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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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65.
Fest war sein ton, und unbestechlich streng
Sein edler blik. Die Zauberin, wider willen,
Fühlt seine obermacht. Sie blaßt, und thränen füllen
Ihr zürnend aug; die lust kömmt ins gedräng
Mit ihrem stolz. Sie eilt sich zu verhüllen;
Verhaßt ist ihr das licht, der weite saal zu eng:
Mit einem kalten blik auf ihren
Rebellen, winket sie, ihn schleunig abzuführen.
66.
Die gipfel glänzten schon im ersten purpurlichte,
Als unser Held, die stirn in finstern gram
Gehüllt, zurük zu seinen Freunden kam.
Erschrocken lasen sie in seinem angesichte
Beym ersten blik die hälfte der geschichte.
Unglükliche, spricht er zu Fatmen, die vor schaam
Zur erde sinkt, wohin war dir dein sinn entflogen?
Doch -- dir verzeyh ich gern -- du wurdest selbst betrogen.
67.
Und als er drauf, was ihm in dieser nacht
Begegnet war, erzählt, faßt er den guten Alten
Vorn an der brust, und schwört: ihn soll die ganze Macht
Von Africa zurük nicht länger halten,
Mit schwert und schild, wie einem Rittersmann
Geziemt, in den palast zu dringen,
Und seine Rezia dem Sultan abzuzwingen.
Du siehst nun, spricht er, selbst, was ich mit list gewann!
68. Zu
65.
Feſt war ſein ton, und unbeſtechlich ſtreng
Sein edler blik. Die Zauberin, wider willen,
Fuͤhlt ſeine obermacht. Sie blaßt, und thraͤnen fuͤllen
Ihr zuͤrnend aug; die luſt koͤmmt ins gedraͤng
Mit ihrem ſtolz. Sie eilt ſich zu verhuͤllen;
Verhaßt iſt ihr das licht, der weite ſaal zu eng:
Mit einem kalten blik auf ihren
Rebellen, winket ſie, ihn ſchleunig abzufuͤhren.
66.
Die gipfel glaͤnzten ſchon im erſten purpurlichte,
Als unſer Held, die ſtirn in finſtern gram
Gehuͤllt, zuruͤk zu ſeinen Freunden kam.
Erſchrocken laſen ſie in ſeinem angeſichte
Beym erſten blik die haͤlfte der geſchichte.
Ungluͤkliche, ſpricht er zu Fatmen, die vor ſchaam
Zur erde ſinkt, wohin war dir dein ſinn entflogen?
Doch — dir verzeyh ich gern — du wurdeſt ſelbſt betrogen.
67.
Und als er drauf, was ihm in dieſer nacht
Begegnet war, erzaͤhlt, faßt er den guten Alten
Vorn an der bruſt, und ſchwoͤrt: ihn ſoll die ganze Macht
Von Africa zuruͤk nicht laͤnger halten,
Mit ſchwert und ſchild, wie einem Rittersmann
Geziemt, in den palaſt zu dringen,
Und ſeine Rezia dem Sultan abzuzwingen.
Du ſiehſt nun, ſpricht er, ſelbſt, was ich mit liſt gewann!
68. Zu
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[0286] 65. Feſt war ſein ton, und unbeſtechlich ſtreng Sein edler blik. Die Zauberin, wider willen, Fuͤhlt ſeine obermacht. Sie blaßt, und thraͤnen fuͤllen Ihr zuͤrnend aug; die luſt koͤmmt ins gedraͤng Mit ihrem ſtolz. Sie eilt ſich zu verhuͤllen; Verhaßt iſt ihr das licht, der weite ſaal zu eng: Mit einem kalten blik auf ihren Rebellen, winket ſie, ihn ſchleunig abzufuͤhren. 66. Die gipfel glaͤnzten ſchon im erſten purpurlichte, Als unſer Held, die ſtirn in finſtern gram Gehuͤllt, zuruͤk zu ſeinen Freunden kam. Erſchrocken laſen ſie in ſeinem angeſichte Beym erſten blik die haͤlfte der geſchichte. Ungluͤkliche, ſpricht er zu Fatmen, die vor ſchaam Zur erde ſinkt, wohin war dir dein ſinn entflogen? Doch — dir verzeyh ich gern — du wurdeſt ſelbſt betrogen. 67. Und als er drauf, was ihm in dieſer nacht Begegnet war, erzaͤhlt, faßt er den guten Alten Vorn an der bruſt, und ſchwoͤrt: ihn ſoll die ganze Macht Von Africa zuruͤk nicht laͤnger halten, Mit ſchwert und ſchild, wie einem Rittersmann Geziemt, in den palaſt zu dringen, Und ſeine Rezia dem Sultan abzuzwingen. Du ſiehſt nun, ſpricht er, ſelbſt, was ich mit liſt gewann! 68. Zu

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/286>, abgerufen am 29.05.2024.