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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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59.
Auf ihr erbärmliches geschrey,
Das durch die felsen hallt, fliegt Hüon voller schrecken
Den wald herab, zu ihrer hülf herbey.
Ganz außer sich, sobald ihm was es sey
Die bäume länger nicht verstecken,
Ergreift er in der noth den ersten knot'gen stecken
Der vor ihm liegt, und stürzt, wie aus der wolken schoos
Ein donnerkeil, auf die Barbaren los.
60.
Sein holdes Weib zu sehn, die mit blutrünst'gen armen
Sich zwischen räubertatzen sträubt,
Der anblik, der zu Tygerwut ihn treibt,
Macht bald den eichenstok in seiner faust erwarmen.
Die streiche fallen hageldicht
Auf köpf' und schultern ein mit stürzendem gewicht.
Er scheint kein Sterblicher; sein aug' sprizt feuerfunken,
Und sieben Mohren sind schon vor ihm hingesunken.
61.
Bestürzung, schaam und grimm, von einem einz'gen mann
Den schönen raub entrissen sich zu sehen,
Spornt alle andern an, auf Hüon loszugehen,
Der sich, so lang' er noch die arme regen kann,
Unbändig wehrt; bis, da ihm im gedränge
Sein stok entfällt, die überlegne menge,
Wiewohl er rasend schlägt und stößt und um sich beißt,
Ihn endlich übermannt und ganz zu boden reißt.
62. Mit
59.
Auf ihr erbaͤrmliches geſchrey,
Das durch die felſen hallt, fliegt Huͤon voller ſchrecken
Den wald herab, zu ihrer huͤlf herbey.
Ganz außer ſich, ſobald ihm was es ſey
Die baͤume laͤnger nicht verſtecken,
Ergreift er in der noth den erſten knot'gen ſtecken
Der vor ihm liegt, und ſtuͤrzt, wie aus der wolken ſchoos
Ein donnerkeil, auf die Barbaren los.
60.
Sein holdes Weib zu ſehn, die mit blutruͤnſt'gen armen
Sich zwiſchen raͤubertatzen ſtraͤubt,
Der anblik, der zu Tygerwut ihn treibt,
Macht bald den eichenſtok in ſeiner fauſt erwarmen.
Die ſtreiche fallen hageldicht
Auf koͤpf' und ſchultern ein mit ſtuͤrzendem gewicht.
Er ſcheint kein Sterblicher; ſein aug' ſprizt feuerfunken,
Und ſieben Mohren ſind ſchon vor ihm hingeſunken.
61.
Beſtuͤrzung, ſchaam und grimm, von einem einz'gen mann
Den ſchoͤnen raub entriſſen ſich zu ſehen,
Spornt alle andern an, auf Huͤon loszugehen,
Der ſich, ſo lang' er noch die arme regen kann,
Unbaͤndig wehrt; bis, da ihm im gedraͤnge
Sein ſtok entfaͤllt, die uͤberlegne menge,
Wiewohl er raſend ſchlaͤgt und ſtoͤßt und um ſich beißt,
Ihn endlich uͤbermannt und ganz zu boden reißt.
62. Mit
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[0244] 59. Auf ihr erbaͤrmliches geſchrey, Das durch die felſen hallt, fliegt Huͤon voller ſchrecken Den wald herab, zu ihrer huͤlf herbey. Ganz außer ſich, ſobald ihm was es ſey Die baͤume laͤnger nicht verſtecken, Ergreift er in der noth den erſten knot'gen ſtecken Der vor ihm liegt, und ſtuͤrzt, wie aus der wolken ſchoos Ein donnerkeil, auf die Barbaren los. 60. Sein holdes Weib zu ſehn, die mit blutruͤnſt'gen armen Sich zwiſchen raͤubertatzen ſtraͤubt, Der anblik, der zu Tygerwut ihn treibt, Macht bald den eichenſtok in ſeiner fauſt erwarmen. Die ſtreiche fallen hageldicht Auf koͤpf' und ſchultern ein mit ſtuͤrzendem gewicht. Er ſcheint kein Sterblicher; ſein aug' ſprizt feuerfunken, Und ſieben Mohren ſind ſchon vor ihm hingeſunken. 61. Beſtuͤrzung, ſchaam und grimm, von einem einz'gen mann Den ſchoͤnen raub entriſſen ſich zu ſehen, Spornt alle andern an, auf Huͤon loszugehen, Der ſich, ſo lang' er noch die arme regen kann, Unbaͤndig wehrt; bis, da ihm im gedraͤnge Sein ſtok entfaͤllt, die uͤberlegne menge, Wiewohl er raſend ſchlaͤgt und ſtoͤßt und um ſich beißt, Ihn endlich uͤbermannt und ganz zu boden reißt. 62. Mit

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/244>, abgerufen am 16.05.2024.