Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
24.
Titania, die Elfenkönigin,
Sie hatte seit dem tag, da troz und widersinn
So unvermuthet sie um Oberons herz betrogen,
Sich in dies nemliche gebürg zurükgezogen.
Mit dem Gemal, der ihr durch einen Schwur entsagt,
Den unterm unbegrenzten bogen
Des himmlischen azurs kein Geist zu brechen wagt,
Mit seiner lieb und ihm war all ihr glük entflogen.
25.
Zu spät beweint sie nun die unbesonnene That
Des raschen augenbliks; fühlt mit beschämten wangen
Die größe ihrer schuld, den schweren hochverrath
Den sie an ihm und an sich selbst begangen.
Vergebens kämpft ihr stolz der stärkern zärtlichkeit
Entgegen! -- Ach! sie flöge himmelweit
Und wärfe gern, um ihr vergehn zu büßen,
In thränen sich zu des Erzürnten füßen.
26.
Was hälf es ihr? Er schwur, in wasser noch in luft,
Noch wo im blühtenhayn die zweige balsam regnen,
Noch wo der hagre Greif in ewigfinstrer gruft
Bey zauberschätzen wacht, ihr jemals zu begegnen!
Vergebens käm ihn selbst die späte reue an,
Auf ewig fesselt ihn der schwur den er gethan.
Ihn auszusöhnen bleibt ihr keine pforte offen;
Die einz'ge die ihr bleibt, was ist von der zu hoffen?
27. Sie
24.
Titania, die Elfenkoͤnigin,
Sie hatte ſeit dem tag, da troz und widerſinn
So unvermuthet ſie um Oberons herz betrogen,
Sich in dies nemliche gebuͤrg zuruͤkgezogen.
Mit dem Gemal, der ihr durch einen Schwur entſagt,
Den unterm unbegrenzten bogen
Des himmliſchen azurs kein Geiſt zu brechen wagt,
Mit ſeiner lieb und ihm war all ihr gluͤk entflogen.
25.
Zu ſpaͤt beweint ſie nun die unbeſonnene That
Des raſchen augenbliks; fuͤhlt mit beſchaͤmten wangen
Die groͤße ihrer ſchuld, den ſchweren hochverrath
Den ſie an ihm und an ſich ſelbſt begangen.
Vergebens kaͤmpft ihr ſtolz der ſtaͤrkern zaͤrtlichkeit
Entgegen! — Ach! ſie floͤge himmelweit
Und waͤrfe gern, um ihr vergehn zu buͤßen,
In thraͤnen ſich zu des Erzuͤrnten fuͤßen.
26.
Was haͤlf es ihr? Er ſchwur, in waſſer noch in luft,
Noch wo im bluͤhtenhayn die zweige balſam regnen,
Noch wo der hagre Greif in ewigfinſtrer gruft
Bey zauberſchaͤtzen wacht, ihr jemals zu begegnen!
Vergebens kaͤm ihn ſelbſt die ſpaͤte reue an,
Auf ewig feſſelt ihn der ſchwur den er gethan.
Ihn auszuſoͤhnen bleibt ihr keine pforte offen;
Die einz'ge die ihr bleibt, was iſt von der zu hoffen?
27. Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0216"/>
            <lg n="24">
              <head> <hi rendition="#c">24.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">T</hi>itania, die Elfenko&#x0364;nigin,</l><lb/>
              <l>Sie hatte &#x017F;eit dem tag, da troz und wider&#x017F;inn</l><lb/>
              <l>So unvermuthet &#x017F;ie um Oberons herz betrogen,</l><lb/>
              <l>Sich in dies nemliche gebu&#x0364;rg zuru&#x0364;kgezogen.</l><lb/>
              <l>Mit dem Gemal, der ihr durch einen Schwur ent&#x017F;agt,</l><lb/>
              <l>Den unterm unbegrenzten bogen</l><lb/>
              <l>Des himmli&#x017F;chen azurs kein Gei&#x017F;t zu brechen wagt,</l><lb/>
              <l>Mit &#x017F;einer lieb und ihm war all ihr glu&#x0364;k entflogen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="25">
              <head> <hi rendition="#c">25.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">Z</hi>u &#x017F;pa&#x0364;t beweint &#x017F;ie nun die unbe&#x017F;onnene That</l><lb/>
              <l>Des ra&#x017F;chen augenbliks; fu&#x0364;hlt mit be&#x017F;cha&#x0364;mten wangen</l><lb/>
              <l>Die gro&#x0364;ße ihrer &#x017F;chuld, den &#x017F;chweren hochverrath</l><lb/>
              <l>Den &#x017F;ie an ihm und an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t begangen.</l><lb/>
              <l>Vergebens ka&#x0364;mpft ihr &#x017F;tolz der &#x017F;ta&#x0364;rkern za&#x0364;rtlichkeit</l><lb/>
              <l>Entgegen! &#x2014; Ach! &#x017F;ie flo&#x0364;ge himmelweit</l><lb/>
              <l>Und wa&#x0364;rfe gern, um ihr vergehn zu bu&#x0364;ßen,</l><lb/>
              <l>In thra&#x0364;nen &#x017F;ich zu des Erzu&#x0364;rnten fu&#x0364;ßen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="26">
              <head> <hi rendition="#c">26.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">W</hi>as ha&#x0364;lf es ihr? Er &#x017F;chwur, in wa&#x017F;&#x017F;er noch in luft,</l><lb/>
              <l>Noch wo im blu&#x0364;htenhayn die zweige bal&#x017F;am regnen,</l><lb/>
              <l>Noch wo der hagre Greif in ewigfin&#x017F;trer gruft</l><lb/>
              <l>Bey zauber&#x017F;cha&#x0364;tzen wacht, ihr jemals zu begegnen!</l><lb/>
              <l>Vergebens ka&#x0364;m ihn &#x017F;elb&#x017F;t die &#x017F;pa&#x0364;te reue an,</l><lb/>
              <l>Auf ewig fe&#x017F;&#x017F;elt ihn der &#x017F;chwur den er gethan.</l><lb/>
              <l>Ihn auszu&#x017F;o&#x0364;hnen bleibt ihr keine pforte offen;</l><lb/>
              <l>Die einz'ge die ihr bleibt, was i&#x017F;t von der zu hoffen?</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">27. Sie</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0216] 24. Titania, die Elfenkoͤnigin, Sie hatte ſeit dem tag, da troz und widerſinn So unvermuthet ſie um Oberons herz betrogen, Sich in dies nemliche gebuͤrg zuruͤkgezogen. Mit dem Gemal, der ihr durch einen Schwur entſagt, Den unterm unbegrenzten bogen Des himmliſchen azurs kein Geiſt zu brechen wagt, Mit ſeiner lieb und ihm war all ihr gluͤk entflogen. 25. Zu ſpaͤt beweint ſie nun die unbeſonnene That Des raſchen augenbliks; fuͤhlt mit beſchaͤmten wangen Die groͤße ihrer ſchuld, den ſchweren hochverrath Den ſie an ihm und an ſich ſelbſt begangen. Vergebens kaͤmpft ihr ſtolz der ſtaͤrkern zaͤrtlichkeit Entgegen! — Ach! ſie floͤge himmelweit Und waͤrfe gern, um ihr vergehn zu buͤßen, In thraͤnen ſich zu des Erzuͤrnten fuͤßen. 26. Was haͤlf es ihr? Er ſchwur, in waſſer noch in luft, Noch wo im bluͤhtenhayn die zweige balſam regnen, Noch wo der hagre Greif in ewigfinſtrer gruft Bey zauberſchaͤtzen wacht, ihr jemals zu begegnen! Vergebens kaͤm ihn ſelbſt die ſpaͤte reue an, Auf ewig feſſelt ihn der ſchwur den er gethan. Ihn auszuſoͤhnen bleibt ihr keine pforte offen; Die einz'ge die ihr bleibt, was iſt von der zu hoffen? 27. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/216
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/216>, abgerufen am 16.05.2024.