Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.35. Thut, wie ich euch gesagt, und alle tag' und stundenSchaut eure Rosen an; und wenn ihr alle drey Zu Lilien werden seht, so merket dran, ich sey Mit Oberon versöhnt und wieder neuverbunden. Dann eilet mit Amandens sohn herbey, Denn mit der meinen ist auch Ihre noth verschwunden. Die Nymfen neigten sich, und flohn In einem wölkchen schnell hinweg mit Hüons sohn. 36. Kaum war der Morgen aufgegangen,So sucht mit bebendem unruhigem verlangen Amanda ihren Freund, der seine lagerstatt Fern von Alfons und ihr in einem felsen hat. So hastig eilt sie fort, daß sie (was nie geschehen Seitdem sie Mutter war) vor lauter eil vergißt, Nach ihrem sohn, der noch ihr schlafgeselle ist, Und ruhig (glaubt sie) schläft, vorher sich umzusehen. 37. Sie findet ihren Mann, im garten irrend, auf,Und beyde nehmen auf der stelle, Was sie besorgen sich verbergend, nach der zelle Des alten Vaters ihren lauf. Wie klopft ihr herz, indem sie seinem lager Sich langsam nahn! Er liegt, die hände auf sein herz Gefaltet, athemlos, sein antliz bleich und hager, Doch edel jeder zug, und rein, und ohne schmerz. 38. Er
35. Thut, wie ich euch geſagt, und alle tag' und ſtundenSchaut eure Roſen an; und wenn ihr alle drey Zu Lilien werden ſeht, ſo merket dran, ich ſey Mit Oberon verſoͤhnt und wieder neuverbunden. Dann eilet mit Amandens ſohn herbey, Denn mit der meinen iſt auch Ihre noth verſchwunden. Die Nymfen neigten ſich, und flohn In einem woͤlkchen ſchnell hinweg mit Huͤons ſohn. 36. Kaum war der Morgen aufgegangen,So ſucht mit bebendem unruhigem verlangen Amanda ihren Freund, der ſeine lagerſtatt Fern von Alfons und ihr in einem felſen hat. So haſtig eilt ſie fort, daß ſie (was nie geſchehen Seitdem ſie Mutter war) vor lauter eil vergißt, Nach ihrem ſohn, der noch ihr ſchlafgeſelle iſt, Und ruhig (glaubt ſie) ſchlaͤft, vorher ſich umzuſehen. 37. Sie findet ihren Mann, im garten irrend, auf,Und beyde nehmen auf der ſtelle, Was ſie beſorgen ſich verbergend, nach der zelle Des alten Vaters ihren lauf. Wie klopft ihr herz, indem ſie ſeinem lager Sich langſam nahn! Er liegt, die haͤnde auf ſein herz Gefaltet, athemlos, ſein antliz bleich und hager, Doch edel jeder zug, und rein, und ohne ſchmerz. 38. Er
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0236"/> <lg n="35"> <head> <hi rendition="#c">35.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">T</hi>hut, wie ich euch geſagt, und alle tag' und ſtunden</l><lb/> <l>Schaut eure Roſen an; und wenn ihr alle drey</l><lb/> <l>Zu Lilien werden ſeht, ſo merket dran, ich ſey</l><lb/> <l>Mit Oberon verſoͤhnt und wieder neuverbunden.</l><lb/> <l>Dann eilet mit Amandens ſohn herbey,</l><lb/> <l>Denn mit der meinen iſt auch Ihre noth verſchwunden.</l><lb/> <l>Die Nymfen neigten ſich, und flohn</l><lb/> <l>In einem woͤlkchen ſchnell hinweg mit Huͤons ſohn.</l> </lg><lb/> <lg n="36"> <head> <hi rendition="#c">36.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">K</hi>aum war der Morgen aufgegangen,</l><lb/> <l>So ſucht mit bebendem unruhigem verlangen</l><lb/> <l>Amanda ihren Freund, der ſeine lagerſtatt</l><lb/> <l>Fern von Alfons und ihr in einem felſen hat.</l><lb/> <l>So haſtig eilt ſie fort, daß ſie (was nie geſchehen</l><lb/> <l>Seitdem ſie Mutter war) vor lauter eil vergißt,</l><lb/> <l>Nach ihrem ſohn, der noch ihr ſchlafgeſelle iſt,</l><lb/> <l>Und ruhig (glaubt ſie) ſchlaͤft, vorher ſich umzuſehen.</l> </lg><lb/> <lg n="37"> <head> <hi rendition="#c">37.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">S</hi>ie findet ihren Mann, im garten irrend, auf,</l><lb/> <l>Und beyde nehmen auf der ſtelle,</l><lb/> <l>Was ſie beſorgen ſich verbergend, nach der zelle</l><lb/> <l>Des alten Vaters ihren lauf.</l><lb/> <l>Wie klopft ihr herz, indem ſie ſeinem lager</l><lb/> <l>Sich langſam nahn! Er liegt, die haͤnde auf ſein herz</l><lb/> <l>Gefaltet, athemlos, ſein antliz bleich und hager,</l><lb/> <l>Doch edel jeder zug, und rein, und ohne ſchmerz.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">38. Er</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0236]
35.
Thut, wie ich euch geſagt, und alle tag' und ſtunden
Schaut eure Roſen an; und wenn ihr alle drey
Zu Lilien werden ſeht, ſo merket dran, ich ſey
Mit Oberon verſoͤhnt und wieder neuverbunden.
Dann eilet mit Amandens ſohn herbey,
Denn mit der meinen iſt auch Ihre noth verſchwunden.
Die Nymfen neigten ſich, und flohn
In einem woͤlkchen ſchnell hinweg mit Huͤons ſohn.
36.
Kaum war der Morgen aufgegangen,
So ſucht mit bebendem unruhigem verlangen
Amanda ihren Freund, der ſeine lagerſtatt
Fern von Alfons und ihr in einem felſen hat.
So haſtig eilt ſie fort, daß ſie (was nie geſchehen
Seitdem ſie Mutter war) vor lauter eil vergißt,
Nach ihrem ſohn, der noch ihr ſchlafgeſelle iſt,
Und ruhig (glaubt ſie) ſchlaͤft, vorher ſich umzuſehen.
37.
Sie findet ihren Mann, im garten irrend, auf,
Und beyde nehmen auf der ſtelle,
Was ſie beſorgen ſich verbergend, nach der zelle
Des alten Vaters ihren lauf.
Wie klopft ihr herz, indem ſie ſeinem lager
Sich langſam nahn! Er liegt, die haͤnde auf ſein herz
Gefaltet, athemlos, ſein antliz bleich und hager,
Doch edel jeder zug, und rein, und ohne ſchmerz.
38. Er
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |