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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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54.
Sie bleibt darauf, ihr soll der tod willkommner seyn.
Der Sultan schwört mit fürchterlicher stimme
Bey Mahoms Grab, nichts soll vor seinem grimme
Sie retten, geht sie nicht sogleich den antrag ein.
Ists nicht mein leztes wort, soll Alla mich verdammen!
Hört man den Wütenden bis in dem Vorsaal schreyen:
Entschließe dich, sey auf der stelle mein,
Wo nicht, so stirb mit dem Verworfnen in den flammen!
55.
Sie sieht ihn zürnend an, und schweigt. Entschließe dich,
Ruft er zum zweytenmal. -- O! so befreye mich
Von deinem anblik, spricht die Königin der Frauen,
Des Todes grinsen selbst erwekt nur minder grauen.
Almansor ruft, und giebt, von wut erstikt,
Den grausamen befehl, und höllenfunken sprühen
Aus seinem aug. Der Schwarzen Erster bükt
Sich bis zur erde hin, und schwört, ihn zu vollziehen.
56.
Schon steht der gräßliche Altar
Zum opfer aufgethürmt; schon drängt sich, schaar an schaar,
Das Volk herzu, das, gern in angst gesetzet,
An trauerspielen dieser art
Die augen weinend labt, und schauernd sich ergötzet.
Schon stehn, zum leiden und zum tode noch gepaart,
An Einen Marterpfahl gebunden,
Die einzgen Liebenden die Ob'ron rein erfunden.
57. Ein
54.
Sie bleibt darauf, ihr ſoll der tod willkommner ſeyn.
Der Sultan ſchwoͤrt mit fuͤrchterlicher ſtimme
Bey Mahoms Grab, nichts ſoll vor ſeinem grimme
Sie retten, geht ſie nicht ſogleich den antrag ein.
Iſts nicht mein leztes wort, ſoll Alla mich verdammen!
Hoͤrt man den Wuͤtenden bis in dem Vorſaal ſchreyen:
Entſchließe dich, ſey auf der ſtelle mein,
Wo nicht, ſo ſtirb mit dem Verworfnen in den flammen!
55.
Sie ſieht ihn zuͤrnend an, und ſchweigt. Entſchließe dich,
Ruft er zum zweytenmal. — O! ſo befreye mich
Von deinem anblik, ſpricht die Koͤnigin der Frauen,
Des Todes grinſen ſelbſt erwekt nur minder grauen.
Almanſor ruft, und giebt, von wut erſtikt,
Den grauſamen befehl, und hoͤllenfunken ſpruͤhen
Aus ſeinem aug. Der Schwarzen Erſter buͤkt
Sich bis zur erde hin, und ſchwoͤrt, ihn zu vollziehen.
56.
Schon ſteht der graͤßliche Altar
Zum opfer aufgethuͤrmt; ſchon draͤngt ſich, ſchaar an ſchaar,
Das Volk herzu, das, gern in angſt geſetzet,
An trauerſpielen dieſer art
Die augen weinend labt, und ſchauernd ſich ergoͤtzet.
Schon ſtehn, zum leiden und zum tode noch gepaart,
An Einen Marterpfahl gebunden,
Die einzgen Liebenden die Ob'ron rein erfunden.
57. Ein
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[0306] 54. Sie bleibt darauf, ihr ſoll der tod willkommner ſeyn. Der Sultan ſchwoͤrt mit fuͤrchterlicher ſtimme Bey Mahoms Grab, nichts ſoll vor ſeinem grimme Sie retten, geht ſie nicht ſogleich den antrag ein. Iſts nicht mein leztes wort, ſoll Alla mich verdammen! Hoͤrt man den Wuͤtenden bis in dem Vorſaal ſchreyen: Entſchließe dich, ſey auf der ſtelle mein, Wo nicht, ſo ſtirb mit dem Verworfnen in den flammen! 55. Sie ſieht ihn zuͤrnend an, und ſchweigt. Entſchließe dich, Ruft er zum zweytenmal. — O! ſo befreye mich Von deinem anblik, ſpricht die Koͤnigin der Frauen, Des Todes grinſen ſelbſt erwekt nur minder grauen. Almanſor ruft, und giebt, von wut erſtikt, Den grauſamen befehl, und hoͤllenfunken ſpruͤhen Aus ſeinem aug. Der Schwarzen Erſter buͤkt Sich bis zur erde hin, und ſchwoͤrt, ihn zu vollziehen. 56. Schon ſteht der graͤßliche Altar Zum opfer aufgethuͤrmt; ſchon draͤngt ſich, ſchaar an ſchaar, Das Volk herzu, das, gern in angſt geſetzet, An trauerſpielen dieſer art Die augen weinend labt, und ſchauernd ſich ergoͤtzet. Schon ſtehn, zum leiden und zum tode noch gepaart, An Einen Marterpfahl gebunden, Die einzgen Liebenden die Ob'ron rein erfunden. 57. Ein

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/306>, abgerufen am 16.05.2024.