träumerey. Um der zuvorzukommen,
Wird ungesäumt, sobald der tag erwacht,
Die scharfe axt zur hand genommen,
Und holz im hayn gefällt bis in die dunkle nacht.
9. Noch
6.
Und wie verdien ich ſie? Mit welchem opfer ſtill'
Ich ſeinen zorn? fragt Huͤon raſch den Alten;
Ich bin bereit, es ſey ſo ſchwer es will;
Was kann ich thun? — Freywillig dich enthalten,
Antwortet ihm Alfons: Was du geſuͤndigt haſt
Wird Dadurch nur gebuͤßt. — Der junge Mann erblaßt.
Ich fuͤhl es, ſpricht der Greis mit ſanfterroͤthender wange;
Allein, ich weiß von Wem ich es verlange!
7.
Ein edles ſelbſtgefuͤhl ergreift den jungen Mann:
„Hier haſt du meine hand!“ — Mehr ward kein wort geſprochen.
Und wohl ihm, der, nach mehr als hundert wochen,
Sich ſelbſt das zeugniß geben kann,
Er habe ſein geluͤbde nicht gebrochen!
Es war der ſchoͤnſte ſieg, den Huͤon je gewann.
Doch hat er oft die furcht vorm Alten zu erroͤthen,
Oft Rezia's ſtandhaftern ernſt vonnoͤthen.
8.
Nichts unterhaͤlt ſo gut (verſichert ihn der Greis)
Die ſinnen mit der pflicht im frieden,
Als fleißig ſie durch arbeit zu ermuͤden;
Nichts bringt ſie leichter aus dem gleis
Als muͤß'ge traͤumerey. Um der zuvorzukommen,
Wird ungeſaͤumt, ſobald der tag erwacht,
Die ſcharfe axt zur hand genommen,
Und holz im hayn gefaͤllt bis in die dunkle nacht.
9. Noch
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[0210] 6. Und wie verdien ich ſie? Mit welchem opfer ſtill' Ich ſeinen zorn? fragt Huͤon raſch den Alten; Ich bin bereit, es ſey ſo ſchwer es will; Was kann ich thun? — Freywillig dich enthalten, Antwortet ihm Alfons: Was du geſuͤndigt haſt Wird Dadurch nur gebuͤßt. — Der junge Mann erblaßt. Ich fuͤhl es, ſpricht der Greis mit ſanfterroͤthender wange; Allein, ich weiß von Wem ich es verlange! 7. Ein edles ſelbſtgefuͤhl ergreift den jungen Mann: „Hier haſt du meine hand!“ — Mehr ward kein wort geſprochen. Und wohl ihm, der, nach mehr als hundert wochen, Sich ſelbſt das zeugniß geben kann, Er habe ſein geluͤbde nicht gebrochen! Es war der ſchoͤnſte ſieg, den Huͤon je gewann. Doch hat er oft die furcht vorm Alten zu erroͤthen, Oft Rezia's ſtandhaftern ernſt vonnoͤthen. 8. Nichts unterhaͤlt ſo gut (verſichert ihn der Greis) Die ſinnen mit der pflicht im frieden, Als fleißig ſie durch arbeit zu ermuͤden; Nichts bringt ſie leichter aus dem gleis Als muͤß'ge traͤumerey. Um der zuvorzukommen, Wird ungeſaͤumt, ſobald der tag erwacht, Die ſcharfe axt zur hand genommen, Und holz im hayn gefaͤllt bis in die dunkle nacht. 9. Noch

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/210>, abgerufen am 16.05.2024.