Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
17.
Ein anders? -- Dieser zweifel hüllt
Ihr plözlich auf, was sie sich selber zu gestehen
Erröthet. Unruhvoll, verfolgt von Hüons bild,
Irrt sie die ganze nacht durch lauben und alleen,
Horcht jedem lüftchen das sich regt
Entgegen, jedem blat das an ein anders schlägt;
Still! spricht sie zur Vertrauten, laß uns lauschen!
Mir däucht, ich hörte was durch jene hecke rauschen.
18.
Es ist vielleicht der schöne Gärtner, spricht
Die schlaue Zof': er ist, wofern mich alles nicht
An ihm betrügt, der Mann sein leben dran zu setzen,
Um hier, im hinterhalt, an einen busch gedrükt,
Mit einem anblik sich noch einmal zu ergötzen
Der ihn ins Paradies verzükt.
Wie wenn wir ihn ganz leise überraschten,
Und auf der frischen that den schönen Frefler haschten?
19.
Schweig, Närrin, spricht die Haremskönigin,
Du faselst, glaub ich, gar im traume?
Und gleichwohl richtet sie geradenwegs zum baume,
Woher das rauschen kam, die leichten schritte hin.
Es war ein Eidechs nur gewesen,
Der durchs gesträuch geschlüpft. -- Ein seufzer, halb erstikt,
Halb in den strauß, den sie zum munde hielt, gedrükt,
Bekräftigt was Nadin' in ihrem blik gelesen.
20. Un-
17.
Ein anders? — Dieſer zweifel huͤllt
Ihr ploͤzlich auf, was ſie ſich ſelber zu geſtehen
Erroͤthet. Unruhvoll, verfolgt von Huͤons bild,
Irrt ſie die ganze nacht durch lauben und alleen,
Horcht jedem luͤftchen das ſich regt
Entgegen, jedem blat das an ein anders ſchlaͤgt;
Still! ſpricht ſie zur Vertrauten, laß uns lauſchen!
Mir daͤucht, ich hoͤrte was durch jene hecke rauſchen.
18.
Es iſt vielleicht der ſchoͤne Gaͤrtner, ſpricht
Die ſchlaue Zof': er iſt, wofern mich alles nicht
An ihm betruͤgt, der Mann ſein leben dran zu ſetzen,
Um hier, im hinterhalt, an einen buſch gedruͤkt,
Mit einem anblik ſich noch einmal zu ergoͤtzen
Der ihn ins Paradies verzuͤkt.
Wie wenn wir ihn ganz leiſe uͤberraſchten,
Und auf der friſchen that den ſchoͤnen Frefler haſchten?
19.
Schweig, Naͤrrin, ſpricht die Haremskoͤnigin,
Du faſelſt, glaub ich, gar im traume?
Und gleichwohl richtet ſie geradenwegs zum baume,
Woher das rauſchen kam, die leichten ſchritte hin.
Es war ein Eidechs nur geweſen,
Der durchs geſtraͤuch geſchluͤpft. — Ein ſeufzer, halb erſtikt,
Halb in den ſtrauß, den ſie zum munde hielt, gedruͤkt,
Bekraͤftigt was Nadin' in ihrem blik geleſen.
20. Un-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0270"/>
            <lg n="17">
              <head> <hi rendition="#c">17.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">E</hi>in anders? &#x2014; Die&#x017F;er zweifel hu&#x0364;llt</l><lb/>
              <l>Ihr plo&#x0364;zlich auf, was &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elber zu ge&#x017F;tehen</l><lb/>
              <l>Erro&#x0364;thet. Unruhvoll, verfolgt von Hu&#x0364;ons bild,</l><lb/>
              <l>Irrt &#x017F;ie die ganze nacht durch lauben und alleen,</l><lb/>
              <l>Horcht jedem lu&#x0364;ftchen das &#x017F;ich regt</l><lb/>
              <l>Entgegen, jedem blat das an ein anders &#x017F;chla&#x0364;gt;</l><lb/>
              <l>Still! &#x017F;pricht &#x017F;ie zur Vertrauten, laß uns lau&#x017F;chen!</l><lb/>
              <l>Mir da&#x0364;ucht, ich ho&#x0364;rte was durch jene hecke rau&#x017F;chen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="18">
              <head> <hi rendition="#c">18.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">E</hi>s i&#x017F;t vielleicht der &#x017F;cho&#x0364;ne Ga&#x0364;rtner, &#x017F;pricht</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;chlaue Zof': er i&#x017F;t, wofern mich alles nicht</l><lb/>
              <l>An ihm betru&#x0364;gt, der Mann &#x017F;ein leben dran zu &#x017F;etzen,</l><lb/>
              <l>Um hier, im hinterhalt, an einen bu&#x017F;ch gedru&#x0364;kt,</l><lb/>
              <l>Mit einem anblik &#x017F;ich noch einmal zu ergo&#x0364;tzen</l><lb/>
              <l>Der ihn ins Paradies verzu&#x0364;kt.</l><lb/>
              <l>Wie wenn wir ihn ganz lei&#x017F;e u&#x0364;berra&#x017F;chten,</l><lb/>
              <l>Und auf der fri&#x017F;chen that den &#x017F;cho&#x0364;nen Frefler ha&#x017F;chten?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="19">
              <head> <hi rendition="#c">19.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">S</hi>chweig, Na&#x0364;rrin, &#x017F;pricht die Haremsko&#x0364;nigin,</l><lb/>
              <l>Du fa&#x017F;el&#x017F;t, glaub ich, gar im traume?</l><lb/>
              <l>Und gleichwohl richtet &#x017F;ie geradenwegs zum baume,</l><lb/>
              <l>Woher das rau&#x017F;chen kam, die leichten &#x017F;chritte hin.</l><lb/>
              <l>Es war ein Eidechs nur gewe&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Der durchs ge&#x017F;tra&#x0364;uch ge&#x017F;chlu&#x0364;pft. &#x2014; Ein &#x017F;eufzer, halb er&#x017F;tikt,</l><lb/>
              <l>Halb in den &#x017F;trauß, den &#x017F;ie zum munde hielt, gedru&#x0364;kt,</l><lb/>
              <l>Bekra&#x0364;ftigt was Nadin' in ihrem blik gele&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">20. Un-</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0270] 17. Ein anders? — Dieſer zweifel huͤllt Ihr ploͤzlich auf, was ſie ſich ſelber zu geſtehen Erroͤthet. Unruhvoll, verfolgt von Huͤons bild, Irrt ſie die ganze nacht durch lauben und alleen, Horcht jedem luͤftchen das ſich regt Entgegen, jedem blat das an ein anders ſchlaͤgt; Still! ſpricht ſie zur Vertrauten, laß uns lauſchen! Mir daͤucht, ich hoͤrte was durch jene hecke rauſchen. 18. Es iſt vielleicht der ſchoͤne Gaͤrtner, ſpricht Die ſchlaue Zof': er iſt, wofern mich alles nicht An ihm betruͤgt, der Mann ſein leben dran zu ſetzen, Um hier, im hinterhalt, an einen buſch gedruͤkt, Mit einem anblik ſich noch einmal zu ergoͤtzen Der ihn ins Paradies verzuͤkt. Wie wenn wir ihn ganz leiſe uͤberraſchten, Und auf der friſchen that den ſchoͤnen Frefler haſchten? 19. Schweig, Naͤrrin, ſpricht die Haremskoͤnigin, Du faſelſt, glaub ich, gar im traume? Und gleichwohl richtet ſie geradenwegs zum baume, Woher das rauſchen kam, die leichten ſchritte hin. Es war ein Eidechs nur geweſen, Der durchs geſtraͤuch geſchluͤpft. — Ein ſeufzer, halb erſtikt, Halb in den ſtrauß, den ſie zum munde hielt, gedruͤkt, Bekraͤftigt was Nadin' in ihrem blik geleſen. 20. Un-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/270
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/270>, abgerufen am 22.12.2024.