Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
27.
Sie ist auf ewig zu. Denn nur ein liebend paar
Wie keines ist, wie niemals keines war
Noch seyn wird, schließt sie auf. Von schwachen Adamskindern
Zu hoffen eine Treu -- die keines sturmwinds stoß
Erschüttert, eine treu, die keine probe mindern
Kein reiz betäuben kann -- Unmöglich! -- Hoffnunglos
Sinkt in der fernsten Zukunft dunkeln schoos
Ihr thränenschwerer blik -- nichts kann ihr elend mindern!
28.
Verhaßt ist ihr nunmehr der Elfen scherz, der tanz
Im mondenlicht, verhaßt in seinem rosenkleide
Der schöne May; ihr schmükt kein myrtenkranz
Die stirne mehr; der anblik jeder freude
Reißt ihre wunden auf. Sie flattert durch das Leer
Der weiten luft im sturmwind hin und her,
Findt nirgends ruh, und sucht mit trübem blicke
Nach einem ort, der sich zu ihrer schwermut schicke.
29.
Zulezt entdekt sich ihr im großen Ozean
Dies Eyland. Aufgethürmt aus schwarzen ungeheuern
Ruinen, lokt es sie durch seine schwärze an
Den irren flug dahin zu steuern.
Es stimmt zu ihrem sinn. Sie taumelt aus der luft
Herab, und stürzet sich in eine finstre gruft,
Um ungestört ihr daseyn wegzuweinen,
Und unter felsen, selbst, wo möglich, zu versteinen.
30. Schon
O 2
27.
Sie iſt auf ewig zu. Denn nur ein liebend paar
Wie keines iſt, wie niemals keines war
Noch ſeyn wird, ſchließt ſie auf. Von ſchwachen Adamskindern
Zu hoffen eine Treu — die keines ſturmwinds ſtoß
Erſchuͤttert, eine treu, die keine probe mindern
Kein reiz betaͤuben kann — Unmoͤglich! — Hoffnunglos
Sinkt in der fernſten Zukunft dunkeln ſchoos
Ihr thraͤnenſchwerer blik — nichts kann ihr elend mindern!
28.
Verhaßt iſt ihr nunmehr der Elfen ſcherz, der tanz
Im mondenlicht, verhaßt in ſeinem roſenkleide
Der ſchoͤne May; ihr ſchmuͤkt kein myrtenkranz
Die ſtirne mehr; der anblik jeder freude
Reißt ihre wunden auf. Sie flattert durch das Leer
Der weiten luft im ſturmwind hin und her,
Findt nirgends ruh, und ſucht mit truͤbem blicke
Nach einem ort, der ſich zu ihrer ſchwermut ſchicke.
29.
Zulezt entdekt ſich ihr im großen Ozean
Dies Eyland. Aufgethuͤrmt aus ſchwarzen ungeheuern
Ruinen, lokt es ſie durch ſeine ſchwaͤrze an
Den irren flug dahin zu ſteuern.
Es ſtimmt zu ihrem ſinn. Sie taumelt aus der luft
Herab, und ſtuͤrzet ſich in eine finſtre gruft,
Um ungeſtoͤrt ihr daſeyn wegzuweinen,
Und unter felſen, ſelbſt, wo moͤglich, zu verſteinen.
30. Schon
O 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0217"/>
            <lg n="27">
              <head> <hi rendition="#c">27.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">S</hi>ie i&#x017F;t auf ewig zu. Denn nur ein liebend paar</l><lb/>
              <l>Wie keines i&#x017F;t, wie niemals keines war</l><lb/>
              <l>Noch &#x017F;eyn wird, &#x017F;chließt &#x017F;ie auf. Von &#x017F;chwachen Adamskindern</l><lb/>
              <l>Zu hoffen eine Treu &#x2014; die keines &#x017F;turmwinds &#x017F;toß</l><lb/>
              <l>Er&#x017F;chu&#x0364;ttert, eine treu, die keine probe mindern</l><lb/>
              <l>Kein reiz beta&#x0364;uben kann &#x2014; Unmo&#x0364;glich! &#x2014; Hoffnunglos</l><lb/>
              <l>Sinkt in der fern&#x017F;ten Zukunft dunkeln &#x017F;choos</l><lb/>
              <l>Ihr thra&#x0364;nen&#x017F;chwerer blik &#x2014; nichts kann ihr elend mindern!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="28">
              <head> <hi rendition="#c">28.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">V</hi>erhaßt i&#x017F;t ihr nunmehr der Elfen &#x017F;cherz, der tanz</l><lb/>
              <l>Im mondenlicht, verhaßt in &#x017F;einem ro&#x017F;enkleide</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;cho&#x0364;ne May; ihr &#x017F;chmu&#x0364;kt kein myrtenkranz</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;tirne mehr; der anblik jeder freude</l><lb/>
              <l>Reißt ihre wunden auf. Sie flattert durch das Leer</l><lb/>
              <l>Der weiten luft im &#x017F;turmwind hin und her,</l><lb/>
              <l>Findt nirgends ruh, und &#x017F;ucht mit tru&#x0364;bem blicke</l><lb/>
              <l>Nach einem ort, der &#x017F;ich zu ihrer &#x017F;chwermut &#x017F;chicke.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="29">
              <head> <hi rendition="#c">29.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">Z</hi>ulezt entdekt &#x017F;ich ihr im großen Ozean</l><lb/>
              <l>Dies Eyland. Aufgethu&#x0364;rmt aus &#x017F;chwarzen ungeheuern</l><lb/>
              <l>Ruinen, lokt es &#x017F;ie durch &#x017F;eine &#x017F;chwa&#x0364;rze an</l><lb/>
              <l>Den irren flug dahin zu &#x017F;teuern.</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;timmt zu ihrem &#x017F;inn. Sie taumelt aus der luft</l><lb/>
              <l>Herab, und &#x017F;tu&#x0364;rzet &#x017F;ich in eine fin&#x017F;tre gruft,</l><lb/>
              <l>Um unge&#x017F;to&#x0364;rt ihr da&#x017F;eyn wegzuweinen,</l><lb/>
              <l>Und unter fel&#x017F;en, &#x017F;elb&#x017F;t, wo mo&#x0364;glich, zu ver&#x017F;teinen.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">O 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">30. Schon</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0217] 27. Sie iſt auf ewig zu. Denn nur ein liebend paar Wie keines iſt, wie niemals keines war Noch ſeyn wird, ſchließt ſie auf. Von ſchwachen Adamskindern Zu hoffen eine Treu — die keines ſturmwinds ſtoß Erſchuͤttert, eine treu, die keine probe mindern Kein reiz betaͤuben kann — Unmoͤglich! — Hoffnunglos Sinkt in der fernſten Zukunft dunkeln ſchoos Ihr thraͤnenſchwerer blik — nichts kann ihr elend mindern! 28. Verhaßt iſt ihr nunmehr der Elfen ſcherz, der tanz Im mondenlicht, verhaßt in ſeinem roſenkleide Der ſchoͤne May; ihr ſchmuͤkt kein myrtenkranz Die ſtirne mehr; der anblik jeder freude Reißt ihre wunden auf. Sie flattert durch das Leer Der weiten luft im ſturmwind hin und her, Findt nirgends ruh, und ſucht mit truͤbem blicke Nach einem ort, der ſich zu ihrer ſchwermut ſchicke. 29. Zulezt entdekt ſich ihr im großen Ozean Dies Eyland. Aufgethuͤrmt aus ſchwarzen ungeheuern Ruinen, lokt es ſie durch ſeine ſchwaͤrze an Den irren flug dahin zu ſteuern. Es ſtimmt zu ihrem ſinn. Sie taumelt aus der luft Herab, und ſtuͤrzet ſich in eine finſtre gruft, Um ungeſtoͤrt ihr daſeyn wegzuweinen, Und unter felſen, ſelbſt, wo moͤglich, zu verſteinen. 30. Schon O 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/217
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/217>, abgerufen am 16.05.2024.