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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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56.
Die Dame winkt: und schnell schlingt sich die schwesterschaar
Der Nymfen, die vorhin den goldnen thron umgaben,
In einen tanz, der Todte auf der baar
Mit neuen seelen zu begaben,
Und Geister zu verkörpern fähig war.
In Gruppen bald verwebt, bald wieder paar und paar,
Sieht Hüon hier die lieblichsten gestalten
In tausendfachem licht freygebig sich entfalten.
57.
Vielleicht zu deutlich nur, scheint alles abgezielt
Begierden ihm und ahnungen zu geben:
Er fühl' es immerhin, denkt sie, wenn er nur fühlt.
Wie reich das schauspiel ist das hier die Schönheit spielt!
Wie reizend ist der Arme leichtes schweben,
Der Hüften üppiger schwung, der Knöchel wirbelnd beben!
Wie schmachtend fallen sie, mit halbgeschloßnem blik,
Als wie in süssen Tod izt stufenweis zurük!
58.
Unwillig fühlt die überraschten sinnen
Der edle Mann in dieser glut zerrinnen.
Er schließt zulezt die augen mit gewalt,
Und ruft Amandens bild zum mächt'gen gegenhalt;
Amandens bild, aus jener ernsten stunde
Als er, den druk noch warm auf seinem munde
Von ihrem kuß, zu Dem, der die Natur
Erfüllt und trägt, den eid der Lieb und Treue schwur.
59. Er
S 3
56.
Die Dame winkt: und ſchnell ſchlingt ſich die ſchweſterſchaar
Der Nymfen, die vorhin den goldnen thron umgaben,
In einen tanz, der Todte auf der baar
Mit neuen ſeelen zu begaben,
Und Geiſter zu verkoͤrpern faͤhig war.
In Gruppen bald verwebt, bald wieder paar und paar,
Sieht Huͤon hier die lieblichſten geſtalten
In tauſendfachem licht freygebig ſich entfalten.
57.
Vielleicht zu deutlich nur, ſcheint alles abgezielt
Begierden ihm und ahnungen zu geben:
Er fuͤhl' es immerhin, denkt ſie, wenn er nur fuͤhlt.
Wie reich das ſchauſpiel iſt das hier die Schoͤnheit ſpielt!
Wie reizend iſt der Arme leichtes ſchweben,
Der Huͤften uͤppiger ſchwung, der Knoͤchel wirbelnd beben!
Wie ſchmachtend fallen ſie, mit halbgeſchloßnem blik,
Als wie in ſuͤſſen Tod izt ſtufenweis zuruͤk!
58.
Unwillig fuͤhlt die uͤberraſchten ſinnen
Der edle Mann in dieſer glut zerrinnen.
Er ſchließt zulezt die augen mit gewalt,
Und ruft Amandens bild zum maͤcht'gen gegenhalt;
Amandens bild, aus jener ernſten ſtunde
Als er, den druk noch warm auf ſeinem munde
Von ihrem kuß, zu Dem, der die Natur
Erfuͤllt und traͤgt, den eid der Lieb und Treue ſchwur.
59. Er
S 3
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[0283] 56. Die Dame winkt: und ſchnell ſchlingt ſich die ſchweſterſchaar Der Nymfen, die vorhin den goldnen thron umgaben, In einen tanz, der Todte auf der baar Mit neuen ſeelen zu begaben, Und Geiſter zu verkoͤrpern faͤhig war. In Gruppen bald verwebt, bald wieder paar und paar, Sieht Huͤon hier die lieblichſten geſtalten In tauſendfachem licht freygebig ſich entfalten. 57. Vielleicht zu deutlich nur, ſcheint alles abgezielt Begierden ihm und ahnungen zu geben: Er fuͤhl' es immerhin, denkt ſie, wenn er nur fuͤhlt. Wie reich das ſchauſpiel iſt das hier die Schoͤnheit ſpielt! Wie reizend iſt der Arme leichtes ſchweben, Der Huͤften uͤppiger ſchwung, der Knoͤchel wirbelnd beben! Wie ſchmachtend fallen ſie, mit halbgeſchloßnem blik, Als wie in ſuͤſſen Tod izt ſtufenweis zuruͤk! 58. Unwillig fuͤhlt die uͤberraſchten ſinnen Der edle Mann in dieſer glut zerrinnen. Er ſchließt zulezt die augen mit gewalt, Und ruft Amandens bild zum maͤcht'gen gegenhalt; Amandens bild, aus jener ernſten ſtunde Als er, den druk noch warm auf ſeinem munde Von ihrem kuß, zu Dem, der die Natur Erfuͤllt und traͤgt, den eid der Lieb und Treue ſchwur. 59. Er S 3

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/283>, abgerufen am 22.12.2024.